Dienstag, 29. Oktober 2024

WärmeversorgungGemeinsam zum grünen Wärmenetz

[01.07.2022] Wollen Kommunen grüne Wärmenetze errichten, muss neben der Frage der Finanzierung die richtige Struktur zur Projektumsetzung erarbeitet werden. Dabei sind kommunal-, vergabe- und beihilferechtliche Aspekte zu berücksichtigen.
Wollen Kommunen grüne Wärmenetze errichten

Wollen Kommunen grüne Wärmenetze errichten, muss neben der Frage der Finanzierung die richtige Struktur zur Projektumsetzung erarbeitet werden.

(Bildquelle: STEAG)

Die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Nah- und Fernwärmenetzen ermöglichen es Kommunen, eine effiziente und ortsnahe Wärmeversorgung durch erneuerbare Energien sicherzustellen. Die Rolle der Kommunen als Eigentümer von leistungsfähiger Infrastruktur wird dabei immer wichtiger, da damit der Anschluss von privaten und öffentlichen Nutzern ermöglicht wird und so die andernfalls erforderlichen, erheblichen Investitionen in die Modernisierung von Heizungs- und Klimatechnik vermieden werden.
Laut dem am 31. August 2021 in Kraft getretenen Klimaschutzgesetz soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Dabei wird in der Bundesrepublik rund die Hälfte der Energie für Wärme verbraucht. Bislang stammt Fernwärme überwiegend aus fossilen Quellen, der Anteil erneuerbarer Energien liegt bei gerade einmal 17,5 Prozent. Daraus ergibt sich großer Bedarf, die bestehenden Wärmenetze umzubauen und auf die Einspeisung von Wärme aus erneuerbaren Energien vorzubereiten. Zudem wird vielerorts die Errichtung neuer oder die Erweiterung bestehender Wärmenetze erforderlich.

Langer zeitlicher Projektvorlauf

Solche Maßnahmen sind mit erheblichen Investitionen verbunden und haben einen langen zeitlichen Projektvorlauf. Um den Umstieg auf erneuerbare Energien und die notwendigen Transformationen der Infrastruktur voranzutreiben, hat der Bundesgesetzgeber mit dem Entwurf der Richtlinie „Bundesförderung effizienter Wärmenetze“ (BEW) umfassende Mittel in Aussicht gestellt. Die Inanspruchnahme von Fördermitteln wird in der Regel durch kommunale Eigenmittel sowie Fremdmittel etwa von Infrastruktur­investoren ergänzt, um eine gesamtheitliche Projektfinanzierung sicherzustellen. Für Kommunen sind verschiedene Wege zur Strukturierung des Projekts denkbar. So ist neben einer Eigenrealisierung auch die Gründung von Kooperationen mit Dritten ein Lösungsansatz. Bei der Projektstrukturierung ist grundsätzlich zwischen der Infrastruktur- und Betreiberebene zu differenzieren. Sämtliche konzeptionellen Überlegungen müssen dabei kommunal-, vergabe- und zuwendungsrechtskonform sein, da andernfalls das Risiko einer Nichtauszahlung oder Rückforderung von Zuwendungen besteht.
Auch wenn die Kommune das Projekt in eigener Verantwortung realisieren möchte, muss zunächst bewertet werden, ob das Vorhaben von einem rechtlich unselbstständigen kommunalen Eigenbetrieb oder einer selbstständigen Organisationseinheit wie beispielsweise einem Kommunalunternehmen oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgesetzt werden soll. Dabei sollte in die Erwägungen einbezogen werden, inwiefern möglicherweise bestehende Beteiligungsstrukturen wie Gemeinde- oder Stadtwerke weiterentwickelt werden können. Die erforderlichen Planungs-, Bau- und Betriebsleistungen müssen dann – sofern sie nicht in kommunaler Eigenleistung erbracht werden – in einem (europaweiten) Auswahl-/Vergabeverfahren vergeben werden.

