Anlagen-ManagementKein Stillstand
Die Energiebranche verändert sich in Folge der raschen Zunahme erneuerbarer Energien im Wärme- und Strommarkt rasant, da die Schere zwischen Erzeugung und Bedarf stetig größer wird. Durch den mittelfristigen Wegfall gesicherter Kraftwerksleistung aus Kohle und Atom kommt der verlässlichen und ressourcenschonenden Abdeckung der Residuallast eine zunehmend wichtige Rolle zu.
Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) könnte aufgrund ihrer Flexibilität künftig das Rückgrat der Energiewende bilden. Um diese Rolle adäquat auszufüllen, muss ein jederzeit verlässlicher Betrieb der Anlagen gewährleistet sein. Ein Schlüssel dazu ist es, Störungen zu erkennen, noch bevor sie auftreten. Mit I.R.I.S., dem Intelligent Report Information System von 2G Energy, werden Abweichungen im Betrieb automatisch ausgewertet und Serviceeinsätze eingeleitet.
Verfügbarkeit als zentrale Kennzahl
Nach Einschätzung von Frank Grewe, als CTO beim KWK-Anlagenhersteller 2G verantwortlich für die Bereiche Entwicklung und Service, hat sich durch den Wandel im globalen Energiesystem auch die Rolle des After Sales Service verändert. „Noch vor einigen Jahren haben wir eine KWK-Anlage oft als isoliertes Projekt betrachtet, mit dem unsere Kunden ihre Energiekosten reduzieren und gleichzeitig ressourcenschonend mit Strom und Wärme versorgt werden. Ein Problem bei einer Maschine hatte daher im Wesentlichen finanzielle oder negative technische Folgen für den jeweiligen Einzelkunden“, berichtet Grewe. „Durch die zunehmende Einbindung unserer Module als Rückgrat in komplexe Versorgungssysteme gehen die Anforderungen an die Verlässlichkeit jedoch inzwischen weit über den einzelnen Kunden hinaus.“ Er bringt es etwas überspitzt auf den Punkt: „Wir tragen mit unserer Technologie nicht mehr nur Verantwortung für das Portemonnaie des einzelnen Kunden, sondern liefern einen wichtigen Beitrag für die Verlässlichkeit des Energiesystems als Ganzes. Verfügbarkeit ist die zentrale Kennzahl.“ Neben der stetigen Weiterentwicklung der Hardware und des immer enger werdenden Netzwerks aus Servicemonteuren und -partnern habe man sich bei 2G daher die Frage gestellt: „Was können wir tun, damit unplanmäßige Anlagenausfälle gar nicht erst entstehen?“
Erfahrung in Zahlen wandeln
Schon vor der Entwicklung des neuen I.R.I.S.-Systems ließen sich 70 Prozent aller weltweiten Störungen an 2G-Anlagen via Fernwartung innerhalb kürzester Zeit online beheben. Mittels vorhandener Sensorik an vielen Hauptkomponenten konnte der Anlagenbetrieb auch in der Vergangenheit über längere Zeiträume überwacht werden, wodurch der Grundstein für die Idee einer Weiterentwicklung gelegt wurde, berichtet Grewe. „Viele unserer erfahrenen Mitarbeiter haben über die Jahre hinweg ein gewisses Fingerspitzengefühl für das technische Verhalten der Anlagen entwickelt. Allein mit Blick auf über längere Zeiträume gelieferte Daten gibt es Kollegen, welche den zu erwartenden Verschleiß und den Umfang erforderlicher Wartungsarbeiten hervorragend einschätzen können. Wir haben daraufhin überlegt, wie wir dieses Abschätzen in Zahlen wandeln und mit realen Daten stützen können.“
