Freitag, 22. November 2024

FinanzierungKapital von Kassen, Banken und Bürgern

[24.07.2013] Die Energiewende ist eine enorme finanzielle Herausforderung. Allein die Stadtwerke planen Investitionen von über sechs Milliarden Euro. Zur Finanzierung ist eine gemeinsame Anstrengung des gesamten Finanzsektors und die Einbindung privaten Kapitals nötig.
Zur Finanzierung der Energiewende ist eine gemeinsame Anstrengung des gesamten Finanzsektors und die Einbindung privaten Kapitals nötig.

Zur Finanzierung der Energiewende ist eine gemeinsame Anstrengung des gesamten Finanzsektors und die Einbindung privaten Kapitals nötig.

(Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation)

Die Bereitstellung einer angemessenen Ver- und Entsorgungsinfrastruktur zählt zu den wichtigsten kommunalen Aufgaben. Sie muss gebaut, betrieben und instandgehalten werden, mit technologischen Entwicklungen Schritt halten und an demografische Prozesse angepasst werden – und das bei oftmals desolater Finanzlage. Stehen die Städte und Gemeinden damit schon vor enormen Herausforderungen, kommen nun noch die mit der Energiewende verbundenen Maßnahmen hinzu. Das Ziel, die Energieversorgung zu dezentralisieren, hat die Kommunen mit ihren Akteuren weiter in den Blickpunkt gerückt:
● Politik und Verwaltung sichern die planerisch-konzeptionellen Voraussetzungen für die Neuausrichtung der Energieversorgung. Konzepte zur Nutzung der erneuerbaren Energien aus Wind, Biomasse, Wasser oder Geothermie erfordern Entscheidungen, die nur dezentral in den Regionen zu treffen sind und von den Kommunen mitgestaltet werden müssen.
● Die Bürger leisten neben der Belastung durch Steuern und Abgaben ihre Beiträge sowohl durch Energieeinsparung als auch durch eine weiterhin steigende Erzeugung erneuerbarer Energien – mit selbstinstallierten Anlagen oder Beteiligungen an Gemeinschaftsanlagen.
● Nicht zuletzt kommt gerade den Stadtwerken bei der Erzeugung und Verteilung eine Schlüsselrolle zu. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen, die durch die Energiewende noch auf sie zukommen werden, planen sie in den kommenden Jahren Investitionen von weit über sechs Milliarden Euro.
Einer der Partner für die Finanzierung der umzusetzenden Vorhaben sind die Sparkassen. Durch ihre Nähe zu den Kommunen sind sie oftmals erster Ansprechpartner für die Investitionen der Stadtwerke. Der daraus abgeleitete Anspruch lautet deshalb, mit einem entsprechenden Produktangebot präsent zu sein. Damit die Sparkassen dieser Strategie auch beim Umbau des Energiesystems und dabei insbesondere in der Begleitung der kommunalen Energiewende gerecht werden können, pflegt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) beispielsweise eine enge Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzen- und Wirtschaftsverbänden.

Netzrückkauf durch Kommunen

Neben dem Ausbau der Erzeugung bilden Aus- und Umbau der Strom- und Gasnetze einen Schwerpunkt bei der Investitionsplanung der Stadtwerke. Die Infrastruktur muss technisch an die erhöhte örtliche Einspeisung angepasst werden. Darüber hinaus stehen viele Kommunen vor der Frage, wie sie mit den auslaufenden Konzessionsverträgen umgehen sollen. Hilfestellung bietet der kürzlich erschienene Leitfaden für die Finanzierung von Versorgungsnetzen, der gemeinsam vom DSGV, dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sowie den kommunalen Spitzenverbänden Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeindebund herausgegeben wird.
Mit dem Rückkauf der Netze verbinden viele Kommunen den Wunsch, politische Vorgaben, wie zum Beispiel eine stärkere Einflussnahme auf den Klimaschutz, eine Erhöhung der Energieeffizienz oder eine übergeordnete Steuerungsmöglichkeit der Energiemaßnahmen, umzusetzen sowie die kommunale und regionale Wertschöpfung zu steigern. Unter den sich bietenden Optionen, die ergebnisoffen geprüft werden müssen, bringt diese Maßnahme ein erhebliches Finanzierungserfordernis mit sich. Netzübernahmen sind Sprunginvestitionen und verändern die wirtschaftlichen, bilanziellen und organisatorischen Strukturen bestehender Stadtwerke vielfach tiefgreifend oder bedingen die Gründung neuer Stadtwerke. Überlegungen zu Finanzierbarkeit und Finanzierungsstruktur sollten deshalb mit den ersten grundsätzlichen rechtlichen und technischen Vorbereitungen einer Netzübernahme einhergehen. Ausgehend von der gewünschten Risikoverteilung sowie der durch rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorgegebenen Richtung stehen für die Strukturierung der Finanzierung verschiedene Modelle zur Verfügung.

