Smart MeteringGeschwindigkeit beim Einbau erhöhen
Vor gut zwei Jahren startete offiziell der flächendeckende Einbau von intelligenten Messsystemen (Smart Metern) in Deutschland. Für den Wechsel zuständig sind die Messstellenbetreiber. Seit der Markterklärung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Ende Januar 2022 haben sie deutschlandweit bereits mehr als 100.000 der neuen Zähler verbaut. Mit über 2,4 Millionen Stromzählern im Netz ist Netze BW der größte Messstellenbetreiber in Baden-Württemberg. Seit Beginn des Roll-out konnte die EnBW-Tochter schon mehr als 15.000 Smart Meter in Betrieb nehmen.
Als grundzuständiger Messstellenbetreiber ist Netze BW nach dem Messstellenbetriebsgesetz verpflichtet, bis zum Jahr 2032 mindestens all die Messstellen mit Smart Metern auszustatten, die folgende Kriterien erfüllen:
• Durchschnittlicher Jahresverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden pro Jahr (kWh/a),
• Erzeugungsanlagen mit einer Leistung von mehr als sieben Kilowatt peak (kWp),
• steuerbare Verbrauchseinrichtung nach §14a EnWG (zum Beispiel Wärmepumpen).
Bei Netze BW treffen diese Kriterien auf rund 500.000 Zähler im Bestand zu sowie auf ungefähr 300.000 Zähler, die in den kommenden Jahren, zum Beispiel durch den Hochlauf bei der Elektromobilität oder durch Photovoltaikanlagen, noch hinzukommen werden.
Viele Meilensteine realisiert
Neben der Verpflichtung, bei welchen Kunden ein Zählerwechsel stattfinden muss, beinhaltet das Messstellenbetriebsgesetz weitere umfassende Vorgaben für die grundzuständigen Messstellenbetreiber. So regelt es unter anderem die maximalen Kosten für die Kunden, die Zuständigkeiten aller Marktteilnehmer sowie die Sicherheitsstandards für Technik, Administration und Kommunikation zum Beispiel zur sicheren Datenübertragung.
Trotz der Widrigkeiten konnte Netze BW bereits viele Meilensteine im Rahmen der Smart-Meter-Installation realisieren. So werden im Rahmen eines Projekts für kommunales Energie-Management Smart Meter in großer Stückzahl bei kommunalen Liegenschaften eingebaut. Sie bilden den Grundstein für ein digitalisiertes Energie-Management ganzer Gemeinden, Ortschaften und Städte. Die Verantwortlichen können dann mit wenigen Klicks jederzeit den Verbrauch der Stromzähler überwachen. Auch ganze Züge von kommunaler Straßenbeleuchtung konnten ausgerüstet werden. Zudem entfällt für jedes verbaute intelligente Messsystem das manuelle jährliche Ablesen des Zählerstands – der Verbrauch wird automatisch an den Messstellenbetreiber übermittelt. Für Kommunen, die nicht selten mehrere hundert Stromzähler zu verwalten haben, bringt das eine enorme Arbeitserleichterung mit sich.
Mit diginamic bietet Netze BW überdies verschiedene smarte Services an – von der Energiedatenbereitstellung für Marktpartner über Beratungsleistungen bis hin zur Digitalisierung von Kommunen durch intelligente Sensorik-Lösungen für ein breites Spektrum von Anwendungsfällen. Kunden bietet Netze BW unabhängig von deren Stromlieferanten ein Portal zur Visualisierung der eigenen Verbräuche. Im 15-Minuten-Takt können Verbrauchsspitzen identifiziert und Maßnahmen zum Stromsparen eingeleitet werden. Auch zeitvariable und dynamische Stromtarife werden dank der detaillierten Verbrauchsaufschlüsselung mit der neuen Technik möglich – erste Lieferanten bieten diese bereits an.
