Donnerstag, 26. Dezember 2024

GlasfaserGemeinsames Geschäftsfeld

[01.04.2015] Breitband-Unterversorgung kennen vor allem dünn besiedelte Regionen. Wenn etablierte Unternehmen den Ausbau hinauszögern, werden deshalb Kommunen und Stadtwerke immer öfter selbst aktiv – die optimale Basis für eine erfolgreiche lokale Partnerschaft.
Für den Breitband-Ausbau bietet es sich an

Für den Breitband-Ausbau bietet es sich an, kommunale Kräfte zu bündeln.

(Bildquelle: EWE tel)

Der Stellenwert einer schnellen Internet-Verbindung hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Die frühere Prognose einer jährlichen Steigerung des Bandbreitenbedarfs eines jeden Nutzers um 50 Prozent in Anlehnung an das Nielsen-Gesetz hat sich nicht nur bestätigt. Es ist sogar ein weiterer Anstieg der Nachfrage zu erwarten. Das begründet sich vor allem in dem aktuellen Trend zur erhöhten Nutzung von Diensten wie HD-TV und Videotelefonie, der steigenden Anzahl von Zweit- und Drittgeräten pro Anschlussnehmer und der Perspektive eines intelligenten Stromnetzes mit seinen Smart Metern. Die Ausbauziele der Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag und Digitaler Agenda liegen aktuell bei flächendeckend mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) bis zum Jahr 2018. Lediglich 56 Prozent der Haushalte konnten im Jahr 2012 diesen Standard erreichen. Verschiedene Technologievarianten können die angestrebten Breitband-Verbindungen sicherstellen. Die wesentliche Technologievariante wird aber aufgrund der extrem hohen Bandbreitenanforderung vermutlich ein stationäres Glasfasernetz sein.

Kommunen werden aktiv

In vielen Großstädten ist schon jetzt eine vollständige Versorgung mit entsprechend hohen Datenraten sichergestellt. In weniger dicht besiedelten Regionen ist der Breitband-Ausbau für den zuständigen Netzbetreiber aufgrund der hohen Leitungslängen in Kombination mit einer geringen Abnehmerzahl unter wirtschaftlichen Aspekten nicht lohnenswert. Folglich entsteht eine Wirtschaftlichkeitslücke. Notwendige Investitionen in die Infrastruktur bleiben aus. Insbesondere für ländliche Kommunen spielt eine gut ausgebaute Infrastruktur jedoch eine maßgebliche Rolle, um bei der Attraktivität für Einwohner und Unternehmen mit größeren Städten konkurrieren zu können. Deshalb werden Kommunen und Stadtwerke immer öfter selbst beim Breitband-Ausbau aktiv, wenn etablierte Kommunikationsunternehmen die Weiterentwicklung hinauszögern oder ablehnen. Das ist insofern schlüssig, da neben der reinen Renditeorientierung aus kommunaler Sicht auch die Förderung eines Standortfaktors in die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Ausbauprojektes einfließt.

Marktstudie zeigt Chancen

Im Rahmen einer Kurzstudie von Rödl & Partner aus dem Jahr 2014 wurden knapp 100 zufällig ausgewählte Studienteilnehmer zu ihrer Situation und ihren Erwartungen hinsichtlich des Breitband-Ausbaus im eigenen Gebiet befragt. Demnach ist insbesondere in bislang nicht ausgebauten Gebieten mit einem marktgetriebenen Breitband-Ausbau in naher Zukunft nicht zu rechnen. An dieser Stelle sehen sich viele Kommunen in der Pflicht und möchten laut Erhebung stärker auch direkt in den Ausbau involviert werden.
Chancen des Glasfaserausbaus sehen die Studienteilnehmer in der Steigerung der Attraktivität der jeweiligen Region, der gesellschaftlich gesteuerten Einflussnahme als kommunaler Eigentümer eines Glasfasernetzes sowie in künftigen Renditemöglichkeiten.
Kurz- und mittelfristig vermeintlich geringe wirtschaftliche Potenziale hemmen ein flächendeckendes kommunales Engagement. Oft fehlt eine eingehende Analyse. Tatsächliche wirtschaftliche Möglichkeiten sind somit häufig nicht bekannt. Im Zuge der Befragung zeigte sich: Kommunen, die keine Wirtschaftlichkeitsanalyse für den Ausbau eines potenziellen Erschließungsgebietes vorgenommen haben, schätzen die Wirtschaftlichkeit schlechter ein als solche, die eine entsprechende Analyse vorliegen haben. Denn oft ist sehr wohl eine mittelfristige Kostendeckung oder eine positive Rendite zu erwarten, auch wenn diese in vielen Fällen nicht den privatwirtschaftlichen Renditeforderungen entsprechen.
Kommunen sehen sich selbst vornehmlich in der Eigentümerrolle, ohne den operativen Betrieb oder die Vermarktung zu übernehmen. Die Rolle des technischen Betriebsführers und den Endkundenvertrieb betrachten sowohl Kommunen als auch die befragten Unternehmen als Aufgabe der Stadtwerke oder Telekommunikationsunternehmen. Hier zeigen sich optimale Voraussetzungen für eine, gegebenenfalls neben der Energieversorgung zusätzliche, Partnerschaft bei der Telekommunikationsinfrastruktur.