Günstiger Kommunalkredit

Zwar befindet sich das Kommunalkreditgeschäft in einem Wandel und unterliegt zunehmenden Regulierungen. Banken sind gezwungen, Kreditvergaben verstärkt risikoadäquat mit Eigenkapital zu unterlegen, darüber hinaus ist eine verstärkte Differenzierung bei der Vergabe langfristiger Finanzierungsmittel wahrzunehmen. Dessen ungeachtet ist der Kommunalkredit für kommunale Gebietskörperschaften die kostengünstigste Mittelbeschaffung mit dem geringsten Dokumentationsaufwand. Jedoch wird der direkte Erwerb durch eine Kommune und die Übernahme des Netzes in den Kernhaushalt als Regie- oder Eigenbetrieb den Ausnahmefall darstellen.
Üblicherweise erfolgt eine Rekommunalisierung durch eine vorhandene oder eigens zu gründende Stadtwerkegesellschaft, an welche die Konzession vergeben wird. In solchen Fällen besteht für die Stadtwerke die Möglichkeit, einen kommunal verbürgten Kredit aufzunehmen und sich durch die Bonitätsleihe die Finanzierung erheblich zu erleichtern. Alle mit der Finanzierung verbundenen Risiken werden durch die Kommune übernommen. Voraussetzung für die Erteilung eines kommunal verbürgten Kredits ist eine beihilferechtliche Prüfung nach EU-Vorgaben.

Andere Finanzierungsformen

Alternativ bieten sich die Unternehmens- oder Projektfinanzierung an. Ein wichtiges Merkmal dieser Finanzierungsformen ist die Verknüpfung ihrer wirtschaftlichen Kenngrößen mit der Risikoverteilung. Je mehr Finanzierungsrisiken von Eigen- und Fremdkapitalgebern übernommen werden sollen, umso größer ist deren Erwartung an die Rendite aus der Bereitstellung des Kapitals. Bei der Unternehmensfinanzierung, also dem Bankkredit unmittelbar auf der Bilanz, stellt das kreditnehmende Unternehmen insbesondere weitreichende unternehmensbezogene Sicherheiten. Kosten für die Finanzierung und Anforderung an die Stellung von Eigenkapital werden dadurch reduziert.
Anders ist es bei der reinen Projektfinanzierung. Hierbei übernimmt der Kapitalgeber wesentliche Risiken. Damit verbunden sind sowohl ein höherer Prüfungs- und Dokumentationsaufwand als auch höhere Renditeerwartungen. Aus der Risikoverteilung über Eigen- und Fremdkapital resultieren dabei Eigenkapitalquoten von bis zu 40 Prozent. Für die Strukturierung von Eigen- und Fremdkapital bieten beide Formen – Unternehmens- wie Projektfinanzierung – weitere Möglichkeiten über Sponsoren, Leasing, Investmentfonds oder verbriefte Rechte. Ihre passgenaue Ausgestaltung wird sich dabei an den Finanzierungsbedingungen für kommunale energiewirtschaftliche Vorhaben und den aktuellen Bedingungen am Kapitalmarkt orientieren.