Die Software I.R.I.S. basiert auf der flächendeckenden Erhebung von Betriebsparametern von tausenden 2G-Kraftwerken auf der ganzen Welt. Wöchentlich werden etwa 400 Millionen Sensorwerte in das System eingespeist. Kernaufgabe der Lösung ist es, einzelne Betriebsabweichungen zu identifizieren, diese mit weiteren Anlagenparametern in Relation zu setzen und im Anschluss Handlungsempfehlungen für den Betreiber und die überwachenden Servicekollegen bei 2G abzugeben. Schwierig sei vor allem gewesen, die Masse an Daten in ein hilfreiches Werkzeug im Alltag zu verwandeln, erläutert Grewe. „Die reine Meldung über einzelne technische Schwellenwerte ist zwar richtig und wichtig, liefert aber nur punktuelle Angaben zu einzelnen Komponenten. Uns reizte eher die Vorstellung einer allgemeinen Handlungsempfehlung, die die unterschiedlichsten Informationen über Drücke, Temperaturen, Spannungen et cetera miteinander in Einklang bringt und zudem die Erfahrung von tausenden Anlagen auf der ganzen Welt berücksichtigt.“
Allgemeiner Trend zur Enttechnisierung
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Durch die intensive Entwicklungsarbeit der vergangenen Jahre werden in I.R.I.S. inzwischen prozentuale Gefährdungspotenziale für jede Anlage auf der Welt kontinuierlich errechnet und konkrete, auf verschiedene Komponenten bezogene Handlungsempfehlungen abgegeben. Grewe sieht die Entwicklung im Kontext des allgemeinen Trends zur Enttechnisierung: „Trotz aller Komplexität und nötigen Verzahnung zwischen Mechanik und Software wollen wir in erster Linie für den Kunden eine Lösung schaffen, die einfach und nachvollziehbar ist. Vereinfacht gesagt haben wir nun ein weiteres, in Echtzeit agierendes, digitales Auge auf die Anlage und liegen damit voll im Trend der zunehmenden Anforderungen nach Predictive Maintenance.“ Auch an anderer Stelle ergeben sich positive Nebeneffekte. So kann das Regelwartungsintervall beim Einsatz von I.R.I.S. von 2.000 auf 4.000 Stunden verlängert werden. Die optimierte Anlagenüberwachung gibt die nötige Sicherheit, dass es zwischen den Intervallen zu keinen kritischen Betriebsweisen kommen kann. Zudem ist I.R.I.S. komplett in die vorhandenen Serviceprozesse integriert, sodass sich kein 2G-Mitarbeiter in seiner Arbeitsweise umstellen muss und die Prozesssicherheit gewährleistet ist.
Blick nach vorne
In Kombination mit dem Erfahrungsschatz der 2G-Kollegen und seiner internationalen Partner leistet die Software schon heute einen wichtigen Beitrag, um Stillstandszeiten von Anlagen auf der ganzen Welt zu reduzieren und das After-Sales-Geschäft effizienter zu gestalten. Auf dem Erreichten will sich 2G nach Angaben von Frank Grewe aber nicht ausruhen: „Schon heute bestellen viele unserer Kunden ihre benötigten Ersatzteile einfach und bequem im 2G-Onlineshop. Aktuell denken wir daher darüber nach, auch diese Möglichkeiten zu kombinieren. KWK-Anlagen könnten infolge der I.R.I.S.-Handlungsempfehlungen selbstständig Ersatzteilbestellungen und Wartungseinsätze auslösen, um die Anlagenverfügbarkeit weiter zu steigern. Das Ende der Fahnenstange sehen wir noch lange nicht erreicht.“ Bei aller technischen Euphorie verweist Grewe aber auf die eigentliche Intention von I.R.I.S.: „Keine Software der Welt ersetzt das persönliche Gespräch. Durch die Möglichkeiten von I.R.I.S. können wir die Intensität technischer Diskussionen reduzieren und uns vermehrt auf die eigentliche Kundenbeziehung konzentrieren.“
Dieser Beitrag ist im Sonderheft Juni 2021 von stadt+werk zur Infrastruktur für die Smart City erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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