Lokale Zusammenarbeit

Eine Kooperation zwischen Kommune und Stadtwerk könnte folgendermaßen gestaltet werden: Bei Verlegemaßnahmen von Strom, Gas oder Wasser werden durch das lokale Stadtwerk im Rahmen einer Ausbaustrategie Leerrohre verlegt. Insbesondere bei der Erschließung von Neubaugebieten ist es sinnvoll, die Glasfasererschließung mit einzubeziehen. Unter Berücksichtigung beihilferechtlicher Rahmenbedingungen können die Mehrkosten der Mitverlegung auch durch die Stadt getragen werden, beispielsweise durch eine direkte Bezuschussung oder den Verzicht auf Ausschüttungen. Wenn die Tiefbauarbeiten durchgeführt wurden, wird das Netz, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme externer Dienstleister, von den Stadtwerken betrieben. Aufgrund bestehender Betriebsführungsaufgaben aus anderen Sparten sollten technisches Personal, Know-how und Equipment zumindest teilweise vorhanden sein. Auch in der kaufmännischen Verwaltung kann auf bewährte Strukturen und Mitarbeiter zurückgegriffen werden. Weitere Synergien ergeben sich vor allem im Endkundenvertrieb. Unter Rückgriff auf bestehende Absatzstrukturen können innovative Maßnahmen wie Strom-Gas-Internet-Kombinationsprodukte umgesetzt und beworben werden. Bei Bedarf greift das Stadtwerk auf die entweder nur punktuelle oder weitergehende Unterstützung externer Dienstleister zurück.

Neue Synergien

Der kommunale Gesellschafter kann seinen Bürgern auf dieser Basis ein attraktives Glasfasernetz zur Verfügung stellen, während sich die Kosten bestmöglich minimieren lassen. Erstens ergibt sich durch die Nutzung von Synergien ein deutlicher Vorteil gegenüber einem strukturellen Neuaufbau der Breitband-Versorgung. Zweitens werden die kommunalen Zuschüsse nicht verwendet, um die (kapitalmarktgetriebenen) Renditeforderungen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens zu erfüllen. Zusätzlich kann die Kommune über die Stadtwerke jederzeit Einfluss auf den Fortschritt des Glasfaser-Roll-outs und die Gestaltung der Breitband-Versorgung nehmen, etwa über die Preissetzung oder Produktgestaltung.
Für die Stadtwerke erschließt sich ein neuer Geschäftsbereich, der strategische und mittel- bis langfristig auch direkte wirtschaftliche Potenziale offenlegt. Mithilfe kommunaler Zuschüsse und unter Rückgriff auf entsprechende Förderprogramme besteht die Chance, die neue Sparte auch wirtschaftlich auf ein tragfähiges Fundament zu stellen und unkalkulierbare Risiken weitgehend zu minimieren.
Der hier dargestellte Ansatz kann aufgrund unterschiedlicher Ausgangssituationen keine allgemeingültige Lösung für Kommunen sein. Vielmehr ist auf Basis einer individuellen Ist-Analyse eine maßgeschneiderte Lösung für das betrachtete Gebiet zu erarbeiten. Hierbei sind die Zielvorstellungen der jeweiligen Kommune zu berücksichtigen. Als Handlungsalternativen bieten sich Kooperationen mit privatwirtschaftlichen Dritten, die finanzielle Anreizgebung zum rein privatwirtschaftlichen Ausbau oder interkommunale Lösungen an.

Peer Welling, Patrick Embacher

Peer Welling, Patrick EmbacherDiplom-Kaufmann Peer Welling ist als Unternehmensberater bei Rödl & Partner tätig. Er bewertet Unternehmen und Versorgungsnetze und begleitet die Planung und Umsetzung von Kooperationslösungen. Rechtsanwalt Patrick Embacher ist in der Energierechtspraxis von Rödl & Partner tätig. Er betreut Kommunen und kommunale Unternehmen bei Strom- und Gaskonzessionen.

Stichwörter: Breitband, Rödl & Partner


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