Impuls von den Kassen

In vielen Fällen sind die Sparkassen Impulsgeber und tragen die ersten Ideen an die Kommunen heran, oftmals gemeinsam mit ihrer auf diesem Themenfeld erfahrenen Kommunalberatungsgesellschaft, der DKC Deka Kommunal Consult. Sie legen darüber hinaus Finanzierungskonzepte für die Vorhaben vor und stehen als Finanzierungspartner zur Verfügung. Eines dieser Themenfelder ist die Realisierung von Windkraftprojekten, die vielerorts über die Verpachtung privater, aber auch kommunaler Flächen erfolgt. Auf Grundlage der Verträge, sofern diese die Belange der Gemeinde hinreichend berücksichtigen, werden der Kommune langfristig planbare Einnahmen, teilweise gekoppelt am tatsächlichen Windertrag, gesichert. Es stellt sich jedoch in vielen Fällen die Frage, ob damit die Potenziale zur Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg in optimaler Weise ausgeschöpft und die Komponenten regionale Energiegewinnung und Wertschöpfung in eine wirkungsvolle Wirtschaftsförderungsstrategie eingebracht werden.
Gerade für die stark nachgefragte Kombination von regionaler Wertschöpfung und Windkraftnutzung wurden von der DKC gemeinsam mit den örtlichen Sparkassen Umsetzungsvorschläge zum Ausbau der Windkraft angefertigt, die auf große Zustimmung gestoßen sind. Sie sichern die wirtschaftliche Beteiligung der Kommunen wie auch die Beibehaltung ihrer steuernden Funktion in der Planung und bieten darüber hinaus zahlreiche Ansatzpunkte, mit denen die Zusammenarbeit zwischen den Sparkassen und den Akteuren auf kommunaler Seite gestärkt werden kann. Wobei diese Partnerschaft bereits auf soliden Füßen steht: In einer im Jahr 2011 im Rahmen der DSGV-Vorstudie „Stadtwerke – Finanzierungsmöglichkeiten und Formen der Zusammenarbeit“ von der DKC in Kooperation mit dem VKU durchgeführten Befragung nannten 96 Prozent der Stadtwerke in Deutschland die Sparkassen einen für sich bedeutenden oder sehr bedeutenden Finanzpartner. In der gleichen Befragung gaben rund 45 Prozent der Stadtwerke an, bereits Erfahrungen mit Projektfinanzierungen bei Investitionen gesammelt zu haben. 80 Prozent gehen sogar davon aus, dass diese Finanzierungsform in naher Zukunft den gleichen Stellenwert einnehmen wird, den heute die Unternehmensfinanzierung innehat. Damit bestätigen die Stadtwerke, sich an die derzeitigen Gegebenheiten des Finanzierungsmarktes anzupassen und sich, soweit absehbar, auch auf seine zukünftigen Anforderungen auszurichten.

Modelle mit Bürgerbeteiligung

Eine ungebrochen starke Nachfrage bei Erneuerbare-Energien-Projekten erleben Umsetzungsmodelle mit Bürgerbeteiligung. Die Einbindung von Bürgern in der Region kann ein Schlüssel zur erfolgreichen Realisierung von Projekten sein. Ihre Beteiligung am Planungs- und Umsetzungsprozess sowie an der Finanzierung schafft Identifikation durch Akzeptanz und Teilhabe. Auf diese Weise können die Kommunen bei ihren Bürgern die Bereitschaft fördern, die Energiewende selbst mitzugestalten. Auch hier stehen die Sparkassen mit Lösungsvorschlägen und Erfahrung beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen oder beim Verkauf von Anlageprodukten, wie zum Beispiel zweckgebundenen Sparbriefen, zur Verfügung.
Die Erfahrungen zeigen, dass gerade Angebote wie Klima-, Solar- oder Windsparbriefe bei den Kunden von Sparkassen und Stadtwerken auf großes Interesse stoßen. Die Tatsache, dass die meisten Produkte bereits nach wenigen Tagen überzeichnet sind, belegt das Interesse der Bürger, regionale Erzeugungsanlagen zu unterstützen, wenn sie in die entsprechenden Projekte eingebunden werden. Energieprojekte werden auf diese Weise zu Bürgerprojekten, mit denen sich die Menschen identifizieren können. Das besondere Vertrauen, das gerade örtliche Stadtwerke und Sparkassen bei den Bürgern genießen, kommt der Umsetzung dieser Projekte zusätzlich zugute.
Trotz der wachsenden Bedeutung alternativer Finanzierungsformen, zu denen auch die finanzielle Bürgerbeteiligung zählt, hat die Unternehmensfinanzierung nach wie vor den größten Stellenwert bei den Stadtwerken. Für diese Finanzierungsform sprechen die verhältnismäßig einfache Strukturierung, die guten Konditionen sowie die langjährige Praxiserfahrung einer unproblematischen Umsetzung. Die sich ändernden wirtschaftlichen, rechtlichen und insbesondere regulatorischen Rahmenbedingungen im Finanzmarkt wirken sich jedoch auch auf die Finanzierungsbedingungen für Stadtwerke aus.

