InterviewGemeinsam innovative Ansätze finden
Herr Hagl, SAP hat kürzlich die Geschäftsbereiche Öffentlicher Dienst und Energie zusammengeführt. Was sprach für diesen Schritt?
Wir haben in den vergangenen Jahren starke Trends gesehen, die sich in unserer Gesellschaft niederschlagen. Stichworte wie Digitalisierung oder Klimawandel sind uns aus unserem Alltagsleben bekannt. Taucht man tiefer ein, wird klar, dass es gerade auf kommunaler Ebene immer mehr Schnittmengen geben wird. Soll der Kampf gegen den Klimawandel gelingen, wird die Sektorkonvergenz unausweichlich. Neue Mobilitätskonzepte funktionieren beispielsweise nur im Zusammenspiel von Kommune, Verkehrsbetrieben und Energieversorgern sowie weiteren Playern, etwa aus dem Bereich Telekommunikation oder der Automobilindustrie. Themen wie Smart Lighting, Smart Charging und Smart Waste basieren auf den Infrastrukturen der Ver- und Entsorgungsunternehmen. Wenn man also nachhaltig Energie sparen möchte, braucht es die Zusammenarbeit vieler, insbesondere auch auf kommunaler Ebene. Durch die Zusammenlegung der Bereiche Public Services und Energy bündeln wir das nötige Know-how und versuchen, gemeinsam mit unseren Kunden innovative Ansätze zu finden.
Welche Synergien erwarten Sie beispielsweise beim Thema Smart City?
Mit Smart City werden Entwicklungskonzepte beschrieben, die Kommunen fortschrittlicher, effizienter und auch grüner machen sollen. Um das zu erreichen, bedarf es eines technologischen Unterbaus. Exemplarisch zu nennen ist hierbei der Wunsch der Kommunen, mittels intelligenter Sensorik im Stadtgebiet Verkehrsflüsse zu steuern und die Parkraumbewirtschaftung zu optimieren. Allerdings haben sie in der Regel nicht das Wissen oder die Organisationsstruktur, um derartige Netze selbst aufzubauen. Kommunale Unternehmen, wie die Stadtwerke, bieten sich als Infrastrukturbetreiber förmlich an und können technologische Plattformen bereitstellen.
Derzeit wird die Lösung SAP Cloud for Utilities entwickelt. Wie ist der Stand?
Das gesamte Programm baut auf Erweiterungen bereits existierender und erprobter Lösungen auf, erfordert aber in Teilen auch Neuentwicklungen. Die hohe Modularität der Lösung erlaubt es unseren Kunden, schrittweise und entlang ihrer Digitalisierungsstrategie von der neuen Lösung zu profitieren. Im Dezember 2019 konnten wir erste Kunden produktiv setzen, die mit der Marktkommunikation in die Cloud gegangen sind. Andere Kunden hatten den Fokus auf Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozessen und arbeiten hier schon produktiv in der Cloud. Nun haben wir Verteilnetzbetreiber als Partner gewinnen können, mit denen wir cloudbasiert neue und automatisierte Lösungen für die energiewirtschaftlichen Prozesse umsetzen.
Welche Vorteile wird die neue SAP-Standard-Software bieten?
Die internationale Akzeptanz bei den Versorgern soll die Skalierung bringen, sodass wir immer weiter optimieren können. Zudem können wir durch die Nutzung standardisierter Cloud-Lösungen auf die Erfahrungen von über 25 Industriebereichen zurückgreifen. Wir glauben, dass dies durch das Zusammenwachsen der Industrien immer wichtiger wird, um Energie- und Nicht-Energieprodukte zu verkaufen. Derartige Commerce-Lösungen sind in anderen Branchen bereits etabliert. Beim Einsatz von Cloud-Lösungen sehen wir bei den Versorgern eine Entlastung im operativen Betrieb. Auch unsere Stadtwerke kämpfen um die besten Köpfe in der IT. Sie sollten sich aber zunehmend um innovative Themenstellungen kümmern anstatt um Routineaufgaben wie den Betrieb.
„SAP-Philosophie war es immer, offene Systeme anzubieten.”
Wird es auch eine On-Premises-Version für den Betrieb auf eigenen Servern geben?
Die Entwicklung, die im Cloud-for-Utilities-Programm angestoßen wurde, zielt auf den nativen Betrieb in der Cloud ab. Dennoch sind uns Transformationsschwerpunkte unserer Kunden wichtig. Mit SAP S/4HANA Utilities haben wir die Möglichkeit, umfassende energiewirtschaftliche Prozesse basierend auf moderner Technologie auch im On-Premises-Bereich anzubieten. Das ist vielen Stadtwerken und insbesondere Netzbetreibern immer noch wichtig.
Derzeit drängen neue Wettbewerber offensiv auf den Markt. Kommt SAP dadurch unter Druck?
Wir haben uns seit jeher in Deutschland im starken Wettbewerb gesehen. Daran ändert sich auch in Zukunft nichts. Dennoch war es immer SAP-Philosophie, offene Systeme anzubieten, die einen Datenaustausch auch mit Non-SAP-Systemen sicherstellen. Die Kunden müssen ganz einfach ihre Geschäftsprozesse effektiv in den IT-Systemen umsetzen und die Software-Auswahl an ihren Geschäftsbedürfnissen ausrichten. Die Modularisierung wird aber weiter zunehmen – zumindest bei einigen Marktrollen. Eine Antwort darauf ist die SAP-Business-Technology-Plattform. Mit ihr werden das Datenbank- und Daten-Management, die Anwendungsentwicklung und Integration sowie die Nutzung von Analyselösungen und intelligenten Technologien stark vereinfacht, weil bereits vorgefertigte Services und Integrationen genutzt werden können.
Wie wird die IT-Architektur gerade der kommunalen Unternehmen aus Ihrer Sicht künftig aussehen?
Die IT-Architekturen der Energiewirtschaft haben sich in den vergangenen 20 Jahren extrem verändert. Durch die Liberalisierung, die Energiewende und jetzt die Digitalisierung ist die Komplexität stark gestiegen. Nun gilt es, komplexe Systeme zu vereinfachen und die IT-Landschaften zu modernisieren. Die Anpassungen in den Geschäftsmodellen sowie die fortschreitende Technologie erfordern einen viel breiteren Einsatz von spezifischen IT-Systemen und Anwendungen. Diese gilt es intelligent zu verknüpfen, damit sie leichtgewichtig im Betrieb sind. Dabei muss man jedoch von Anfang an daran denken, wie ein Gesamtsystem aussehen könnte und nicht im Silodenken verharren. SAP bietet hier die Breite an Technologie und Geschäftsprozessen, um flexibel zu reagieren. Die Einbindung von Drittlösungen wird dann entscheidend für den Erfolg. Hier unterstützt SAP ebenfalls.
Dieser Beitrag ist in der Augabe September/Oktober 2020 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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