Kooperation mit Dritten

Ein weiterer Lösungsansatz ist die Kooperation mit Dritten, also die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung mit anderen öffentlichen Stellen im Wege der interkommunalen Kooperation oder einer strategischen Partnerschaft mit einem Privatunternehmen. Zu unterscheiden ist dabei die Kooperation auf vertraglicher Grundlage und die gesellschaftsrechtliche Gründung einer gemeinsamen Organisationseinheit. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Kommunen nach Maßgabe der kommunalrechtlichen Vorgaben einen angemessenen Einfluss auf die relevanten Entscheidungen zur Umsetzung des Vorhabens haben.
Sowohl die interkommunale Kooperation als auch die strategische Partnerschaft kann auf Grundlage eines Vertrags umgesetzt werden. Während die interkommunale Kooperation bei wechselseitigen Beiträgen der öffentlichen Kooperationspartner nach § 108 Abs. 6 GWB ausschreibungsfrei ist, wird die Kooperation mit einem Privatunternehmen aufgrund der Leistungsbeziehungen in aller Regel auf vertraglicher Grundlage der vergabe­rechtlichen Ausschreibungspflicht unterfallen.
Die interkommunale Kooperation kann zudem im Wege einer gemeinsamen Organisationseinheit wie beispielsweise einer öffentlichen Infrastrukturgesellschaft umgesetzt werden. Bei der Kooperation mit einem Privatunternehmen in einer so genannten ­gemischtwirtschaftlichen Organisationseinheit handelt es sich um eine Projektgesellschaft (Joint Venture). Unter gewissen Voraussetzungen ist die interkommunale Kooperation im Rahmen einer gemeinsamen Organisationseinheit nach § 108 Abs. 1 und 4 GWB wiederum ausschreibungsfrei. Bei der Gründung einer Projektgesellschaft mit einem privaten Partner ist stets kritisch zu bewerten, ob mit der Stellung als Mitgesellschafter zugleich eine Überantwortung eines Leistungsanteils an das Privatunternehmen einhergeht. In diesem Fall ist die Begründung einer öffentlich-privaten Partnerschaft als ausschreibungspflichtiger Vorgang anzusehen.

Umsichtige Entscheidung

Kommunen haben die Möglichkeit, Wärmeprojekte unter Einbeziehung staatlicher Finanzmittel in Ergänzung zu anderweitigen Kapitalquellen zu realisieren und damit im Rahmen der Wahrnehmung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge einen Beitrag zur Erreichung der Umwelt- und Klimaschutzziele zu leisten. Dabei bieten sich verschiedene Projektstrukturen an. Die Entscheidung über eine Kooperation mit öffentlichen oder privaten Dritten sollte von der beabsichtigten strategischen Positionierung am Markt sowie der eigenen kommunalen Leistungsfähigkeit abhängig gemacht werden. In jedem Fall muss einer solchen Weichenstellung für die Projektrealisierung eine ausführliche technische, kommerzielle und rechtliche Bewertung sowie die Ableitung einer Vorlage für die Befassung der zuständigen Gremien vorausgehen, um eine umsichtige Entscheidung für solche zukunftsweisenden Projekte treffen zu können.

Dr. Felix Siebler und Annabelle Forster

Die Autoren, Dr. Felix Siebler und Annabelle ForsterDr. Felix Siebler, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner im Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht, Regulierung und Wettbewerb der Sozietät Watson, Farley & Williams LLP in München. Annabelle Forster, LL.M. ist Rechtsanwältin und Associate im Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht, Regulierung und Wettbewerb der Sozietät Watson, Farley & Williams LLP in München.



Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Wärmeversorgung
Das Bild zeigt das Rathaus der Stadt Goch mit Flaggen im Vordergrund.

Goch: Wärmeplanung startet

[24.10.2024] Die Stadt Goch hat den nächsten Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität beschlossen. Mit der kommunalen Wärmeplanung will die Stadt eine Strategie entwickeln, wie die Wärmeversorgung ökologisch, wirtschaftlich und technisch sinnvoll gestaltet werden kann. mehr...

Bonn: Zwischenergebnisse der Wärmeplanung vorgestellt

[24.10.2024] Die Stadt Bonn hat jetzt im Rahmen ihrer kommunalen Wärmeplanung Szenarien für die Wärmeversorgung bis 2045 sowie erste Karten zu möglichen Versorgungslösungen vorgestellt. Diese Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Wärmeversorgung langfristig nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten. mehr...

Nordrhein-Westfalen: Abwasser als neue Wärmequelle

[14.10.2024] Täglich fließt warmes Abwasser durch die Kanalisation. Dieses Potenzial will das Land Nordrhein-Westfalen nun nutzen, um den Ausbau der klimafreundlichen Wärmeversorgung voranzutreiben. Dazu wurde eine neue Initiative ins Leben gerufen, die konkrete Projekte zur Abwasserwärmenutzung anstoßen soll. mehr...

Das Bild zeigt das Heizkraftwerk Bresser Strasse der Stadtwerke Wittenberge.
bericht

Wittenberge: Innovatives Flusswärmeprojekt

[10.10.2024] Die Stadtwerke Wittenberge haben ein zukunftsweisendes Projekt zur Nutzung von Flusswärme in Betrieb genommen. Der Fluss Stepenitz wird als Wärmequelle für die Fernwärmeversorgung der Stadt erschlossen. mehr...

