Serie KWKHolzgas statt Erdgas
Im oberösterreichischen Perg ist vor einem Jahr das bisher größte Holzgaskraftwerk Österreichs in Betrieb gegangen. Die Anlage mit einer elektrischen Gesamtleistung von 1.000 Kilowatt (kW) und zusätzlich 1.540 kW thermischer Leistung ist ein Projekt von Nawaro Energie Betrieb mit Sitz in Zwettl in Zusammenarbeit mit Syncraft aus Schwaz.
Perg ist zwar das größte, aber nicht das erste Holzgaskraftwerk in Österreich. Vielmehr ist es die Spitze eines Trends, der sich seit vielen Jahren abzeichnet, wie Hans-Christian Kirchmeier, Geschäftsführer von Nawaro Energie Betrieb und Vorstandsvorsitzender der Branchenvertretung IG Holzkraft, betont: „Seit mehr als zehn Jahren beobachten wir im Holzenergiesektor in Österreich einen verstärkten Trend hin zu Holzgas. Dies ist vor allem im kleinen Leistungsbereich unter 500 kW elektrischer Leistung deutlich erkennbar. Neu ist die Entwicklung, Holzgas auch in höheren Leistungsbereichen einzusetzen.“
Zahlreiche Vorteile
Der Einsatz von Holzgaskraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung bietet zahlreiche Vorteile. Holzgaskraftwerke erreichen bereits im kleinen Leistungsbereich hohe elektrische Wirkungsgrade und damit einen hohen Gesamtwirkungsgrad. Sie eignen sich daher ideal für die Erweiterung von Biomasseheizwerken von der reinen Wärme- hin zur Strom- und Wärmeerzeugung. Dies ist besonders in Österreich relevant, wo es eine über Jahrzehnte gewachsene Struktur von Biomasse-Nahwärmenetzen gibt, die oft genossenschaftlich organisiert sind. Österreichweit gibt es über 2.000 solcher Heizwerke. Holzgas bietet hier eine ideale Erweiterungsmöglichkeit zur Stromproduktion bei gleichzeitiger Deckung der sommerlichen Wärmelast.
Die Idee, Holzgas energetisch zu nutzen reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Lange Zeit lag die Technologie in einer Art Dornröschenschlaf, bis sie um das Jahr 2000 wiederbelebt und als neue Möglichkeit einer nachhaltigen regionalen Energieversorgung wiederentdeckt wurde.
Holzgas ist ein brennbares Gas, das aus holzartiger Biomasse gewonnen wird. Die Zusammensetzung variiert je nach Herstellungsprozess. Die brennbaren Hauptbestandteile sind Kohlenmonoxid (CO), Wasserstoff und Methan. Der Methangehalt von Holzgas liegt bei etwa zehn Prozent. Zum Vergleich: Erdgas hat einen Methangehalt von über 80 Prozent, Biogas von etwa 60 Prozent. Holzgas entsteht durch die thermochemische Umwandlung von Holz in einen gasförmigen Energieträger (Synthesegas/Holzgas). Die chemischen Vorgänge bei der Vergasung sind ähnlich wie bei der Verbrennung, laufen jedoch zeitlich und räumlich getrennt und unter Sauerstoffmangel ab.
Vier Elemente
Der gesamte Vergasungsprozess kann grob in vier Systemelemente unterteilt werden. Dies sind die Brennstoffbereitstellung, die Vergasung, die Gasreinigung und die Gasnutzung. Der Vergasungsprozess ist der wichtigste Schritt im gesamten Holzgaserzeugungsprozess. Hier wird der Brennstoff Holz in ein nutzbares Gas umgewandelt. Der Vergasungsprozess kann in drei Prozessschritte unterteilt werden:
Die Aufheizung ist der erste Verfahrensschritt. Dabei wird der Holzbrennstoff erhitzt, um das in der Biomasse enthaltene Wasser zu verdampfen.
Bei der pyrolytischen Zersetzung werden die chemischen Strukturen des Holzes aufgelöst. Die Pyrolyse findet ohne Zufuhr von Sauerstoff statt. Makromoleküle in den Holzbausteinen wie Lignin und Zellulose brechen auf. Dabei entstehen neue, kürzere Moleküle, die das Holz gasförmig verlassen.
Bei der Vergasung entsteht das Produktgas, das anschließend als Brenngas verwendet wird. In dieser Phase werden die bei der Pyrolyse entstandenen gasförmigen, flüssigen und festen Produkte weiter erhitzt und anschließend mit einem von außen zugeführten sauerstoffhaltigen Vergasungsmittel wie Luft zur Reaktion gebracht. Dabei entsteht ein Produktgas mit den brennbaren Hauptbestandteilen Kohlenmonoxid, Wasserstoff und Methan.
Verschiedene Anforderungen an Brennstoff
Bei der Holzgaserzeugung wird Holzhackgut als Brennstoff eingesetzt. Meist handelt es sich um Waldhackgut, das als Nebenprodukt in der Forstwirtschaft anfällt, aber auch der Einsatz von Sägenebenprodukten oder Altholz, sofern es nicht chemisch verunreinigt ist, ist technisch möglich. Die Anforderungen an den Brennstoff hinsichtlich Wassergehalt, Korngröße, Fein- und Störstoffanteil unterscheiden sich je nach gewähltem technischen Konzept. In den meisten Anwendungsfällen sollte das Material eher trocken sein. Im genannten Beispiel Perg wird Waldhackgut mit einem Wassergehalt von zehn Prozent eingesetzt. Das Material wird aus einem Umkreis von rund 60 Kilometern bezogen. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil der Bioenergie aus Holzgas: kurze Lieferwege und regionale Versorgungswege. Die Strom- und Wärmeversorgung des Ortes erfolgt mit Brennstoffen aus der Region.
In Österreich wird Holzgas heute hauptsächlich in Holzgaskraftwerken zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung) eingesetzt. Die Stromerzeugung erfolgt in der Regel in einem Verbrennungsmotor. Die bei der Gaskühlung anfallende Wärme wird zusammen mit der Abwärme des Motors zur Wärmenutzung verwendet – in der Regel als Prozesswärme in einem Industrie- oder Gewerbebetrieb oder zur Versorgung eines Nahwärmenetzes.
Nutzung wird weiter zunehmen
Holzgas kann auch als Synthesegas genutzt werden. Dabei dient das Holzgas als Ausgangsmaterial für verschiedene Produkte wie Methanol, grüner Wasserstoff und vor allem Holzdiesel, die durch chemische Reaktionen hergestellt werden. Diese Nutzungsform befindet sich derzeit noch in der Entwicklung und wird intensiv erforscht. Eine weitere Nutzungsmöglichkeit ist die Verwendung von Holzgas als Erdgasersatz bei Hochtemperaturprozessen in der Industrie. Das Holzgas muss dazu nicht gereinigt werden, sondern kann direkt in angepassten Gasbrennern zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden. Dabei können Temperaturen von über 1.000 Grad Celsius erreicht werden.
„Wir gehen davon aus, dass die Holzgasnutzung in Österreich und europaweit weiter zunehmen und auch in höhere Leistungsbereiche vordringen wird“, wagt IG-Holzkraft-Vorstand Hans-Christian Kirchmeier einen Blick in die Zukunft. „Das technologische und wirtschaftliche Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. So fallen heute in Holzgaskraftwerken auch verwertbare Nebenprodukte wie Biokohle an. In Zukunft wird Holzgas mit all seinen Einsatzmöglichkeiten eine immer wichtigere Rolle spielen.“
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe März/April 2024 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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