Regulatorische Hürden
Die umfassenden gesetzlichen Vorgaben vor allem im Hinblick auf die Sicherheit der Geräte und Systeme sind einer der Gründe, warum sich der Roll-out von Smart Metern in Deutschland bisher in die Länge gezogen hat. Auch zwei Jahre nach dem Start der Einbauverpflichtung haben die Messstellenbetreiber noch regulatorische Hürden zu meistern, um beim flächendeckenden Verbau von Smart Metern Fahrt aufnehmen zu können.
Wie bei jeder neuen Technologie, die in einen Standardprozess für die Massenverwendung überführt werden soll, war auch der Smart Meter Roll-out nicht frei von Kinderkrankheiten. Eine große Rolle spielten insbesondere technische Herausforderungen, wie die kommunikative Erreichbarkeit eines Stromzählers in tiefen Kellerräumen oder die Absicherung der Zähler im Rahmen der sicheren Lieferkette (SiLKe). Gleiches gilt für die prozessualen Abhängigkeiten von der Montage über die Marktkommunikation bis hin zur Abrechnung.
Auch die hohe Komplexität in der Energiewirtschaft und die vielen Eventualitäten, die bei jeder noch so kleinen Änderung eines Prozesses betrachtet werden müssen, machen den Roll-out zu einer iterativen Produkteinführung. Immer wieder muss auf neue interne und externe Änderungen reagiert werden. Ein Beispiel: Jedes Geräte-Update muss für jeden Hersteller vom BSI in einem langwierigen Prozess geprüft und zertifiziert werden. Liegt die Freigabe vor, müssen die Messstellenbetreiber gemeinsam mit den zuständigen Landeseichbehörden eine Stichprobe durchführen, die dann nach einer Prüfung das Update für die im Antrag aufgeführten Smart Meter Gateway freigibt. Gerade Fehlerbehebungen, die manchmal erst nach einiger Zeit im Betrieb der Produkte auftreten oder nötig werden, lassen sich auf diese Weise oft nicht schnell und flexibel genug durchführen.
Roll-out beschleunigen
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klima, hat bereits in seiner Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz gefordert, dass der Smart Meter Roll-out an Geschwindigkeit zunehmen muss. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Europa hat der Ausbau der erneuerbaren Energien nun nochmals einen deutlich höheren Stellenwert erhalten. Damit die volatilen erneuerbaren Erzeugungsanlagen in großer Zahl effizient ins Netz eingebunden werden können, bedarf es in der Nieder- und Mittelspannung mehr Transparenz und Flexibilität. Ein beschleunigter Smart Meter Roll-out kann einen Beitrag zur Zielerreichung leisten.
Der Markt und viele Messstellenbetreiber sind bereit, die Geschwindigkeit beim Einbau der neuen Gerätegeneration zu erhöhen. Hierfür braucht es vor allem regulatorisch und rechtlich sichere Rahmenbedingungen. Dass diese nicht selbstverständlich sind, zeigt ein Eilbeschluss aus dem Jahr 2021, in dem das Oberverwaltungsgericht Münster entschied, dass die Markterklärung des BSI – und damit der Start der Einbauverpflichtung – unwirksam seien. Der Beschluss gilt aktuell zwar nur für die circa 50 klagenden Unternehmen, aber das Urteil im Hauptsacheverfahren steht noch aus (Stand Februar 2022). Je nachdem, wie dieses ausfällt, müsste die bestehende Markterklärung erneuert werden. Des Weiteren warten die Messstellenbetreiber aktuell noch auf eine Markterklärung, in welcher der Einbau von Smart Metern an Messstellen von Erzeugungsanlagen freigegeben wird.
Der Smart Meter Roll-out kann also unter zwei Voraussetzungen gestärkt und beschleunigt werden: durch neue, rechtssichere Markterklärungen sowie durch klare regulatorische Rahmenbedingungen und vereinheitlichte, vereinfachte Marktprozesse.
https://www.enbw.com
Dieser Beitrag ist im Schwerpunkt Digitalisierung/Smart Meter der Ausgabe Mai/Juni 2022 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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