Freitag, 22. November 2024

TübingenHolz heizt UKT

[01.07.2013] Bis vor drei Jahren erfolgte die Nahwärmeversorgung des Universitätsklinikums Tübingen (UKT) ölbasiert und CO2-lastig. Jetzt liefert ein neues Biomasse-Heizwerk dem UKT kostengünstig, bedarfsorientiert und umweltfreundlich Wärme.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßt

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßt, dass die Wärmeversorgung am Universitätsklinikum jetzt auf Biomasse basiert.

Zwölf Jahre ist es her, dass Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) – noch vor seiner Amtszeit als Oberbürgermeister der Stadt Tübingen – am Schornstein des alten Heizwerks auf dem Schnarrenberg hinaufkletterte, um mit einem Banner auf den übermäßigen CO2-Ausstoß der Anlage aufmerksam zu machen. In seinem Wahlprogramm 2006 als OB-Kandidat formulierte Palmer dann unter anderem das Ziel, dass das Heizwerk zu einem modernen Kleinkraftwerk umgebaut werden soll. Jetzt wurde das neue Biomasse-Heizwerk des Energieunternehmens MVV Enamic offiziell in Betrieb genommen, welches das Universitätsklinikum Tübingen (UKT) künftig ökologisch mit Nahwärme versorgt (16400+wir berichteten). „Sie sehen, ich bin mit dem Projekt eng verbunden“, sagte Palmer bei der offiziellen Inbetriebnahme. „Die Klimabilanz ganz Tübingens wird sich durch den Ersatz der völlig veralteten Heiztechnik am Klinikum um rund vier Prozent verbessern. Damit sind wir unserem Klimaschutzziel einen großen Schritt näher gekommen. Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um beachtliche 20.000 Tonnen pro Jahr ist der größte Fortschritt in Tübingen, der seit Jahren mit einer einzelnen Maßnahme erreicht wurde.“ Zudem erspare sich das UKT dank der kosteneffizienten und ökologischen Anlage künftig Investitionen im Bereich der energetischen Sanierung.
Neben den Gebäuden des Universitätsklinikums werden aus dem modernisierten Heizwerk auch Hörsäle und Labors der Universität Tübingen versorgt. Die Spitzenlast liegt bei rund 32 Megawatt thermischer Leistung und der Jahresverbrauch bei insgesamt etwa 85.000 Megawattstunden.

Optimierte Versorgung

Bis Mitte 2010 hat das UKT die benötigte Wärme über das alte Heizwerk noch in Eigenregie erzeugt. Mit einer Betriebszeit von mehr als 40 Jahren wurden die alten Anlagen den Anforderungen durch den Umweltschutz und das Erneuerbare-Energien-Gesetz aber nicht mehr gerecht. Ein neuer Betreiber wurde gesucht und mit MVV Enamic, einem Tochterunternehmen von MVV Energie, fand das UKT-Management einen Partner, der zum 1. Juli 2010 die Wärmeversorgung übernahm. Mit einem umweltfreundlichen Wärmeversorgungskonzept hat sich das Mannheimer Unternehmen in einer europaweiten Ausschreibung durchsetzen können. MVV Enamic erhielt im Rahmen eines Contracting den Auftrag für Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb zweier neuer moderner Holzkessel sowie den Betrieb des Nahwärmenetzes inklusive Umsetzung der erforderlichen Modernisierungsmaßnahmen. Der Vertrag für das Energieversorgungsmodell hat eine Laufzeit von 20 Jahren. „Dank der neuen Biomasse-Heizanlage sinken die Energiekosten um rund 20 Prozent jährlich“, freut sich Professor Michael Bamberg, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Tübingen. „Und die Laufzeit sichert uns zudem auch auf lange Sicht einen niedrigen Wärmepreis.“
Insgesamt zwölf Millionen Euro hat der Mannheimer Energiedienstleister in die moderne Anlage investiert. „In den vergangenen drei Jahren haben wir schrittweise und bei laufendem Betrieb – also sozusagen in einer Operation am offenen Herzen – von den fossilen Energieträgern Heizöl und Erdgas auf den nachhaltigen Brennstoff Holz umgerüstet“, so Joachim Hofmann, Geschäftsführer von MVV Enamic. Dafür wurden zwei in die Jahre gekommene Kessel für fossile Brennstoffe durch Holzkessel mit einer Leistung von je zehn Megawatt (MW) thermisch ersetzt. Ein moderner Ölkessel sichert die Spitzenlastzeiten ab. Als Ausfallsicherung wurde zudem ein Kessel aus dem Bestand übernommen. „Diese Redundanz ermöglicht eine hohe Versorgungszuverlässigkeit, die vor dem Hintergrund der Bedürfnisse eines Universitätsklinikums besondere Bedeutung hat“, erklärt Hofmann. Als Brennstoff kommen Holzhackschnitzel zum Einsatz. Diese stammen direkt aus der regionalen Forstwirtschaft sowie aus kommunalem Grünschnitt und Landschaftspflegematerial. „Das spart Transportwege und kommt der regionalen Wertschöpfung zugute“, so Oberbürgermeister Palmer.

Projekt für die Zukunft

Die effiziente Nutzung von Holzhackschnitzeln befürwortet auch Helmfried Meinel, Ministerialdirektor im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg: „Biomasse ist nicht unerschöpflich und muss deshalb effizient eingesetzt werden.“ Der kostengünstige Brennstoff Holz stelle im Vergleich zu anderen nachwachsenden Energieträgern in Baden-Württemberg ein großes Potenzial, das aber mittlerweile weitgehend ausgeschöpft sei. Durch den Einsatz in dem hoch effizienten neuen Heizwerk werde der Energieträger bedarfsorientiert eingesetzt und gleichzeitig eine CO2-neutrale Versorgung ermöglicht.
Das Biomasseheizwerk am UKT füge sich somit exemplarisch in die so genannte baden-württembergische Energiewendekampagne 50-80-90. „Bis 2050 wollen wir 50 Prozent weniger Energie verbrauchen. 80 Prozent der Energie sollen dann aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden und 90 Prozent weniger Treibhausgas ausgestoßen werden“, erklärt Meinel. „Und da die neue Anlage mehr als 90 Prozent der CO2-Emissionen einspart, übertrifft sie letzteres Ziel sogar.“
Georg Müller, Vorstandsvorsitzender von MVV-Energie erwartet, dass die künftige Energieversorgung auf erneuerbaren und konventionellen Energieträgern basieren wird. „Erneuerbare Energien werden die Leitfunktion übernehmen während konventionelle Energieträger wie Gas hinzugezogen werden, um Spitzenlasten abdecken und somit eine sichere Versorgung zu gewährleisten. Deshalb verfolgen wir als MVV die Doppelstrategie erneuerbare Energien mit Energieeffizienz zu verbinden.“





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