WasserstoffFlüchtige Hoffnung
Wasserstoff wird heute meist mittels Dampfreformation aus Erdgas gewonnen. Dabei fällt jede Menge CO2 an. Der Wasser erzeugende Stoff (Hydrogen) kann aber auch mittels Elektrolyse aus Strom (Power to Gas, PtG) gewonnen werden. Allerdings liegen bei diesem Verfahren die Produktionskosten etwa dreimal höher – egal, woher der Strom dafür stammt. Grünes Gas, also klimaneutraler Wasserstoff, kann mit erneuerbaren Energien gewonnen werden. Es kann Fahrzeuge antreiben oder Strom und Wärme erzeugen – und so mittels Power to X (PtX) zur Dekarbonisierung mehrerer Sektoren beitragen. Der Überschussstrom aus erneuerbaren Energien könnte für die Wasserstoffproduktion genutzt werden.
Doch der erneuerbare Strom wird hierzulande vor allem im direkten Verbrauch benötigt. Der Überschussstrom kann die geforderten Mengen auch in Zukunft nicht bereitstellen. In Deutschland wurden im Jahr 2018 gut fünf Terawattstunden (TWh) an erneuerbarem Strom abgeregelt. Das entspricht etwa 0,5 Prozent der gesamten Stromproduktion. Wollte man daraus Wasserstoff machen, erhielte man bei einem 70-prozentigen Wirkungsgrad 3,5 TWh – das wären nicht mal 0,5 Prozent des gesamten Energiebedarfs im Verkehr.
Kein einheitlicher Rechtsrahmen
Zudem benötigen Elektrolyseure rund 3.000 Arbeitsstunden, um annähernd wirtschaftlich zu funktionieren. Sporadisch zur Verfügung stehender Überschussstrom oder auch negative Strompreise an der Leipziger Strombörse EEX könnten dies nicht garantieren. Hinzu kommen noch rechtliche Hürden. „Es gibt für PtX keinen einheitlichen Rechtsrahmen, sondern nur einen Flickenteppich“, erklärt Christoph Richter, ein auf Energierecht spezialisierter Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Leipziger Prometheus Rechtsanwaltsgesellschaft. So zähle der Strom für PtX immer als normaler Verbrauch. Das Endprodukt müsse also alle Steuern und Umlagen tragen, derzeit etwa 16 Cent oder 55 Prozent des Strompreises. Nur bei der – wenig sinnvollen – Rückverstromung sei er von Netzentgelten befreit.
Deswegen widmen sich die meisten Vorhaben einer Eigenversorgung der Elektrolyseure. Das wohl spektakulärste Projekt startet derzeit im südlichen Sachsen-Anhalt. Der Erdgasgroßhändler VNG, dessen Versorgungsgebiet in etwa die ehemalige DDR umfasst, will in Bad Lauchstädt einen seiner Untergrunderdgasspeicher (UGS) auf Wasserstoff umrüsten. Dafür müssen alle Obertageeinrichtungen mit diffusions- und korrosionsdichten Materialien ausgestattet werden. Die Salzkaverne selbst sei dicht, sagen die Projektbetreiber.
Die rechtlichen Hürden will VNG einfach umgehen, indem ein am Standort errichteter und 40 Megawatt leistender Windpark nur für einen Großelektrolyseur arbeitet und nicht ans Netz angeschlossen ist. Für solche Inselanlagen werden keine staatlichen Abgaben oder Steuern fällig. Ab 2025 soll der Elektrolyseur laufen und zwar mit 3.000 bis 4.000 Betriebsstunden im Jahr.
Vorhandenes Leitungsnetz
Der produzierte Wasserstoff wird in den umgebauten UGS eingespeist und bei Bedarf geliefert. Dafür dienen Stadtgasleitungen aus DDR-Zeiten. Diese sind für den Transport von Wasserstoff geeignet, da Stadtgas damals zum größeren Anteil aus Wasserstoff und zum kleineren Teil aus Methan bestand. Auch in ein bereits vorhandenes Wasserstoffleitungsnetz der chemischen Industrie soll eingespeist werden. Die im Raum Halle-Leuna-Merseburg ansässigen Chemieunternehmen wären die ersten Kunden für den dann wirklich grün produzierten Wasserstoff.
Während in Bad Lauchstädt wohl erst in fünf Jahren Wasserstoff produziert wird, gibt es landauf, landab bereits fertige PtG-Anlagen. Die bekannteste, weil älteste, betreibt seit 2014 der Energiedienstleister Enertrag in der Nähe von Prenzlau in Brandenburg. Der dort produzierte Wasserstoff entsteht ebenfalls mithilfe einer eigenen Windkraftanlage, wird in Flaschen abgefüllt und verkauft. Genutzt wird das Gas zum Betanken von Bussen, Pkw und Sportbooten, aber auch für industrielle Prozesse. Die Deutsche Bahn ist ebenfalls Kunde.
Vor Ort verbrauchen
Es geht aber auch viele Nummern kleiner. Denn Wasserstoff kann auch direkt vor Ort, etwa in Wohnimmobilien, produziert und genutzt werden. Ein solches System hat die Firma Exytron entwickelt. Das Smart-Energy-Unternehmen, betreibt seit 2015 eine Demo-Anlage, bei der die Elektrolyse durch erneuerbaren Strom aus Wind und Sonne erfolgt. Der Wasserstoff wird in einem weiteren Schritt mit CO2 zu Methan verbunden und dann zu Heizzwecken in einem Blockheizkraftwerk verwendet. Das dabei entstehende Kohlendioxid wird für die Methanisierung genutzt. Der Prozess ist also komplett klimaneutral sowie frei von Feinstaub- und Stickoxidbildung. Die Stadtwerke Augsburg haben genau dieses System für eine Wohnanlage der städtischen Wohnungsbaugesellschaft genutzt.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai/Juni 2020 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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