Sonntag, 17. November 2024

Smart MeteringHöheren Nutzen schaffen

[01.07.2021] Der Smart Meter Roll-out nimmt Fahrt auf. Messstellenbetreiber wollen außerdem die weiteren Potenziale des Smart Metering erschließen. stadt+werk sprach darüber mit Martin Kloppenburg von Westfalen Weser Netz und Christian Unger vom Full-Service-Anbieter GWAdriga.
Martin Kloppenburg ist Leiter Ablesesteuerung beim kommunalen Netzbetreiber Westfalen Weser Netz mit Sitz in Paderborn.

Martin Kloppenburg ist Leiter Ablesesteuerung beim kommunalen Netzbetreiber Westfalen Weser Netz mit Sitz in Paderborn.

(Bildquelle: Privat)

Herr Kloppenburg, Herr Unger, bisher wird ja eher geklagt, dass die verfügbaren intelligenten Messsysteme (iMSys) noch zu wenig Funktionalität mitbringen. Dennoch gehen Sie erste Anwendungsfälle an, die über das reine Sammeln von Messdaten hinausgehen.

Christian Unger: Im ersten Betriebsjahr ging es darum, Basisfunktionalitäten mit den Geräten abzubilden, also erstmal die einfachen Messkonstrukte. Das ist gelungen und die Geschäftsprozesse laufen stabil, sowohl was die Geräte als auch die Applikationsseite angeht. In diesem Jahr kommen nun komplexere Anwendungsfälle bei unseren Kunden hinzu.

Martin Kloppenburg: Das ist beispielsweise die Adaptierung der Prozesse auf die iMSys-Plattform für Wandlermessungen bei den Gruppen, die Preisobergrenzen unterliegen und die sich einen höheren Mehrwert vom Einsatz der intelligenten Messsysteme versprechen. Die dadurch mögliche Transparenz beim Energieverbrauch und den Energiekosten kann bei dieser Zielgruppe zu echten Einsparungen führen. Der Schwerpunkt für die Umsetzung in diesem Jahr liegt auf jeden Fall auf den Einspeisern. Hier wird in Kürze voraussichtlich die gesetzliche Pflicht greifen, sodass wir damit dann produktiv sein müssen.

Wo liegen die besonderen Herausforderungen bei der Einspeisung?

Kloppenburg: Es gibt eine größere Bandbreite an Messkonstrukten. Natürlich fangen wir dort auch erst einmal mit den einfacheren an, aber wir beschäftigen uns im Projekt unmittelbar schon mit den komplexeren Anwendungsfällen. Erstmalig kommen wir mit Aspekten in Berührung, die sich in Richtung Netzdienlichkeit bewegen – also das, was sich hinter den neuen Tarifanwendungsfällen TAF9 und TAF10 verbirgt. Damit geht der Roll-out über den reinen Abrechnungszweck hinaus, nämlich ein deutlich höheres Nutzenpotenzial zu realisieren.

Unger: Davon wird übrigens der gesamte Geschäftsprozess berührt. Ein Beispiel: Baue ich einen Grid-Zähler ein oder nicht? In der Beschaffung des Geräts macht das wenige Euro Unterschied aus. Wenn ich allerdings erst später zu der Erkenntnis komme, dass ich eigentlich einen anderen Zähler bräuchte, dann habe ich eine Ersatzbeschaffung zu realisieren und muss den gesamten Prozess nochmal durchlaufen. Das Ergebnis ist ein signifikanter Kostennachteil. Da zahlt sich eine gute Vorausplanung schnell aus. Ein anderer Aspekt: Bei den Einspeisern geht es zunächst darum, erste netzdienliche Informationen zu erheben. Wenn man darüber nachdenkt, ist man aber sofort bei Themen wie Steuerbox und Con­trollable-Local-System-Schnittstelle.