Erschwerte Bedingungen

Als Konsequenz aus der Wirtschafts- und Finanzkrise werden verschärfte Regelungen zu Eigenkapitalausstattungen, Liquiditätsquoten und Verschuldungsobergrenzen eingeführt. Das kürzlich vom EU-Parlament verabschiedete Umsetzungspaket soll die Einhaltung der internationalen Eigenkapitalstandards für Banken innerhalb der EU gewährleisten und die Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen voranbringen. Diese Maßnahmen führen unter anderem zu einer Begrenzung des Ausleihvolumens, einer Fokussierung auf margenintensive Geschäfte und zu kürzeren Kreditlaufzeiten, da gerade die derzeitige Marktlage die langfristige Refinanzierung durch Kundeneinlagen erschwert. Erwartet wird eine Verteuerung der Kredite. Nicht nur die Einführung von Basel III und SolvV II, sondern auch die haushaltsrechtlich eingeschränkten Kreditaufnahmemöglichkeiten der öffentlichen Hand fordern alternative Lösungsansätze bei der Finanzierung.
Zukünftig wird der hohe Investitionsbedarf aufgrund bilanzieller Grenzen nicht mehr in gewohntem Umfang über Unternehmensfinanzierungen umgesetzt werden können. Die angespannte Haushaltslage bei Trägerkommunen erschwert Bürgschaftsfinanzierungen und hat auch Auswirkungen auf die Bonität der Stadtwerke. Die angekündigten Basel-III-Regelungen werden vor diesem Bereich nicht Halt machen und die Kreditentscheidungen der Banken beeinflussen. Zwar verfügen Stadtwerke auch künftig im Vergleich zu anderen Unternehmensgruppen aufgrund ihres kommunalen Hintergrunds über eine bessere Bonität, dennoch werden die Kreditinstitute den Finanzierungsbedarf in der geläufigen Form nicht mehr bedienen können. Die Stadtwerke müssen sich auf neue Finanzierungsbedingungen bei Unternehmensfinanzierungen einstellen und sich alternativen Finanzierungswegen öffnen.

Ausblick

Das Spektrum an verschiedenen Modellen ist sehr breit und reicht von Projektfinanzierungen, Schuldscheindarlehen, partiarischen Darlehen und Anleihen über die bereits beschriebene Bürgerbeteiligung bis hin zu Inhaberschuldverschreibungen und Leasing. Die Sparkassen und mit ihnen die übrigen Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe stehen für alternative Finanzierungsformen als Partner zur Verfügung. Ihr Angebot reicht über die gesamte Produktpalette, sie verfügen über die erforderlichen Erfahrungen bei Finanzierungsvorhaben der kommunalen Unternehmen und haben darüber hinaus auch bei alternativen Finanzierungsformen den Vorteil, sich gezielt am speziellen Know-how aus dem Netzwerk ihrer Verbundunternehmen bedienen zu können.
Unbestritten sind die enormen finanziellen Herausforderungen, die mit der Umsetzung der Energiewende verbunden sind. Nur in gemeinschaftlicher Anstrengung des gesamten Finanzsektors – Sparkassen, Banken, Förderbanken und anderer Institute – und mit einem breiten gesellschaftlichen Engagement werden sie zu bewältigen sein. Dazu gehört auch die Einbindung privater Finanzierungsmittel über geeignete Beteiligungsmodelle. Wichtig ist, dass alle Beteiligten ihre Kompetenzen und Potenziale einbringen. Bei der Finanzierung von Investitionsvorhaben engagieren sich private Sponsoren und Kreditinstitute mit Bereitstellung von Eigen- und Fremdkapital bei adäquaten Risiken und gegen entsprechende Renditen.
Der private Anleger hat, sofern er nicht ausschließlich von einer emotionalen Motivation zur Unterstützung der Energiewende getrieben wird, im aktuellen Zinsumfeld höhere Renditen im Blick und nimmt dabei mitunter ein höheres Risiko in Kauf. Institutionelle Anleger sind dagegen verpflichtet, die ihnen anvertrauten Mittel in vorrangig sichere und sich soweit möglich rentierende Anlagemöglichkeiten zur Erfüllung ihrer Garantieversprechen zu lenken. Gerade öffentlich initiierte und langfristig zahlungssichere Infrastrukturprojekte zur Energieerzeugung und -verteilung passen grundsätzlich in das Anforderungsprofil dieser Anleger. Die Vorhabensträger sollten daher gemeinsam mit ihren Banken und Sparkassen die Projektstrukturen analysieren und gegebenenfalls anpassen, sodass neben einer klassischen Finanzierung auch ein Zugriff auf anderweitig bereitgestelltes Kapital möglich ist.

Georg Fahrenschon ist Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands in Berlin.




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