Serie KWK in der WärmeplanungHeute fossil, morgen erneuerbar
Die kommunale Wärmeplanung gilt als Prüfstein der Energiewende, als Herkulesaufgabe in der Fläche. An vollmundigen Formulierungen für die zukünftigen Aufgaben der Rathäuser und Gemeinderäte mangelt es nicht. Denn in den Kommunen stehen Gebäude unterschiedlichster Art. Vom Wohnen in Einfamilienhäusern über kombinierte Wohn- und Geschäftsgebäude bis hin zu produzierenden Unternehmen werden die unterschiedlichsten Ansprüche formuliert, wie der Weg in eine klimaneutrale Energiezukunft aussehen soll. Die Details werden so unterschiedlich sein, wie es die rund 11.000 Kommunen in Deutschland heute schon sind.
Hoher Speicherbedarf
Es besteht ein parteiübergreifender Konsens, dass Solar- und Windenergie einen großen Anteil am zukünftigen Energiesystem haben sollen. Da ihre Erzeugung aber im Jahresverlauf schwankt, also volatil ist, besteht ein nicht zu unterschätzender Speicherbedarf. Wie groß diese so genannte Stromlücke sein wird, ist Gegenstand heftiger Diskussionen.
Wie die Energie des grünen Stroms vom Sommer in den Winter übertragen werden kann, ist heute noch nicht geklärt. Fakt ist, dass Batterien in ihrer saisonalen Speicherkapazität und auch in der Anzahl der Ladezyklen begrenzt sind. Auch Pumpspeicherkraftwerke lassen sich nicht beliebig installieren, sodass neben dem sich erst entwickelnden internationalen Stromimport auch die Speicherung von Energie in Form von Molekülen erfolgen wird. Von diesem übergeordneten Big Picture muss nun die Verbindung zum Endverbraucher geschaffen werden. Eine Herausforderung.
Aufgabe: Bestand erfassen
Eine wesentliche Aufgabe der kommunalen Wärmeplanung wird es sein, den Bestand sowohl hinsichtlich der Gebäudesubstanz als auch hinsichtlich des Energieverbrauchs zu erfassen und mit den lokal verfügbaren erneuerbaren Energien in Beziehung zu setzen. Dabei gilt es, eine maximale Solarenergienutzung auf den Gebäudedächern anzustreben und darüber hinaus möglichst alle Abwärmepotenziale aus Industrie, Abwasser und der Umwelt zu erschließen.
Die Technologien hierfür sind bereits vorhanden: Wärmeübertrager können Energie aus Abgasen und Abwässern aufnehmen, bei Bedarf wird die Temperatur mit einer Wärmepumpe angehoben. Gleiches gilt für die Energie, die in der Luft, im Grundwasser und im Boden steckt. Ein neues Wärmenetz verteilt die auf diese Weise gewonnene Energie an die Nutzer. Nach dieser Bestandsaufnahme kann verglichen werden, welche Potenziale an erneuerbarer Energie vor Ort vorhanden sind und wie viel Energie gegebenenfalls von außen zugeführt werden muss. Hierfür kommen langfristig nur das Strom- und Gasnetz sowie der Straßentransport von Biomasse wie Pellets und Landschaftspflegeholz in Frage.
Netzausbau kommt nicht voran
Die Biomassemengen sind begrenzt und müssen in Zukunft strengen Nachhaltigkeitskriterien genügen. Nur regionale Potenziale können und sollen sinnvoll genutzt werden. Strom hingegen kann deutschlandweit und darüber hinaus verteilt werden, der dafür notwendige Netzausbau kommt jedoch nur langsam voran. Gleichzeitig muss die Verteilnetzebene vielerorts stark aufgerüstet werden, um die steigenden Lasten aus elektrischen Wärmepumpen, Elektromobilität und anderen elektrifizierten Prozessen aufnehmen zu können. So meldete beispielsweise der Fachverlag Energate im Januar 2023, dass der Netzbetreiber Stromnetz Berlin für seine mehr als 40.000 Kilometer Stromleitungen in der Bundeshauptstadt nach aktuellen Berechnungen mit einer Verdoppelung rechnen müsse, was schlicht nicht machbar sei. Stattdessen müsse das Gasnetz möglichst klimaneutral umgebaut und die Fernwärmeversorgung ausgebaut werden.
Aber auch mit Blick auf kleinere Siedlungsstrukturen deutet diese Aussage darauf hin, dass es in Zukunft zu einem gewissen Wettbewerb um die verfügbaren Strommengen in den Zeiten kommen wird, in denen wenig erneuerbare Energie zur Verfügung steht. In dieser Situation wird das Gasnetz mit seinen angeschlossenen Speichern in der Lage sein, die Ökostromquellen zu unterstützen, wenn deren Leistung abnimmt.
Unterscheidung auf den zweiten Blick
Es liegt daher nahe, mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) eine Technologie in die kommunale Wärmeplanung einzubeziehen, die erst auf den zweiten Blick zwischen erneuerbaren und fossilen Brennstoffen unterscheidet. Für die Anwender hat das den Vorteil, dass heute fossiles Erdgas in entsprechenden Knappheitsphasen zur Verfügung steht, zukünftig aber klimaneutrale grüne Gase eingesetzt werden können. Um sich darauf vorzubereiten, arbeitet die Mehrzahl der deutschen Gasverteilnetzbetreiber an so genannten Gasnetzgebietstransformationsplänen (GTP), die bereits heute den Umbau der bundesweit vorhandenen Netze für den Betrieb mit Wasserstoff oder Biomethan planen.
Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und in fast allen Planungen Spitzenlastkraftwerke auf Basis von Wasserstoff-KWK vorgesehen. Denn womit sollte man den wertvollen Wasserstoff oder auch das heimische Biomethan in Wärme umwandeln, wenn nicht mit der effizientesten Technologie, die die Physik bietet und die am Markt verfügbar ist? Zudem können heute installierte Blockheizkraftwerke (BHWK) mit geringem Aufwand auf andere Gasarten umgerüstet werden, etwa von Methan auf Wasserstoff.
KWK ist erneuerbar
Aus diesem Grund sollte keine Kommune davor zurückschrecken, eine auf den ersten Blick fossile Technologie in die kommunale Wärmeplanung zu integrieren, wenn der lokale Deckungsgrad mit erneuerbaren Energien unter 100 Prozent liegt. Denn auf den zweiten und langfristigen Blick ist die Kraft-Wärme-Kopplung zu 100 Prozent erneuerbar. Der heute fast selbstverständliche Inselbetrieb von BHKW ermöglicht zudem eine zusätzliche Ausfallsicherheit im Stromnetz für die angeschlossenen Stromverbraucher.
https://www.asue.de
https://www.dvgw.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai/Juni 2023 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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