InterviewIm Dienste der Kunden
Herr Kötzle, Herr Wiebecke, die EEG-Reform ist verabschiedet, die Stadtwerke München heben ihren Investitionsstopp für Erneuerbare-Energien-Projekte auf. Ist die Welt der Energiewirtschaft wieder in Ordnung?
Kötzle: Wir bewegen uns immer innerhalb der Rahmenbedingungen, die uns die Gesetzgebung vorgibt. In den Phasen, in denen die alten Regeln künftig nicht mehr gelten, die neuen aber noch nicht vorhanden sind, ist es schwer, Dinge auch zu entscheiden. Da ging es uns ganz ähnlich wie den Stadtwerken München.
Wiebecke: Ein Investitionsstopp war für uns aber nicht notwendig. Es standen keine Investitionen von solcher Größenordnung an, dass es problematisch geworden wäre. Ob die Welt durch die EEG-Reform wieder in Ordnung ist, ist aber eine andere Frage. Teilweise gibt es Klarheit darüber, was die Rahmenbedingungen für Investitionen in die Erneuerbaren angeht. Andere Probleme bestehen aber nach wie vor, zum Beispiel die Integration der erneuerbaren Energien ins Energiesystem betreffend.
Einige Stadtwerke sind in letzter Zeit in eine finanzielle Schieflage geraten. Es gab bereits einen Insolvenzantrag. Sind die Stadtwerke Gewinner oder Verlierer der Energiewende?
Kötzle: Die Stadtwerke sind auf jeden Fall die Gewinner der Energiewende, weil sie sich sehr schnell und flexibel auf die neuen Anforderungen einstellen konnten. Stadtwerke betreiben aber häufig nicht nur gewinnbringende Geschäftsfelder, wie den Vertrieb von Strom und Gas, sondern auch strukturell defizitäre Infrastrukturmaßnahmen wie den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder Bäder. Städte, die einen hohen Anteil an defizitären Bereichen aufweisen, sind auch deutlicher belastet. Die Insolvenz ist dann eher als Insolvenz der Stadt und nicht als Insolvenz der Stadtwerke zu betrachten.
Wiebecke: Die Energiewende bringt Chancen und Risiken mit sich, aber die Chancen überwiegen deutlich. Die Nachteile entstehen im Bereich der nicht-regenerativen Erzeugung. #bild2 Die starke Zunahme der Erneuerbaren-Energien-Mengen hat am Großhandelsmarkt für einen Preisverfall gesorgt. Diese Risiken lassen sich nicht negieren.
Auf dem diesjährigen BDEW-Kongress in Berlin gab es viele Stimmen, die befürchteten, dass die alten Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Teilen Sie diese Auffassung?
Kötzle: Die alten Geschäftsmodelle bestanden bis vor etwa 15 Jahren darin, dass der Energieversorger in einem Monopolbereich Strom geliefert hat. Heute haben wir einen Wettbewerb, der dazu führt, dass Stadtwerke sich wesentlich mehr anstrengen müssen. Früher waren Energieversorger reine Kilowatt-Durchschieber. Heute sind die Anforderungen andere. Es ist notwendig, sich zu einem vollumfänglichen Energiedienstleister zu entwickeln, der nahe am Kunden ist. Dazu braucht es Kosten- und Tarifstrukturen, die das unterstützen.
Wiebecke: Wir wollen natürlich auch in Zukunft unsere Kunden mit Energie beliefern, Netze betreiben, Strom und Gas verkaufen. Aber eben nicht mehr auf althergebrachte Art und Weise. Heute geht es viel stärker um die Kommunikation mit den Kunden, gerade was das Thema Energieeffizienz angeht.
Von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wurden Sie erst kürzlich für Ihre Klimaschutzkampagne „-Komma-Strom“ ausgezeichnet. Was verbirgt sich dahinter?
