InterviewKombination mit enormer Schlagkraft
Herr Liesner, die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) spielt eine wichtige Rolle für eine dezentrale und effiziente Energieversorgung. Wie hat sich die Technologie in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
Liesner: Die Kraft-Wärme-Kopplung ist zum Synonym für eine dezentrale und effiziente Energieversorgung geworden. Ob als Großanlage mit mehreren Megawatt zur Versorgung großer Wärmenetze, zur Senkung der Energiekosten in der Industrie oder zur Objektversorgung mit wenigen hundert Kilowatt – die KWK leistet zuverlässig ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit. Klar ist, dass der Betrieb von KWK-Anlagen mit Erdgas in den kommenden 20 Jahren keine Rolle mehr spielen wird. Hier ist es von Vorteil, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Brennstoffe eingesetzt werden kann, wie Biogas oder auch Wasserstoff.
Herr Dr. Schreinermacher, Wärmepumpen sind erst in jüngster Zeit in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Was leistet diese Technologie heute?
Schreinermacher: Ich würde sagen, dass der Fokus auf Wärmepumpen schon länger besteht. Wir sehen aber ein wachsendes Interesse von Stadtwerken, da Wärmepumpen sehr gut in deren Energiesystem passen.
Wie äußert sich das?
Schreinermacher: Für kommunale Unternehmen wird es zunehmend interessant, Wärmepumpen als Produkt anzubieten. Diese können auch in Quartieren, Wärmenetzen und industriellen Prozessen eingesetzt werden. Das sind klassische Geschäftsfelder der Stadtwerke. Ziel ist es, Verbrennungsprozesse zu ergänzen oder zu ersetzen. Dabei geht es auch um die Frage, wie der Strom aus der Kraft-Wärme-Kopplung wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann.
Mit welchen Vorurteilen und Herausforderungen waren KWK und Wärmepumpen bisher konfrontiert?
Liesner: Bei der Kraft-Wärme-Kopplung heißt es, dass sie mit fossilen Energieträgern betrieben werden muss, weil sie wärmegeführt und unflexibel ist. Hier muss noch Aufklärungsarbeit geleistet werden. Denn dass eine KWK-Anlage mit erneuerbaren Gasen betrieben werden muss, ist heute selbstverständlich. Wir müssen nur die Stärken der verschiedenen Technologien herausstellen und zeigen, dass die Kombination zu höheren Wirkungsgraden führt. Innovative Stadtwerke machen genau das bereits.
Schreinermacher: Es gibt das klassische Vorurteil, dass Wärmepumpen in Altbauten ohne Fußbodenheizung nicht funktionieren oder dass im Winter der erneuerbare Strom für den Betrieb fehlt. Ich denke, das ist alles in den vergangenen Monaten ausgeräumt worden. Ein Problem aus meiner Sicht ist, dass oft in getrennten Welten gedacht wird. Wenn man Quartierskonzepte plant oder darüber nachdenkt, wie man fossile Energieträger ersetzen kann, dann kommt man nicht umhin, diese beiden Welten zusammenzubringen. Wärmepumpen sind sehr effizient, weil sie Umweltenergie aus der Luft, aus dem Boden und aus dem Wasser nutzen. Jedes Stadtwerk hat ein großes Potenzial an Wärmequellen, die mit Wärmepumpen erschlossen werden können.
Welche Wärmequellen würden Sie nennen?
#bild2 Schreinermacher: Man kann beim Kraftwerkspark ansetzen und dort Wärmequellen identifizieren, etwa Rücklauftemperaturen mit Wärmepumpen absenken oder Abwärme aus dem Rauchgas nutzen. Große Wärmequellen sind Abwasserkanäle und Kläranlagen, hier können mehrere Megawatt Wärme erzeugt werden. Wärmequellen können auch mit mehreren kleineren Wärmepumpen erschlossen werden, die flexibel einsetzbar sind.
Warum gilt die Kombination aus KWK und Wärmepumpe als effiziente Lösung für die Dekarbonisierung des Energiemarkts?
Schreinermacher: Die Schlüsselwörter lauten Vielseitigkeit und Flexibilität. Das bedeutet, dass kleinere Wärmepumpen für die Grundlast in Gebäuden und bei Fernwärme aus KWK-Anlagen für die Spitzenlast eingesetzt werden können. Zum anderen müssen mehr erneuerbare Energien in die Wärmenetze integriert werden. Dazu muss die Netztemperatur abgesenkt werden. Für Gebäude mit höherem Wärmebedarf kann die niedrigere Vorlauftemperatur durch einen Wärmepumpen-Booster angehoben werden.
Liesner: Ich möchte noch auf die Vorteile der Dezentralisierung hinweisen. KWK-Anlagen für Nahwärmenetze können schon heute zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden. So kann ein Wärmenetz sehr schnell dekarbonisiert werden. Und zur Kraftwerksstrategie: Die KWK-Branche könnte rund sechs Gigawatt Erzeugungskapazität aufbauen. Ähnliches gilt für die Wärmepumpenbranche. Die Kombination von KWK und Wärmepumpen hat eine enorme Schlagkraft.
Welche Faktoren beeinflussen die Effizienz von KWK und Wärmepumpen, insbesondere im Hinblick auf die Temperaturanforderungen?
Schreinermacher: Bei der Wärmepumpe geht es um den Temperaturhub. Ist der Unterschied zwischen Ausgangs- und Zieltemperatur zu groß, sinkt die Effizienz der Wärmepumpe. Das kann bei niedrigen Wärmequellen wie der Außenluft der Fall sein. Bei hohen Vorlauftemperaturen, beispielsweise bei Prozesswärme, können mit Wärmepumpen sehr hohe Endtemperaturen von weit über 100 Grad Celsius erzeugt werden. Ich möchte noch hinzufügen, dass die Versorgung mit Kälte immer wichtiger wird. Hier haben Wärmepumpen ihre Stärke, denn sie können beides, Wärme und Kälte erzeugen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Energieversorgung und welche Rolle spielt die Kraft-Wärme-Kopplung in dieser Vision?
„KWK ist das Rückgrat der regenerativen Energieversorgung.“
Schreinermacher: Wir stehen am Anfang einer massiven Verbreitung von Wärmepumpen. Das zeigen die Zubauzahlen, die unsere Branche bereits in den vergangenen Jahren verzeichnen konnte. Es ist mir wichtig zu betonen, dass Wärmepumpen unterschiedlicher Größe wirtschaftliche Chancen für Stadtwerke bieten. Das beginnt bei kleineren Geräten, wo es um Vermietung oder Contracting geht, aber auch um den Verkauf von Wärme und Strom für die Wärmepumpen bis hin zur Einbindung von Wärmepumpen in Nahwärmenetze.
Liesner: KWK ist das Rückgrat der regenerativen Energieversorgung, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Der große Vorteil ist, dass eine Umstellung auf Wasserstoff möglich ist und KWK-Anlagen schrittweise dekarbonisiert werden können. Durch den dezentralen Ansatz sind sehr individuelle Energielösungen möglich, die Spielraum für die individuell beste Lösung lassen. Klar ist: Stadtwerke wollen dezentrale KWK-Anlagen bauen, weil sie sich rechnen. Heute mehr denn je.
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Dieser Beitrag ist im Schwerpunkt Kraft-Wärme-Kopplung der Ausgabe September/Oktober 2023 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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