GuD-Kraftwerk LeipheimKommunale Partner gesucht
Im Interview mit stadt+werk über die Herausforderungen rund um die Errichtung des Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD Kraftwerk) in Leipheim.
Jürgen Schäffner ist seit Anfang 2003 technischer Geschäftsführer der SWU Energie GmbH. Der gebürtige Mannheimer (Jahrgang 1964) hat nach seinem Elektrotechnik-Studium zunächst für den AEG-Konzern gearbeitet. Erfahrungen in der Kommunalwirtschaft sammelte
(Bildquelle: SWU Energie)
Herr Schäffner, die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) wollen ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD-Kraftwerk) auf dem ehemaligen Fliegerhorst in Leipheim errichten. Wie ist der Stand der Planung?
Der Kaufoptionsvertrag für das geplante Kraftwerksgelände ist noch 2011 unterzeichnet worden. Vor wenigen Wochen erst sind wir in die aktive Phase der Bauleitplanung eingestiegen, in deren Rahmen die Flächennutzungspläne geändert und der Bebauungsplan aufgestellt werden sollen. Der gesamte Genehmigungsprozess wird jedoch noch einige Monate in Anspruch nehmen. Wir haben also noch einiges vor, wenn wir unser Kraftwerk 2017 oder 2018 in Betrieb nehmen wollen.
Wie hoch ist das Investitionsvolumen und wie lauten die Leistungsdaten des neuen Kraftwerks?
Die Investitionssumme beläuft sich auf rund 900 Millionen Euro. Wir planen am Standort Leipheim ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk mit zwei Blöcken, die insgesamt eine Erzeugungskapazität von bis zu 1.200 Megawatt aufweisen. Mit einem Wirkungsgrad von etwa 60 Prozent wird unser Kraftwerk zu einem der modernsten und effizientesten GuD-Kraftwerke der Welt gehören.
Steht die Finanzierung bereits?
900 Millionen Euro an Investitionskosten sind eine erhebliche Summe für die SWU. Das können wir nur mit weiteren Partnern aufbringen. Wir sind derzeit auf der Suche nach kommunalen Unternehmen sowie anderen Stadtwerken, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir interessierte Investoren finden werden.
In der Gemeinde Bubesheim formierte sich Widerstand gegen das Projekt. Welche Befürchtungen haben die Bürger?
Umfassende Infrastrukturprojekte sind gerade für die Region, in der sie verwirklicht werden sollen, ein großer Schritt. In den Kommunen und bei der Bevölkerung werden Fragen aufgeworfen, Ängste und Bedenken geäußert und unterschiedliche Auffassungen dargelegt. Die Themen, die angesprochen wurden, drehten sich hauptsächlich um die möglichen Auswirkungen auf Mensch und Natur.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Die SWU haben sich den Bürgern und den Vertretern der betroffenen Kommunen immer gestellt und den Dialog aktiv aufgenommen. Deswegen haben wir schon früh in öffentlichen Veranstaltungen über unser Projekt informiert. Durch Offenheit und Transparenz konnten wir die Bevölkerung vor Ort für unser Projekt gewinnen. Das deutliche Votum des Bürgerentscheids, der am 11. September 2011 positiv für den Bau unseres Kraftwerks ausgegangen ist, hat uns in unserer Arbeit bestätigt. So wollen wir weitermachen.
Wie erklären Sie einem Laien die Funktionsweise eines GuD-Kraftwerks?
Zunächst wird in einem Brenner ein Erdgas-Luft-Gemisch gezündet und verbrannt. Das dabei entstehende energiereiche Abgas strömt mit einer Temperatur von über 1.200 Grad Celsius durch die Gasturbine, die ihre Rotationsenergie an den Generator überträgt. Bei diesem Prozess kühlt sich das Abgas bis auf eine Temperatur von fast 600 Grad ab. Dieses Abgas erhitzt in einem nächsten Schritt das Wasser im Abhitzekessel, sodass schließlich Wasserdampf entsteht, der dann durch die Dampfturbine strömt, die ihrerseits auch mit dem Generator verbunden ist. Der Generator wandelt die Rotationsenergie der Turbinen in elektrische Energie um und gibt sie über einen Transformator ins Stromnetz ab. Schließlich wird der Wasserdampf über den Kondensator abgekühlt und als Wasser wieder in den Abhitzekessel zurückgepumpt. Hierdurch schließt sich der Kreislauf. Das Besondere an einem GuD-Kraftwerk ist demnach, dass es zwei unterschiedliche Turbinentypen besitzt, welche die Vorteile beider Prozesse in optimaler Weise nutzen und verbinden, wodurch der hohe Wirkungsgrad von rund 60 Prozent ermöglicht wird.
