Energieversorgung MittelrheinJammern hilft nicht
Herr Rönz, die Energieversorgung Mittelrhein (evm) hat eine Offensive zur Entwicklung der Energiewende in der Region gestartet. Sind Sie von der großen Energiepolitik enttäuscht und machen nun eine eigene, regionale Energiewende?
Die Energiewende ist ja grundsätzlich dezentral konzipiert. Aber leider können wir kaum beeinflussen, was in Berlin oder Brüssel entschieden wird. Insofern hilft es nicht, zu Jammern. Wir müssen aus den Rahmenbedingungen, die uns die Politik vorgibt, das Beste machen. Denn als kommunales Unternehmen haben wir den Anspruch, Wertschöpfung in der Region zu halten und die Lebensqualität der Bürger zu sichern. Deshalb haben wir entschieden: Wir brauchen unseren eigenen Zukunftsplan für die Region.
Wie engagiert sich die evm bislang in Sachen Energiewende?
Wir sind in vielen Feldern aktiv und bauen die regenerative Energieerzeugung stark aus. Die evm betreibt Windparks, Photovoltaikanlagen und die größte Bioerdgasanlage in Rheinland Pfalz. Diese hat uns übrigens auch nicht immer Freude bereitet, weil die Rahmenbedingungen über Nacht geändert wurden. Der Schwerpunkt liegt aber ganz klar bei der Windkraft. Im Westerwald haben wir kürzlich einen Windpark eröffnet, auch in der Eifel sind wir dabei, Projekte zu entwickeln. Über die Thüga Erneuerbare Energien sind wir auch überregional an regenerativen Energieprojekten beteiligt. Außerdem bieten wir Beratung und Dienstleistungen zum Thema Energieeffizienz an. Und nicht zuletzt vernetzen wir die Kommunen beim Thema Energiewende.
Nun haben Sie einen „Kommunalen Zukunftsplan“ entwickelt. Welcher Gedanke steckt dahinter?
Als größtes kommunales Energie- und Dienstleistungsunternehmen aus Rheinland-Pfalz wollen wir gemeinsam mit den Städten, Gemeinden und Kreisen eine intelligente Energiezukunft gestalten. Dazu haben wir einen Informationsaustausch in Form von Regionalforen und regionalen Beiräten ins Leben gerufen. Hier diskutieren wir mit den Kommunen über den Ausbau der regenerativen Erzeugung und stellen unsere Netzplanungen vor. Wir können über diese Veranstaltungen die Wünsche und Forderungen der Kommunen aufnehmen und unsere Planungen daran anpassen. Der Zukunftsplan umfasst also alle Aktivitäten, die zu einer intelligenten Energiezukunft führen sollen.
Wie oft finden die Treffen statt und warum suchen Sie den Schulterschluss mit der Kommunalpolitik auf regionaler Ebene?
Der Regionalbeirat tagt regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr, hier haben unsere Gesellschafter auch die Möglichkeit, sich über die Entwicklung der evm zu informieren. Die Regionalforen sollen alle zwei Jahre stattfinden, jeweils im Wechsel mit einem Zukunftsforum. Die Treffen sind regionalisiert, weil die Themen im Westerwald andere sind als beispielsweise in Koblenz oder in der Eifel.
Wer nimmt an den Veranstaltungen teil?
In den drei regionalisierten Beiräten kommen Landräte, Stadt- und Verbandsgemeindebürgermeister aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz mit Vertretern der evm zusammen. Die Regionalforen sind weiter gefasst, hier zeigen bis zu 400 Teilnehmer, dass das Interesse am Informationsaustausch groß ist. Wie die regionale Energieerzeugung gestaltet werden kann, ist dabei ebenso ein Thema wie der Ausbau des Glasfasernetzes für schnelles Internet.
Mit welchen Argumenten haben Sie die Landräte und Bürgermeister ins Boot geholt?
Das Thema Energie steht als Teil der Daseinsvorsorge ganz weit oben auf der Agenda der kommunalen Entscheidungsträger. Ein Landrat in einem ländlich strukturierten Kreis weiß, wie die demografische Entwicklung verläuft, er weiß, wie wichtig die Themen Energie- und Wasserversorgung oder Breitband-Internet sind. Die Bürgermeister und Landräte haben also ein großes Interesse an einem Austausch, bei dem es darum geht, wie Städte, Gemeinden und Regionen gestaltet werden können. Wir mussten sie nicht groß überzeugen.
