Samstag, 13. September 2025

Energieversorgung MittelrheinJammern hilft nicht

[11.08.2016] Die Energieversorgung Mittelrhein (evm) sucht den Schulterschluss mit der Kommunalpolitik, um die Energiezukunft zu gestalten. stadt+werk sprach mit Vorstandschef Josef Rönz über den „Kommunalen Zukunftsplan“ für die Region im nördlichen Rheinland-Pfalz.
Josef Rönz: „Wir brauchen unseren eigenen Zukunftsplan.“

Josef Rönz: „Wir brauchen unseren eigenen Zukunftsplan.“

(Bildquelle: Energieversorgung Mittelrhein AG)

Herr Rönz, die Energieversorgung Mittelrhein (evm) hat eine Offensive zur Entwicklung der Energiewende in der Region gestartet. Sind Sie von der großen Energiepolitik enttäuscht und machen nun eine eigene, regionale Energiewende?

Die Energiewende ist ja grundsätzlich dezentral konzipiert. Aber leider können wir kaum beeinflussen, was in Berlin oder Brüssel entschieden wird. Insofern hilft es nicht, zu Jammern. Wir müssen aus den Rahmenbedingungen, die uns die Politik vorgibt, das Beste machen. Denn als kommunales Unternehmen haben wir den Anspruch, Wertschöpfung in der Region zu halten und die Lebensqualität der Bürger zu sichern. Deshalb haben wir entschieden: Wir brauchen unseren eigenen Zukunftsplan für die Region.

Wie engagiert sich die evm bislang in Sachen Energiewende?

Wir sind in vielen Feldern aktiv und bauen die regenerative Energieerzeugung stark aus. Die evm betreibt Windparks, Photovoltaikanlagen und die größte Bioerdgasanlage in Rheinland Pfalz. Diese hat uns übrigens auch nicht immer Freude bereitet, weil die Rahmenbedingungen über Nacht geändert wurden. Der Schwerpunkt liegt aber ganz klar bei der Windkraft. Im Westerwald haben wir kürzlich einen Windpark eröffnet, auch in der Eifel sind wir dabei, Projekte zu entwickeln. Über die Thüga Erneuerbare Energien sind wir auch überregional an regenerativen Energieprojekten beteiligt. Außerdem bieten wir Beratung und Dienstleistungen zum Thema Energieeffizienz an. Und nicht zuletzt vernetzen wir die Kommunen beim Thema Energiewende.

Nun haben Sie einen „Kommunalen Zukunftsplan“ entwickelt. Welcher Gedanke steckt dahinter?

Als größtes kommunales Energie- und Dienstleistungsunternehmen aus Rheinland-Pfalz wollen wir gemeinsam mit den Städten, Gemeinden und Kreisen eine intelligente Energiezukunft gestalten. Dazu haben wir einen Informationsaustausch in Form von Regionalforen und regionalen Beiräten ins Leben gerufen. Hier diskutieren wir mit den Kommunen über den Ausbau der regenerativen Erzeugung und stellen unsere Netzplanungen vor. Wir können über diese Veranstaltungen die Wünsche und Forderungen der Kommunen aufnehmen und unsere Planungen daran anpassen. Der Zukunftsplan umfasst also alle Aktivitäten, die zu einer intelligenten Energiezukunft führen sollen.

Wie oft finden die Treffen statt und warum suchen Sie den Schulterschluss mit der Kommunalpolitik auf regionaler Ebene?

Der Regionalbeirat tagt regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr, hier haben unsere Gesellschafter auch die Möglichkeit, sich über die Entwicklung der evm zu informieren. Die Regionalforen sollen alle zwei Jahre stattfinden, jeweils im Wechsel mit einem Zukunftsforum. Die Treffen sind regionalisiert, weil die Themen im Westerwald andere sind als beispielsweise in Koblenz oder in der Eifel.

Wer nimmt an den Veranstaltungen teil?

In den drei regionalisierten Beiräten kommen Landräte, Stadt- und Verbandsgemeindebürgermeister aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz mit Vertretern der evm zusammen. Die Regionalforen sind weiter gefasst, hier zeigen bis zu 400 Teilnehmer, dass das Interesse am Informationsaustausch groß ist. Wie die regionale Energieerzeugung gestaltet werden kann, ist dabei ebenso ein Thema wie der Ausbau des Glasfasernetzes für schnelles Internet.

Mit welchen Argumenten haben Sie die Landräte und Bürgermeister ins Boot geholt?

Das Thema Energie steht als Teil der Daseinsvorsorge ganz weit oben auf der Agenda der kommunalen Entscheidungsträger. Ein Landrat in einem ländlich strukturierten Kreis weiß, wie die demografische Entwicklung verläuft, er weiß, wie wichtig die Themen Energie- und Wasserversorgung oder Breitband-Internet sind. Die Bürgermeister und Landräte haben also ein großes Interesse an einem Austausch, bei dem es darum geht, wie Städte, Gemeinden und Regionen gestaltet werden können. Wir mussten sie nicht groß überzeugen.