„Eine gute Vorausplanung zahlt sich schnell aus.“
Kloppenburg: Deswegen machen wir uns bereits konzeptionelle Gedanken für die nächsten Schritte. Wir haben schon im Projekt Syn­ErgieOWL erste Erfahrungen mit der netzdienlichen Steuerung gesammelt. Jetzt wollen wir dieses Wissen einsetzen, um über die FFN-Steuerbox wie über den CLS-Kanal weitere Mehrwerte zu erschließen und damit den Pflicht-Roll-out zu flankieren. Dabei werden wir uns vor allem auf die Marktrolle Netzbetreiber konzentrieren, denn der ist ja für die steuernden Maßnahmen im Netz verantwortlich.

Gibt es weitere Schwerpunkte in diesem Jahr?

Kloppenburg: Ein weiteres Projekt ist bereits abgeschlossen: Seit Mai sind wir in der Lage, ein Gateway mit derzeit bis zu acht Zählern zu koppeln. Auch das benötigen wir bei den Einspeisern, denn dort gibt es neben der Einspeise- vielfach auch eine Bezugsmessung oder komplexere Messkonstrukte, die beide mit einem intelligenten Messsystem angesteuert werden müssen. Wir sind über unsere Tochtergesellschaft ESW im Wärmemarkt tätig, die Mieterstrommodelle anbietet. Dafür sind solche Messkonstrukte zwingend notwendig, denn es müssen hier immer Werte aus mehreren Wohneinheiten über das Gateway laufen.

#bild2 Unger: Derzeit setzen wir noch auf kabelgebundene Zähler-/Gateway-Anbindungen. Im nächsten Schritt werden wir ebenso Wireless M-Bus unterstützen, um die Limitierung des Kabels aufzulösen. Das ist gleichzeitig die Voraussetzung für das Mehrsparten-Metering, denn Gas- und Wasserzähler sind nur sehr selten in unmittelbarer Nähe des Stromzählers zu finden, von der Wärmemengenzählung ganz zu schweigen.

Anders als bei eher kommunal geprägten Netzbetreibern ist Ihr Netzgebiet ausgesprochen weitläufig. Wie stellen Sie die Wirtschaftlichkeit des Roll-outs sicher?

Kloppenburg: Wir haben für das Störungsmanagement ein eigenes System aufgebaut, um auftretende Fehler einzelnen Objekten zuordnen zu können. Damit können wir Störungen, die aus den verschiedenen Systemen gemeldet werden, zu Clustern zusammenführen und gesammelt einer Lösungsfindung zuordnen. Bei den stark zunehmenden Mengen an Geräten, die wir ausrollen, wird uns das helfen, die Transparenz zu bewahren. Dieses System nutzen wir bereits produktiv. Im nächsten Schritt automatisieren wir nun die Schnittstellen, beispielsweise zu unserem Dienstleister GWAdriga. Dann werden wir auch aus deren Systemen die Störungsmeldungen automatisiert übernehmen. Ein wichtiger Meilenstein für die Wirtschaftlichkeit im intelligenten Messwesen.

Wo sind die Störungen bis jetzt aufgetreten?

Kloppenburg: 75 Prozent aller Fehler entstehen bereits bei der Inbetriebnahme, der geringe Rest im laufenden Betrieb. Die Hälfte davon waren wiederum Kommunikationsprobleme. Wir haben deswegen die Einbauvorschriften konkretisiert, dokumentieren nun die Empfangs- und Einbausituation beim Kunden viel feiner und messen schon vor der Installation Pegel und Empfangsqualität. Wir haben gelernt, dass die Anbindung der Gateways stabiler sein muss, als wir das aus der Vergangenheit bei Zählern für die registrierende Leistungsmessung kennen. Geräte mit dem Mobilfunkstandard CDMA450 bieten eine eindeutig bessere Durchdringung und einen stabileren Betrieb als LTE.

