Montag, 7. Oktober 2024

BerlinForellen nutzen Spreewärme

[17.10.2023] Der Berliner Energieversorger BTB hat im Juli vergangenen Jahres den Probebetrieb für zwei neuartige Flusswasser-Wärmepumpen gestartet. Die beiden Anlagen mit dem Spitznamen Forelle konnten die in sie gesetzten Erwartungen bislang sogar noch übertreffen.
Die neuen Flusswasser-Wärmepumpen von BTB sollen künftig rund die Hälfte des sommerlichen Wärmebedarfs decken.

Die neuen Flusswasser-Wärmepumpen von BTB sollen künftig rund die Hälfte des sommerlichen Wärmebedarfs decken.

(Bildquelle: BTB GmbH Berlin)

Forelle 1+2 nennen die Mitarbeitenden des Berliner Energieversorgers BTB die zwei neuen, leuchtend-blauen Flusswasser-Wärmepumpen im entstehenden Energiepark Schöneweide liebevoll. Der Name wurde aus der Spree und deren Fauna abgeleitet, die direkt am Kraftwerk vorbeifließt und deren Wasser die beiden Anlagen seit circa zwei Monaten Wärme entziehen, um dieses in den Heißwasserkreislauf des rund 170 Kilometer langen Fernwärmenetzes der BTB einzuspeisen.
Das in der Region bislang einmalige Pionierprojekt ist Teil zweier iKWK-Systeme (innovative Kraft-Wärme-Kopplung), die in baugleichen Stufen im Rahmen der Fernwärmeausbaustrategie der BTB zwischen 2021 und 2023 umgesetzt wurden. Die Anforderungen für die iKWK sehen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) einen regenerativen Wärmeanteil vor, der bei BTB durch die Flusswasser-Wärmepumpen abgedeckt wird. Die konventionelle Komponente besteht aus vier neuen, hocheffizienten Gas-KWK-Motoren am Standort Adlershof, die mit einigen technischen Änderungen später auch auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet werden können. Als elektrische Wärmeerzeuger durften zwei CSN-Durchlauferhitzer als Bestandsanlagen aus dem Heizkraftwerk Adlershof in das iKWK-Projekt integriert werden. Die Gesamtleistung der beiden iKWK-Systeme liegt in Summe bei 32 Megawatt thermischer und 18 Megawatt elektrischer Leistung, pro Jahr wird eine CO2-Reduktion von rund 14.000 Tonnen erwartet.

Test erfüllt die Erwartungen

Die beiden individuell für die E.ON-Tochter BTB gebauten „Forellen“ mit je 3,5 MW thermischer Leistung und einer Heizleistung von zusammen etwa sieben MW gingen im Juli dieses Jahres in die Erprobung. Denn für die Entnahme der Umweltwärme aus dem Fluss muss das Spreewasser mindestens acht Grad warm sein. Die Flusswasser-Wärmepumpen arbeiten also in der Regel von Frühjahr bis Herbst, aber hauptsächlich in den Sommermonaten.
Kraftwerksleiter Sven Magaram hat die Anlagen zur warmen Erprobung vom Hersteller übergeben bekommen: „Wir freuen uns über die ‚frischen Fische‘ in unserem schon etwas älteren Kraftwerk, die mein Team und ich nun betreuen. Der Testbetrieb läuft erfolgreich und die ersten Ergebnisse liegen sogar über unseren Erwartungen. Wir sind gespannt darauf, ob die geplanten Betriebszeiten von etwa 3.200 Stunden pro Jahr richtig kalkuliert waren. Wir wollen jedenfalls rund die Hälfte des Sommer-Wärmebedarfs unserer Kunden mithilfe der Flusswasser-Wärmepumpen decken.“

So funktioniert es

Und wie funktioniert die Technologie, die auch für die Ingenieure der BTB Neuland bedeutet, in der Praxis? Zunächst strömt Flusswasser von der Spree in einen zum Einlaufbauwerk gehörenden Kanal ein. Zum Schutz der Fische erfolgt dies nur mit leichtem Unterdruck und entsprechenden Sicherheitsvorrichtungen. Bevor das Wasser in dem unterirdischen Kanal rund 100 Meter in die neu errichtete Wärmepumpenanlage – bestehend aus Pumpen- und Maschinenhaus – weiterfließt, wird es mehrstufig in einer Grob- und Feinrechenanlage mit automatischen Reinigungssystemen gefiltert.
Im Untergeschoss des Pumpenhauses angekommen, sammelt sich das Spreewasser in einem Becken. Tauchpumpen entnehmen daraus das Flusswasser, das für die weitere Verwendung aufbereitet wird, zum Beispiel durch Filterung kleinerer Verunreinigungen, und fördern es weiter zu den Großwärmepumpen, die sich im benachbarten Maschinenhaus befinden – dem Herzstück der gesamten Anlage.
Die Großwärmepumpen des Herstellers Friotherm entziehen dem warmen Spreewasser über Rohrbündelwärmeübertrager einen Teil ihrer Wärmeenergie. Danach wird die so gewonnene Wärmeenergie in der zweiten Stufe des Wärmepumpenverfahrens auf das benötigte Temperaturniveau des Fernwärmenetzes, also auf eine Vorlauftemperatur von über 90 Grad Celsius, angehoben. Dies geschieht durch Verdampfen und Verflüssigen von Kältemitteln und Abgabe der Phasenwechselenergie an das Heißwassersystem.
Schließlich fließt das Spreewasser, um etwa vier Grad Celsius abgekühlt, durch ein Auslaufbauwerk wieder in die Spree zurück. Das abgekühlte Wasser hat auch positive Effekte für das Ökosystem des Flusses, weil so das Sauerstoffbindungsvermögen erhöht wird.

Positive Effekte

Und das ist in puncto Nachhaltigkeit nicht der einzige positive Effekt des Wärmepumpen-Projekts, wie der bei BTB für die Fernwärme zuständige Geschäftsführer David Weiblein betont: „Mit der Umweltwärme aus der Spree leiten wir den Kohleausstieg im Heizkraftwerk Schöneweide ein, der bereits Ende 2024 erfolgen wird. Mit verschiedenen nachhaltigen Erzeugerbausteinen bauen wir den Standort dann bis 2030 zu einem hochmodernen Energiepark um. Auch wenn unsere Fernwärme schon heute einen Anteil von rund 60 Prozent an erneuerbaren Energien enthält und da­rüber hinaus auf einen KWK-Anteil in der Fernwärmeerzeugung von über 75 Prozent verweisen kann, setzen wir unsere Ausrichtung auf eine grüne Zukunft der Energieversorgung konsequent fort.“

Sebastian Matthies

Der Autor, Sebastian MatthiesSebastian Matthies ist seit zehn Jahren für die BTB Blockheizkraftwerks-, Träger- und Betreibergesellschaft mbH Berlin tätig. Nach neun Jahren im Bereich der Energiewirtschaft wechselte er vor einem Jahr in die strategische Unternehmensentwicklung mit dem Fokus auf innovative Systeme.



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