Wo sehen Sie die besonderen Vorteile von GuD-Kraftwerken im Vergleich zu anderen Kraftwerken?
Im Betrieb zeichnen sich hochmoderne GuD-Kraftwerke durch eine flexible Steuerbarkeit von Volllast auf Teillast aus, hinzu kommt die kurze Startzeit. Daher eignen sie sich hervorragend, um Mittel- und Spitzenlasten abzudecken: Schwankt der Strombedarf, kann das Kraftwerk seine Leistung an die aktuell benötigten Mengen anpassen und so den benötigten Bedarf schnell decken. Auf der anderen Seite kann ein GuD-Kraftwerk in kürzester Zeit vom Netz genommen werden. Zudem sind GuD-Kraftwerke im Vergleich zu anderen fossilen Kraftwerken weitaus effizienter. Die Emissionen sind zudem so gering, dass sie nur einen Bruchteil der durch die Bundesemissionsschutzverordnung gesetzlich zulässigen Grenzwerte ausmachen.
Experten rechnen vor, dass sich solche Kraftwerke derzeit nicht wirtschaftlich betreiben lassen. Warum wollen Sie trotzdem bauen?
Die SWU wollen die Energiewende gestalten und sind bereit, dafür Investitionen in effiziente, fossile und flexible Erzeugungsanlagen zu tätigen. Gleichzeitig investieren wir konsequent in den Ausbau erneuerbarer Energien und dezentraler Erzeugung. Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die von allen Gruppen mitgetragen werden muss, damit sie gelingt. Ich sage an dieser Stelle aber ganz deutlich: Wir werden das GuD Leipheim nicht bauen, wenn es nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Nach der aktuellen Gesetzeslage wäre genau das der Fall. Aus diesem Grund muss die Politik neue Rahmenbedingungen schaffen. Wir gehen davon aus, dass sich hier in den kommenden Monaten etwas tut und stehen dann mit unserem Projekt bereit.
Welche Rahmenbedingungen muss die Politik noch schaffen, damit weitere Gaskraftwerke gebaut werden können?
Zurzeit werden erneuerbare Energien an der Leipziger Strombörse zu Euro gehandelt. Bezahlt werden diese direkt vom Endkunden per EEG-Umlage – aktuell rund 3,5 Cent pro Kilowattstunde. Die Folge ist, dass der für den Kraftwerksbau relevante Handelspreis seit Jahren sinkt. Der Preis für den Endverbraucher steigt jedoch stetig. Somit wirken Solar- und Windenergie zunehmend preisdämpfend und investitionshemmend für den Zubau von konventionellen Kraftwerken. Das Paradoxe daran ist, dass gerade die erneuerbaren Energien hochflexible Komplementärkraftwerke als Partner unbedingt brauchen. Die Marktteilnehmer werden Investitionen solange meiden, wie diese absehbar zu Verlusten führen. Gerade für den Süden Deutschlands ist dies gefährlich, da fehlende, schnell regelbare Kraftwerkskapazitäten nach dem Ausstieg aus der Kernenergie zu Versorgungsengpässen führen werden. Investoren brauchen die Anreize für Investitionen in flexibel einsetzbare Kraftwerkskapazitäten – ohne die wird es keine erfolgreiche Energiewende geben.
Was raten Sie Verantwortlichen in anderen Stadtwerken, die ähnliche Projekte planen?
Natürlich rate ich allen Stadtwerken, sich als erstes an uns zu wenden, wenn sie Interesse an einer Beteiligung an einem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk haben. Wir suchen noch kommunale Partner. Wenn Stadtwerke ähnliche Projekte selbst projektieren möchten, sollten sie ausreichend Investitionsvolumen, Know-how und neben aller wirtschaftlichen und unternehmerischen Fähigkeiten auch die Bereitschaft zum Dialog mit den Menschen vor Ort mitbringen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2012 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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