„Wir brauchen unseren eigenen Zukunftsplan.“
Der Breitband-Ausbau in ländlichen Regionen ist sicher wichtig, ist das auch wirtschaftlich?
Der Breitband-Ausbau ist für uns kein Zuschuss-Geschäft, sondern Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Westerwald beispielsweise bauen wir in der ganzen Region eine Glasfaser-Infrastruktur auf. Die Planungen dafür dauerten mehrere Jahre, wir konnten deshalb die Glasfaser-Kabel bei anderen Baumaßnahmen mitverlegen, was die Kosten deutlich senkt. Im Landkreis Cochem-Zell sind wir an einer Gesellschaft beteiligt, die dort eine Breitband-Infrastruktur aufbaut. Auch das rechnet sich, aber wir können keine großen Renditen erwarten.
Eine weitere Initiative der evm ist der regionale Energiewende-Kompass. Worum geht es dabei?
Der Energiewende-Kompass ist eine Untersuchung zum Status quo und der Meinung der Bevölkerung zur Energiewende. Wir erheben objektive, öffentlich zugängliche Daten wie die Anzahl der Erneuerbare-Energien-Anlagen, der Arbeitsplätze in diesem Bereich oder Daten zur Energieeffizienz. Daneben befragen wir die Bürger vor Ort, wo sie Potenziale für den Ausbau erneuerbarer Energien sehen und wie es mit der Akzeptanz von entsprechenden Projekten aussieht. So entsteht ein subjektives Meinungsbild, das wir mit den objektiven Daten zusammenbringen.
Was erhoffen Sie sich von den Datenerhebungen?
Alle Umfragen zeigen, dass 80 Prozent der Bevölkerung für die Energiewende sind. Nur wenn es um Projekte in der Nachbarschaft geht, sieht es mit der Akzeptanz anders aus. Wir wollen mit dem Energiewende-Kompass ein konkretes Meinungsbild vor Ort erhalten. So können wir auf der Ebene der Verbandsgemeinde erkennen, wie der Stand beim Ausbau der Erneuerbaren ist und ob weitere Projekte mitgetragen werden. Wir glauben, dass es dadurch für die Kommunen deutlich einfacher wird, solche Vorhaben anzugehen und umzusetzen – oder ob eine bessere Aufklärungsarbeit nötig ist.
Nicht zuletzt untersucht die evm die Energieeffizienz-Potenziale in der Region. Sie haben dazu eine Wärmemarktstudie 2050 erstellt. Was sind die Hintergründe?
Wir sehen uns als regionaler Energieversorger verpflichtet, zu den Klimazielen beizutragen und zwar möglichst kosteneffizient. Bei der Reduzierung von CO2-Emissionen sollten immer die Maßnahmen mit den geringsten Vermeidungskosten in den Blick genommen werden. Deshalb haben wir die Wärmemarktstudie für das gesamte Gebiet erstellen lassen. Denn: Die Politik müsste viel stärker im Keller aktiv werden. Wenn wir über die Energiewende sprechen, geht es meist um Strom. Dabei hätte eine Wärmewende ein riesiges CO2-Einsparpotenzial, das mit geringen Kosten zu heben ist.
Was sind die Ergebnisse der Untersuchung?
Anhand statistischer Daten wurde festgestellt, mit welchen Maßnahmen CO2 möglichst effizient eingespart werden kann. Wir haben das auf 50 Gebiete – teilweise auf Stadt- oder Verbandsgemeindeebene – heruntergebrochen und daraus 1.300 verschiedene Fahrpläne abgeleitet. Das Ergebnis: Wir können bis zum Jahr 2050 fast 60 Prozent CO2 einsparen. Dazu müssten vor allem viele Haushalte auf Erdgasheizungen umgestellt werden, denn zwei Drittel der Haushalte haben alte Heizungsanlagen im Keller. Jetzt können wir gemeinsam mit den Kommunen überlegen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Einbau moderner Heizungen zu fördern. Interessant ist übrigens, dass eine Wertschöpfung von fünf Milliarden Euro möglich wäre, wenn alle Maßnahmen umgesetzt würden.
Dieser Beitrag ist in der Juli-/August-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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