Donnerstag, 26. Dezember 2024

Projekt WUN H2Hürden auf dem Wunsiedler Weg

[14.03.2023] Die Wasserstoffanlage in Wunsieldel produziert derzeit kein grünes Gas. Die Gewinnabschöpfung für Stromerzeuger macht den Betrieb unrentabel. Die erstaunliche Geschichte eines Vorzeigeprojekts der Energiewende.
Aufbau der Elektrolyseanlage von WUN H2.

Aufbau der Elektrolyseanlage von WUN H2.

(Bildquelle: Siemens)

Im oberfränkischen Wunsiedel steht eine der größten Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff in Deutschland. Sie hat eine Leistung von 8,75 Megawatt (MW) und soll jährlich bis zu 1.350 Tonnen Wasserstoff erzeugen. Mitte September 2022 wurde die Anlage mit viel politischer Prominenz bis hin zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder eingeweiht.
Die Erwartungen an das Projekt WUN H2 waren groß. Der Elektrolyseur soll überwiegend mit Windstrom aus der Region betrieben werden. Die Verteilung des Wasserstoffs soll ebenfalls in der Region erfolgen, an Industrie und Gewerbe und teilweise an den Straßenverkehr. Dazu wird im Energiepark Wunsiedel, also in unmittelbarer Nähe des Elektrolyseurs, eine vom Freistaat Bayern geförderte H2-Tankstelle errichtet.
Der Transport sollte hauptsächlich mit Tankwagen erfolgen. Dabei wurde ein Radius von bis zu 200 Kilometern bis nach Thüringen, Sachsen und Tschechien angestrebt. Weitere Produkte wie die Abwärme des Elektrolyseurs könnten zumindest in der Nachbarschaft des Energieparks genutzt werden. Ebenso der bei der Wasserspaltung entstehende Sauerstoff, der langfristig in der örtlichen Kläranlage eingesetzt werden könnte.

Die Idee

Das Erstaunliche am Projekt WUN H2: Ursprünglich ging es gar nicht um die Produktion von grünem Wasserstoff, sondern um die Netzstabilität. Bereits vor 20 Jahren beschloss die Stadt Wunsiedel, ihre Stadtwerke nicht zu verkaufen, sondern für die Zukunft zu rüsten. Dazu gehörten erneuerbare Energien wie Biomasse, die in eigenen Pelletieranlagen zu Brennstoff verarbeitet wird, oder Windkraft und Photovoltaik (PV). Das nannte die Kommune den Wunsiedler Weg.
Windkraft stand nachts und PV im Sommer meist im Überschuss zur Verfügung. Zur Netzstabilisierung bot sich die Elektrolyse an. Sie soll immer dann netzdienlich betrieben werden, wenn genügend Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. „Wir müssen nicht die 8.000 Volllaststunden erreichen, die für den Betrieb eines Elektrolyseurs natürlich wirtschaftlicher sind“, sagt Marco Krasser, Geschäftsführer der Stadtwerke Wunsiedel (SWW) und einer der Initiatoren des Projekts. Die SWW haben bereits einen Batteriespeicher mit einer Leistung von 8,4 MW in ihr Netz integriert, ebenfalls ein Projekt mit Siemens, damals der größte in Bayern. Dieser wurde in die neue Gesellschaft WUN H2 eingebracht. Ein weiterer Speicher mit 100 MW ist geplant.
#bild2 Dennoch: Zu bestimmten Zeiten produzieren die Wunsiedler mehr Energie, als auch diese Speicher fassen könnten. Und grüner Wasserstoff könnte methanisiert das Erdgas im Wunsiedler Netz ergänzen. Die Netzstabilisierung erzeugt also H2, das dann in der Industrie zur Dekarbonisierung beiträgt. Ein klassischer Win-Win-Effekt, meint Krasser.
„Schon heute benötigen wir in Deutschland zwei Millionen Tonnen Wasserstoff für industrielle Anwendungen, der aus Erdgas reformiert wird. Wenn wir diesen dekarbonisieren, haben wir eine CO2-Einsparung von 20 Millionen Tonnen“, rechnet Krasser die wirtschaftliche Dimension von Pilotprojekten wie in Wunsiedel vor. Voraussetzung dafür ist allerdings ein kalkulierbarer Preis für Wasserstoff. Und eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung. Denn, so Krasser: Was nützt eine Effizienzsteigerung von einem Prozent bei einem Atomkraftwerk, wenn immer noch mehr als 50 Prozent der Energie über die Kühltürme verpuffen? Dann lieber einen Systemwirkungsgrad von 70 bis 75 Prozent, indem man auch die Abwärme oder alle anfallenden Energien sinnvoll nutzt.