„Wir brauchen unseren eigenen Zukunftsplan.“

Der Breitband-Ausbau in ländlichen Regionen ist sicher wichtig, ist das auch wirtschaftlich?

Der Breitband-Ausbau ist für uns kein Zuschuss-Geschäft, sondern Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Westerwald beispielsweise bauen wir in der ganzen Region eine Glasfaser-Infrastruktur auf. Die Planungen dafür dauerten mehrere Jahre, wir konnten deshalb die Glasfaser-Kabel bei anderen Baumaßnahmen mitverlegen, was die Kosten deutlich senkt. Im Landkreis Cochem-Zell sind wir an einer Gesellschaft beteiligt, die dort eine Breitband-Infrastruktur aufbaut. Auch das rechnet sich, aber wir können keine großen Renditen erwarten.

Eine weitere Initiative der evm ist der regionale Energiewende-Kompass. Worum geht es dabei?

Der Energiewende-Kompass ist eine Untersuchung zum Status quo und der Meinung der Bevölkerung zur Energiewende. Wir erheben objektive, öffentlich zugängliche Daten wie die Anzahl der Erneuerbare-Energien-Anlagen, der Arbeitsplätze in diesem Bereich oder Daten zur Energieeffizienz. Daneben befragen wir die Bürger vor Ort, wo sie Potenziale für den Ausbau erneuerbarer Energien sehen und wie es mit der Akzeptanz von entsprechenden Projekten aussieht. So entsteht ein subjektives Meinungsbild, das wir mit den objektiven Daten zusammenbringen.

Was erhoffen Sie sich von den Datenerhebungen?

Alle Umfragen zeigen, dass 80 Prozent der Bevölkerung für die Energiewende sind. Nur wenn es um Projekte in der Nachbarschaft geht, sieht es mit der Akzeptanz anders aus. Wir wollen mit dem Energiewende-Kompass ein konkretes Meinungsbild vor Ort erhalten. So können wir auf der Ebene der Verbandsgemeinde erkennen, wie der Stand beim Ausbau der Erneuerbaren ist und ob weitere Projekte mitgetragen werden. Wir glauben, dass es dadurch für die Kommunen deutlich einfacher wird, solche Vorhaben anzugehen und umzusetzen – oder ob eine bessere Aufklärungsarbeit nötig ist.

Nicht zuletzt untersucht die evm die Energieeffizienz-Potenziale in der Region. Sie haben dazu eine Wärmemarktstudie 2050 erstellt. Was sind die Hintergründe?

Wir sehen uns als regionaler Energieversorger verpflichtet, zu den Klimazielen beizutragen und zwar möglichst kosteneffizient. Bei der Reduzierung von CO2-Emissionen sollten immer die Maßnahmen mit den geringsten Vermeidungskosten in den Blick genommen werden. Deshalb haben wir die Wärmemarktstudie für das gesamte Gebiet erstellen lassen. Denn: Die Politik müsste viel stärker im Keller aktiv werden. Wenn wir über die Energiewende sprechen, geht es meist um Strom. Dabei hätte eine Wärmewende ein riesiges CO2-Einsparpotenzial, das mit geringen Kosten zu heben ist.

Was sind die Ergebnisse der Untersuchung?

Anhand statistischer Daten wurde festgestellt, mit welchen Maßnahmen CO2 möglichst effizient eingespart werden kann. Wir haben das auf 50 Gebiete – teilweise auf Stadt- oder Verbandsgemeindeebene – heruntergebrochen und daraus 1.300 verschiedene Fahrpläne abgeleitet. Das Ergebnis: Wir können bis zum Jahr 2050 fast 60 Prozent CO2 einsparen. Dazu müssten vor allem viele Haushalte auf Erdgasheizungen umgestellt werden, denn zwei Drittel der Haushalte haben alte Heizungsanlagen im Keller. Jetzt können wir gemeinsam mit den Kommunen überlegen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Einbau moderner Heizungen zu fördern. Interessant ist übrigens, dass eine Wertschöpfung von fünf Milliarden Euro möglich wäre, wenn alle Maßnahmen umgesetzt würden.

Alexander Schaeff

Rönz, JosefJosef Rönz ist Vorstandsvorsitzender der Energieversorgung Mittelrhein AG (evm), dem größten kommunalen Energie- und Dienstleistungsunternehmen aus Rheinland-Pfalz. Die evm versorgt rund 365.000 Kunden mit Strom, Erdgas und Wärme. Die Netztochter ist für den Betrieb des Stromnetzes in 224 Kommunen und des Erdgasnetzes in 257 Kommunen zuständig.



Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

KRITIS-Dachgesetz: Kabinett beschließt Entwurf

[11.09.2025] Die Bundesregierung will Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Angriffe machen. Jetzt hat das Kabinett den Entwurf für ein neues KRITIS-Dachgesetz beschlossen. mehr...

GAIA: Kritik an geplanter Änderung des Referenzertrags

[11.09.2025] GAIA warnt vor einem Aus der Windenergie in Süddeutschland. Der Projektentwickler sieht durch die geplante Änderung des Referenzertrags tausende Anlagen, Arbeitsplätze und Investitionen bedroht. mehr...

Baden-Württemberg: Pflicht zur Wärmeplanung ausgeweitet

[05.09.2025] Seit dem 6. August gilt in Baden-Württemberg ein novelliertes Klimaschutzgesetz. Laut KEA-BW betrifft die wichtigste Änderung die Pflicht aller Kommunen, eine Wärmeplanung vorzulegen. mehr...

BDEW: Statement zum Monitoring Energiewende

[01.09.2025] Anlässlich des vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Monitorings zur Energiewende fordert der BDEW größere Handlungsspielräume für die Digitalisierung. mehr...

NRW: PV-Initiative gestartet

[27.08.2025] Nordrhein-Westfalen will mehr Sonnenstrom von den Dächern seiner Städte holen. Landesregierung und Wohnungswirtschaft haben dazu eine gemeinsame Initiative für Photovoltaik auf Mehrparteienhäusern gestartet. mehr...

Metropolregion Nordwest: Förderaufruf für Projektideen

[26.08.2025] Die Metropolregion Nordwest ruft zur Einreichung neuer Projektideen für die Energietransformation auf. Bis zum 15. Oktober 2025 können Vorhaben beantragt werden, die Innovationen und länderübergreifende Kooperationen in Bremen und Niedersachsen fördern. mehr...

BSW-Solar: Einschätzung zu Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums

[21.08.2025] Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht im aktuellen Entwurf zur Änderung des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes Fortschritte, warnt aber vor fortbestehenden Hürden. Besonders die doppelte Stromsteuer-Belastung für Speicher und E-Autos müsse dringend korrigiert werden. mehr...

Sachsen: Zweiter Umsetzungsbericht zur Wasserstoffstrategie

[15.08.2025] Sachsen treibt den Ausbau seiner Wasserstoffwirtschaft voran. Der zweite Umsetzungsbericht zur Wasserstoffstrategie zeigt Fortschritte bei Infrastruktur, Forschung und Kooperationen – und benennt zugleich bestehende Hürden. mehr...

Biogasrat/BDEW: Bilanz nach 100 Tagen

[14.08.2025] Nach 100 Tagen im Amt ziehen der Biogasrat und der BDEW jeweils eine gemischte Bilanz der schwarz-roten Bundesregierung. Während erste Schritte in der Energiepolitik begrüßt werden, mahnen sie mehr Tempo, klare gesetzliche Rahmenbedingungen und entschlossenes Handeln für Klimaschutz und Versorgungssicherheit an. mehr...

BSW-Solar: Kritik an Reiche

[13.08.2025] Der Bundesverband Solarwirtschaft warnt vor Plänen, die Förderung neuer privater Solaranlagen zu streichen. Ohne Unterstützung drohten Rückschläge für die Klimaziele und die Solarbranche. mehr...

Mecklenburg-Vorpommern: Stand bei der Energiewende

[13.08.2025] Mecklenburg-Vorpommern sieht sich als führend bei der Energiewende. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig will die Position mit Windkraft, Wasserstoff und moderner Infrastruktur weiter ausbauen. mehr...

BMWE: Energiepaket beschlossen

[12.08.2025] Die Bundesregierung hat ein umfassendes Energiepaket beschlossen, das Entlastungen für Verbraucher und Unternehmen, den Ausbau erneuerbarer Energien sowie mehr Verbraucherschutz bringen soll. mehr...

DVGW: Statement zu energiepolitischen Vorhaben

[08.08.2025] Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches begrüßt die energiepolitischen Vorhaben des Bundeskabinetts, kritisiert aber Schwächen bei Wasserstoffspeichern. mehr...

Haushaltsentwurf 2026: Wenig Geld für klimaneutrale Energien

[31.07.2025] Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2026 sieht zwar Rekordausgaben vor, doch nach Ansicht des Branchenverbands BDEW bleiben die Investitionen in ein klimaneutrales Energiesystem zu gering. BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae mahnt, den Klimatransformationsfonds ausschließlich für Zukunftsinvestitionen zu nutzen. mehr...

Bundesregierung: NIS2-Richtlinie beschlossen

[31.07.2025] Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie beschlossen. Damit gelten künftig für deutlich mehr Unternehmen als bisher gesetzliche Pflichten zur Stärkung der Cybersicherheit, zudem erhält das BSI neue Befugnisse für Aufsicht und Unterstützung. mehr...