Unger: Westfalen Weser Netz hat sich früh für Funknetze im 450-MHz-Frequenzband entschieden, davon profitiert der Roll-out erheblich. Mit der Entscheidung der Bundesnetzagentur, die Frequenzen an die Energiewirtschaft zu vergeben, wird in absehbarer Zeit eine bundesweite 450-MHz-Infrastruktur zur Verfügung stehen – ein wichtiger Aspekt, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Wir rechnen zudem mit einer zügigen Verbreitung von LTE450, sodass die verfügbare Bandbreite deutlich zunehmen und für zusätzliche Use Cases auf Basis der iMSys zur Verfügung stehen wird.

Interview: Uwe Pagel

Im Interview, Martin Kloppenburg und Christian UngerMartin Kloppenburg ist Leiter Ablesesteuerung beim kommunalen Netzbetreiber Westfalen Weser Netz mit Sitz in Paderborn. Christian Unger leitet den Bereich Service beim Berliner Unternehmen GWAdriga, einem Dienstleister für Smart-Meter-Gateway-Administration, Messdaten-Management und digitale Mehrwertdienste.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart Metering
Die Kuchengrafik zeigt, dass 61 Prozent der Befragten für den Einbau von Smart Metern sind, 36 Prozent dagegen und 3 Prozent wissen es nicht.

Smart Meter: Hohe Kosten kosten Zustimmung

[06.11.2024] Laut einer Umfrage befürworten 61 Prozent der deutschen Haushalte den Einbau intelligenter Stromzähler. Doch die vom Bundeswirtschaftsministerium geplanten Kostensteigerungen könnten die Akzeptanz gefährden, warnt der Verbraucherzentrale Bundesverband. mehr...

GWAdriga: CLS ON-Projekt geht live

[24.10.2024] Mit der Installation der ersten zertifizierten Steuerboxen hat das Projekt CLS ON von GWAdriga den Produktivbetrieb aufgenommen. Projektpartner wie RheinEnergie und EWE Netz testen nun die Lösung, um erste Erfahrungen mit dem Steuerungs- und Managementprozess zu sammeln. mehr...

Das Bild zeigt die Erfassung von Zähleständen per Handyfoto.

regiocom: MeterSnap vereinfacht Zählerstandserfassung

[10.10.2024] Mit MeterSnap bringt regiocom eine innovative Lösung auf den Markt, die die Erfassung von Zählerständen per Foto deutlich vereinfacht. Der Service spart Zeit und Kosten für Energieversorger und deren Kunden. mehr...

ESWE: Smart Metering mit GWAdriga

[09.10.2024] Bei der Modernisierung des Messdatenmanagements setzt ESWE auf den Metering-Spezialisten GWAdriga. Das Unternehmen erhofft sich durch den Anbieterwechsel auch Synergieeffekte in anderen Bereichen. mehr...

Der Smart Meter Roll-out ist häufig der Einstieg in digitale Gebäudelösungen.
bericht

Smart Meter Roll-out: Gute Kombination

[30.07.2024] Die Kombination von Smart Meter Gateway, LoRaWAN und CLS-Management bietet zahlreiche Chancen: Durch die Möglichkeit, präzise Daten zeitnah über große Entfernungen zu übertragen, können Transparenz und Effizienz im Energie-Management optimiert werden. mehr...

Abteilungsgruppenleiter Thomas Knels zeigt den Stromzähler der Zukunft für die Hertener Stadtwerke.

Hertener Stadtwerke: Smart-Meter-Ausbau gewinnt an Fahrt

[25.07.2024] Im Laufe des Jahres wollen die Hertener Stadtwerke auf 500 verbaute intelligente Messsysteme kommen. 200 sind bereits installiert, jeden Monat kommen etwa 50 hinzu. Dahinter steht ein genauer Fahrplan, den nicht zuletzt die gesetzlichen Vorgaben erfordern. mehr...

GWAdriga/GreenPocket: Partnerschaft um fünf Jahre verlängert

[22.07.2024] GWAdriga und GreenPocket setzen jetzt ihre Zusammenarbeit im Bereich der Smart-Meter-Visualisierung fort. Die seit 2019 bestehende Partnerschaft wird bis 2029 verlängert, um den steigenden Anforderungen im Smart Metering gerecht zu werden. mehr...