Kötzle: Das ist ein gutes Beispiel; auch weil es ein wichtiges Thema aufgreift, das die Stadtwerke Tübingen schon immer beschäftigt hat – den Kunden beim Stromsparen zu helfen. Ziel der Kampagne ist es, so viel Energie einzusparen, wie ein weiteres Kraftwerk produzieren könnte. Dazu gehören Maßnahmen wie das Heizungspumpen-Contracting, bei dem alte, inneffiziente Heizungspumpen durch neue ausgetauscht werden, oder eine neue Form von Energiesparberatung im Rahmen eines länger andauernden Energie-Coachings. Zudem haben die Stadtwerke eine Energieeffizienzberatung und ein Beleuchtungscontracting für Gewerbe- und Industriekunden im Angebot. Dort sind auch heute noch nicht unerhebliche Potenziale zu heben.
Wie sehen die weiteren Pläne aus, nachdem Sie das Projekt vollständig umgesetzt haben?
Kötzle: Zum einen wollen wir in Zukunft verstärkt auf Großkunden in der Industrie und im Gewerbe eingehen. Dort sehen wir uns in der Vermittlerrolle. Wir wollen gemeinsam mit den Unternehmen Einsparpotenziale aufdecken und umsetzen. Zum anderen wird es darum gehen, Energieeffizienz stärker an die Tarifkunden heranzutragen. Demnächst werden wir ein webbasiertes Angebot vorstellen, mit dem die breite Masse besser erreicht werden kann – auch für unsere Kunden außerhalb Tübingens.
„Es ist notwendig, sich zu einem vollumfänglichen Energiedienstleister zu entwickeln.“
Wer ein Elektroauto besitzt, kann bei Ihnen vor dem Eingangsbereich des Hauptgebäudes kostenlos Strom zapfen. Wann wird aus diesem Service ein ernstzunehmendes Geschäftsfeld?
Wiebecke: Das ist noch ein Zukunftsthema. Es wird stark davon abhängig sein, wie sich die weiteren wirtschaftlichen und technischen Grundlagen entwickeln, gerade im Bereich der Stromspeicherung. Ob die Elektromobilität wirklich zu einem Massenmarkt wird, oder weiterhin ein Nischenprodukt bleibt, ist offen. Fest steht: Die Fahrzeuge haben sich deutlich verbessert. Aber die Preise sind immer noch so hoch, dass es nach wie vor ein Produkt für eine kleine Interessengruppe ist.
Kötzle: Den Strom zu verkaufen, wird für die Stadtwerke Tübingen erst in ferner Zukunft eine Rolle spielen. Viel wichtiger ist für uns die Infrastrukturbereitstellung vor Ort. Das betrifft auch Forschung und Entwicklung. Da wollen wir unseren Beitrag leisten.
Welche Rolle spielen dabei chemische Speicher?
Kötzle: Wir verfolgen viele Richtungen. Dennoch muss gefragt werden, was die effizienteste Form der Speicherung darstellt. Power to Heat ist wesentlich effizienter als Power to Gas. Solange in Deutschland Gas zu Heizzwecken verwendet wird, ist es sinnvoller, mit Strom Wärme zu produzieren und diese zu speichern. Das lässt sich beispielsweise mit dem neuen Elektroerhitzer machen, der gerade in Tübingen in Betrieb genommen wurde. Man kann dazu aber auch Wärmepumpen nutzen. Mit unserem Partner Südwest Strom planen wir in Biberach ein Projekt, bei dem eine Verbindung von Wärmepumpe, Tauchsieder, Blockheizkraftwerk (BHKW) und Niedertemperatur-Fernwärmenetz mit einem großen Pufferspeicher zum Einsatz kommen soll.
Tübingen wird von einem grünen Oberbürgermeister regiert. Gleichzeitig gilt die Universitätsstadt als sehr ökologisch. Macht sich das bei den Stadtwerken bemerkbar?
Wiebecke: Die ökologische Orientierung ist in Tübingen in der Tat sehr ausgeprägt, und das nicht erst seit einigen Jahren. Das spiegelt sich auch in der Philosophie der Stadtwerke wider. Dennoch steht die Grundausrichtung des Unternehmens völlig unabhängig von der Zusammensetzung im Gemeinderat oder anderweitigen politischen Fragen. Das wird auch in Zukunft Bestand haben. Von städtischer Seite besteht aber in der Tat ein hohes Interesse an Klimathemen. Wir arbeiten daher mit Fachleuten der Stadt an gemeinsamen Programmen, zum Beispiel, um den Energieverbrauch der öffentlichen Gebäude zu optimieren.
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