Das Bild zeigt mehrere Persinen in der Technikzentrale des Kalte-Nahwärme-Netzes in Mettingen.

SWTE Netz: Kalter Nahwärme für Neubaugebiet

[08.10.2024] In Mettingen wurde das erste Kalte-Nahwärmenetz der Region Tecklenburger Land in Betrieb genommen. Die Anlage wurde von der SWTE Netz errichtet und ist ein nachhaltiges Modell für die zukünftige Wärmeversorgung. mehr...

Das Bild zeigt die Verlegung von Fernwärme-Rohren in einer Stadt in Baden-Württemberg.

Baden-Württemberg: Weiter Fördermittel für Wärmenetze

[08.10.2024] Das Umweltministerium Baden-Württemberg fördert den Aus- und Neubau von energieeffizienten Wärmenetzen in Dußlingen, Bad Rappenau und Tamm mit insgesamt 800.000 Euro. mehr...

Bei der Unterzeichnung des Wegenutzungsvertrags.

Bremen: Vertrag für Fernwärmenetz unterzeichnet

[07.10.2024] Die Stadt Bremen und enercity Contracting Nord haben jetzt den Weg für ein klimafreundliches Fernwärmenetz in Bremen-Nord geebnet. Ein unterzeichneter Vertrag erlaubt die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für den Bau und Betrieb des Netzes, das maßgeblich zur Wärmewende beitragen soll. mehr...

Verlegung von Rohrleitungen für ein Wärmenetz.

Ebringen: Nahwärmenetz modernisiert

[04.10.2024] Die Gemeinde Ebringen hat ihr Nahwärmenetz grundlegend modernisiert. Mit einem neuen Holzhackschnitzelkessel, Solarthermie und einem reduzierten Gasanteil spart die Gemeinde bis zu 70 Prozent CO2 ein. Finanziert wurde die Modernisierung über ein Contracting-Modell. mehr...

Das Wärmenetz im Quartier „Neue Mitte Salem“ wurde jetzt digitalisiert.

Salem: Wärmenetz digitalisiert

[04.10.2024] Das Wärmenetz im Quartier „Neue Mitte Salem“ wurde jetzt digitalisiert. Das Projekt, das von thüga solutions-Partnern durchgeführt wurde, zielt auf eine Senkung der Emissionen und eine effizientere Steuerung des Wärmenetzes ab. mehr...

Baustein Nr. 1 für die klimafreundliche Wärmeversorgung in Erkner: Vor wenigen Tagen wurde der Motor für das Blockheizkraftwerk geliefert

EWE: Grüne Wärme für Erkner

[30.09.2024] Die EWE-Tochtergesellschaft TEWE baut die Wärmeversorgung in Erkner hin zu einer klimaneutralen um. mehr...

Magdeburg: Workshop für Wärmeplanung

[27.09.2024] Magdeburg erstellt einen kommunalen Wärmeplan. Dafür wurde ein erster Workshop mit relevanten Akteuren der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt durchgeführt. mehr...

Gut besuchte Veranstaltung

Meckenheim: Infoveranstaltung zur Wärmeplanung

[25.09.2024] Im Rahmen einer Informationsveranstaltung stellte die Stadt Meckenheim ihre Planungen zur kommunalen Wärmeversorgung vor. Erste Ergebnisse einer Potenzialanalyse zeigen, dass erneuerbare Energien wie Geothermie und Solarthermie eine wichtige Rolle spielen können. mehr...

Arnsberg: Wärmeplanung gestartet

[25.09.2024] Die Stadt Arnsberg hat ihre kommunale Wärmeplanung offiziell gestartet. Ziel ist es, die Wärmewende vor Ort voranzutreiben und die Stadt bis 2035 klimaneutral zu machen. Der Prozess soll gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie lokalen Akteuren gestaltet werden. mehr...

Fernwärmeausbau in Dortmund: Ziel ist eine vollständig klimaneutrale Wärmeversorgung.

Dortmund: Umbau des Fernwärmenetzes

[20.09.2024] DEW21 hat den ersten Bauabschnitt ihres Fernwärmeprojekts in Dortmund erfolgreich umgesetzt. Im Althoffblock werden ab sofort 400 Wohneinheiten mit klimafreundlicher Fernwärme versorgt. Bis 2028 sollen weitere 1.300 Wohnungen angeschlossen werden. mehr...

Das Fernwärmenetz in Heidelberg wird weiter ausgebaut.

Heidelberg: Vorbild bei der Wärmewende

[20.09.2024] Bis 2040 soll die Fernwärmeversorgung in Heidelberg klimaneutral werden. Ein neues Großprojekt im Stadtteil Neuenheim leistet dazu einen wichtigen Beitrag. mehr...