Das Breitband-Powerline(BPL)-System von PPC macht das Stromnetz zur effektiven und sicheren Kommunikationsplattform für digitale Anwendungen im Verteilnetz.

Voltaris: BPL für Smart Meter Roll-out

[16.07.2024] Um eine zuverlässige Verbindung des Smart Meter Gateways zu den Back-End-Systemen herzustellen, testet die Voltaris AWG momentan alternative WAN-Technologien wie etwa BPL. mehr...

Das Gateway Elvaco Edge kann sowohl mit Batterie als auch über das Stromnetz betrieben werden.

Elvaco: Neues Submetering Gateway

[21.06.2024] Mit Elvaco Edge bietet das Unternehmen Elvaco ab sofort eine technologieoffene Ende-zu-Ende-Lösungen für Energieversorger, Stadtwerke und Submetering-Unternehmen an. Das Gerät ist sowohl für die kabelgebundene als auch die kabellose M-Bus-Kommunikation konzipiert und kann entweder mit Netz- oder Batterieversorgung betrieben werden. mehr...

Energieversorgung Filstal: Schrittweises Vorgehen beim Smart Meter Roll-out hat sich bewährt.
bericht

Smart Metering: Roll-out ohne Schnittstellen

[21.06.2024] Für den Roll-out intelligenter Messsysteme greift die Energieversorgung Filstal auf eine Lösung der Wilken Software Group zurück. Dadurch profitiert sie von einem Roll-out ohne Schnittstellen. Die Gateway-Administration kann sie außerdem an meterpan auslagern. mehr...

N-ERGIE-Hauptsitz in Nürnberg: Der Energieversorger hat über 4.600 intelligente Messsysteme auf den neuen Dienstleister GWAdriga umgestellt.

N-ERGIE: Smart-Meter-Projekt abgeschlossen

[04.06.2024] Die N-ERGIE hat ihr GWA-Wechsel- und Migrationsprojekt erfolgreich abgeschlossen. Über 4.600 intelligente Messsysteme wurden auf den neuen Dienstleister GWAdriga umgestellt. mehr...

bericht

Smart Metering: Neustart geglückt

[02.05.2024] Nachdem sich der Software-Anbieter für die Gateway-Administration, MeteringSüd, im Jahr 2022 vom Markt zurückgezogen hatte, haben sich ehemalige Gesellschafter für den Dienstleister GWAdriga entschieden. Er unterstützt die Projektpartner seitdem erfolgreich beim Smart Meter Roll-out. mehr...

An zehn Prüfstationen erfolgt bei Voltaris die voll digitalisierte Prüfung von modernen Messeinrichtungen und Basiszählern.

Voltaris: Moderne Prüftechnik

[25.04.2024] Der Messspezialist Voltaris hat neueste Prüftechnik für moderne Messeinrichtungen und Basiszähler in Betrieb genommen. mehr...

Marcus Hörhammer leitet den Bereich Produktentwicklung und Vertrieb bei VOLTARIS.
interview

Interview: Schub für den Roll-out

[08.04.2024] Die Politik hat die Unsicherheit beim Roll-out intelligenter Messsysteme weitgehend beseitigt. stadt+werk sprach mit Marcus Hörhammer von Voltaris über den aktuellen Stand der Umsetzung. mehr...

Smart-Energy-Plattform führt große Datenmengen zusammen.
bericht

Smart Metering: Starke Partner für smarte Lösungen

[02.04.2024] Im Rahmen einer vertieften Entwicklungspartnerschaft arbeiten die Unternehmen GISA und Robotron daran, bei einem großen Energiekonzern eine aEMT-Landschaft aufzubauen. Das erprobte Erfolgsrezept lautet: Robotron entwickelt die Software, GISA sichert den Betrieb. mehr...