Die Technik

Die Anlage in Wunsiedel wurde von Siemens Smart Infrastructure als Generalunternehmer errichtet und von Siemens Financial Services finanziert, die auch einen Anteil von 45 Prozent an der WUN H2 hält. Siemens setzt bei Projekten dieser Art vorrangig auf das PEM-Elektrolyseverfahren. Im Vergleich zur alkalischen Elektrolyse ist die PEM-Technologie ideal für die Aufnahme von fluktuierendem Wind- und Solarstrom geeignet, da ein hochdynamischer Betrieb möglich ist. Dadurch kann die Produktion optimal an die schwankende Verfügbarkeit erneuerbarer Energien angepasst und schnell hoch- und heruntergeregelt werden.
„In Wunsiedel haben wir ein Half Array eines Siemens Energy Silyzer 300 installiert. Es besteht aus insgesamt zwölf Modulen in drei Modulgruppen. Diese Bauweise würde auch eine Erweiterung ermöglichen, die aber vorerst auf Eis liegt“, sagt Siemens-Projektleiter Andreas Schmuderer.
Die Idee wurde 2015 von Marco Krasser geboren, ab 2016 nahm das Projekt langsam Gestalt an, zunächst in losen Gesprächen, dann immer konkreter. Die Planung begann im Januar 2020, gebaut wurde von 2021 bis 2022, also nur ein gutes Jahr lang. Errichtet wurden von Siemens ein 20-kV-Netzanschluss, Transformatoren, Gleichrichter, die Niederspannungshauptverteilung sowie die Wasseraufbereitung und Umkehrosmose für die Elektrolyse selbst. Zur Infrastruktur gehören außerdem Pufferspeicher, Kompressor, Trocknung, Niederdrucktanks mit 45 bar und ein Hochdruckkompressor sowie Hochdruckspeicher.

Das Stromproblem

Doch jetzt steht erst einmal alles still. Seit der Inbetriebnahme wurde kaum Wasserstoff produziert. Der Grund: Die Strompreisbremse und mit ihr die Gewinnabschöpfung bei den Stromerzeugern trifft auch die Anlage in Wunsiedel. Sie bezieht ihren Strom direkt von den Stadtwerken Wunsiedel (SWW), die einen eigenen Windpark betreiben. Von dort sollte der Strom über ein Power Purchase Agreement (PPA) kommen, also einen Direktliefervertrag zu einem festen Preis. Mit der Mehrerlösabschöpfung ist dieses Modell jedoch hinfällig.
Dazu folgendes Rechenbeispiel aus einem Positionspapier von Siemens zur Strompreisbremse: Der Betreiber einer Erneuerbare-Energien-Anlage schließt ein PPA zu 130 Euro je Megawattstunde (MWh) ab, während der monatliche Marktwert 300 Euro je MWh und der anzulegende Wert des Solarparks 100 Euro je MWh (inklusive Sicherheitszuschlag) betragen. In diesem Fall ergibt sich ein fiktiver Mehrerlös von 200 Euro pro MWh. Dieser würde zu 90 Prozent abgeschöpft, sodass das Unternehmen 180 Euro je MWh als Umlage zahlen müsste. Der tatsächliche Erlös des Solarparks beträgt jedoch nur 130 Euro je MWh. Der Solarpark müsste den Strom also mit Verlust verkaufen.
Bei der Betreibergesellschaft WUN H2 ist man nun froh, noch kein PPA abgeschlossen zu haben. Geschäftsführer Philipp Matthes erklärt: „Es fehlten nur noch vier Wochen und wir hätten das PPA mit den Stadtwerken Wunsiedel unterschrieben. Wir waren im November so weit, haben aber unter anderem wegen der angekündigten, aber fehlenden EU-Regulierung gezögert. Durch die Strompreisabschöpfung ist die Situation jetzt völlig unsicher. Wir haben praktisch keine Planbarkeit für den Strombezug und damit für den Wasserstoffabsatz.“ (siehe auch Interview)
Für Marco Krasser, Geschäftsführer der Stadtwerke Wunsiedel, ist die Umlage keine Überraschung. Er verteidigt sie sogar grundsätzlich. Aber: „Man hätte bei Bestandsanlagen, die über PPA aus dem EEG-System herausgenommen und in den Markt gebracht werden, die vereinbarten Preise für die Preisabschöpfung ansetzen müssen und nicht einen unwiderruflich vermuteten Börsenpreis. Das hat uns getroffen.“

Die (mögliche) Lösung

Krasser hofft aber, dass das Bundeswirtschaftsministerium hier noch nachbessert, entweder direkt für den Elektrolysestrom oder idealerweise so, dass alle PPAs von der Gewinnabschöpfung ausgenommen sind oder nur in der vereinbarten Höhe abgeschöpft werden und der Abnehmer des Stroms im Gegenzug nicht von der Strompreisbremse profitiert. Auch Siemens-Projektleiter Andreas Schmuderer hat Hoffnung: „Die Strompreisbremse ist ein wichtiges Instrument, aber im Bereich der PPAs sind die Einschnitte derzeit sehr groß. Hier muss die Regierung nachschärfen, um die für die Energiewende wichtigen dezentralen Wasserstofferzeugungsanlagen nicht zu benachteiligen.“

Frank Urbansky




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