Donnerstag, 7. November 2024

InterviewFlexibilitäten optimal vermarkten

[27.07.2023] Mit der automatisierten Vermarktung von Flexibilitäten können Energie­erzeuger zusätzliche Erlöse erzielen. Im stadt+werk-Interview erklärt Harald Ott, Produkt-Manager bei Verbund, wie dies mit der Lösung ­VERBUND Power Flex gelingt.
Harald Ott

Harald Ott

(Bildquelle: Verbund Energy4Business GmbH)

Herr Ott, das Energiesystem der Zukunft ist dezentral, kleinteilig und erneuerbar. Warum werden Flexibilitätsprodukte benötigt?

Der kurzfristige Flexibilitätsbedarf im Strommarkt steigt durch die Integration volatiler erneuerbarer Energien aus Wind- und Solarkraftwerken. Die Flexibilitäten werden vor allem auf der Netzebene benötigt, da die erneuerbaren Quellen überwiegend auf der unteren Netz­ebene angeschlossen sind, wo es dann zu Engpässen kommen kann, weil die eingespeiste Leistung gar nicht mehr abtransportiert werden kann. Flexibilitätslösungen bilden hier eine Brücke, um schon jetzt Integrationsmöglichkeiten zu bieten, obwohl der angestrebte Netzausbau noch nicht abgeschlossen ist. Wenn die Netze dann ausgebaut sind, können die erneuerbaren Energien optimal genutzt werden. Derzeit müssen im Redispatch 2.0 Anlagen abgeregelt werden, weil zu viel Strom im Netz ist. Wenn flexible Verbraucher am Netz sind, können sie diese heute noch überschüssige Energie zu entsprechend günstigen Preisen abnehmen.

„Um Flexibilitäten vermarkten zu können, ist ein hoher ­Automatisierungsgrad notwendig.“
VERBUND Power Flex heißt Ihre Lösung zur Flexibilitätsvermarktung. Zum Einsatz kommt beispielsweise die Kundenplattform VERBUND-Vision. Welche Aufgaben hat diese Plattform?

Um kleinteilige Flexibilitäten effizient vermarkten zu können, ist ein hoher Automatisierungsgrad notwendig. Genau das wollen wir mit unseren Lösungen erreichen. Dennoch benötigen wir zusätzliche Informationen, etwa über geplante Wartungen oder Anlagenstillstände. Dazu dient das Kommunikationsportal VERBUND-Vision. So werden uns beispielsweise Planungsdaten für Wartungen übermittelt. Unsere Kunden wiederum erhalten zeitnah die konkreten Vermarktungsergebnisse ihrer Anlagen im kurzfristigen Energiehandel. Darüber hinaus ist ein sehr leistungsfähiges Energiedaten-Management in die Plattform integriert. So können Verteilnetzbetreiber ihre Daten an uns übermitteln; und auch unsere Fernwirkdaten werden eingespeist. Damit erhalten die Kunden von uns alle wesentlichen Informationen, können aber auch eigene Berichte erstellen.

Teil der Lösung sind die Optimierungplattform Volery und der VERBUND-Power-Pool. Welche Rolle spielen sie?

Die Volery-Plattform optimiert den Anlagenbetrieb für die Spot-, Intraday- und Regelenergiemärkte. Sie verwaltet auch die Regelenergieabrufe. All dies geschieht online und automatisiert. Damit stehen alle Informationen über Speicherfüllstände, Anlagenverfügbarkeit und die entsprechenden Flexibilitäten zur Verfügung. Das heißt, man kennt die aktuelle Situation, blickt in die Zukunft und kann so die bestmöglichen Ergebnisse am Markt erzielen. Mit dem VERBUND-Power-Pool treten wir gemeinsam mit unseren Kunden als virtuelles Kraftwerk an den Regelenergiemärkten auf. Die Leistungen der einzelnen Anlagen werden gebündelt, sodass für die Übertragungsnetzbetreiber eine hohe Sicherheit besteht, dass die angebotenen Leistungen auch garantiert und abrufbar sind.

Wie können Stadtwerke mithilfe von VERBUND Power Flex handeln und davon profitieren?

In einem ersten Schritt suchen wir mit dem Kunden nach Möglichkeiten des automatisierten Einsatzes seiner Anlagen an den Energiemärkten. Insbesondere der Intraday-Markt ist von den Stadtwerken oft noch nicht erschlossen. Das Stadtwerk kann entscheiden, ob der Grad der Automatisierung eine direkte Steuerung der Anlagen erlaubt. Dann wird die Anbindung der Anlagen abgestimmt. Im nächsten Schritt wird analysiert, welche Erlöse in der Vergangenheit möglich gewesen wären. Dazu müssen wir die Grenzkosten und Anlagenrestriktionen genau kennen. Dann können wir eine Vermarkungsstrategie für den Kunden konzipieren und die möglichen Erlöse mit bisherigen Ergebnissen vergleichen. So werden die zusätzlichen Erlöspotenziale durch den automatisierten Einsatz sichtbar.

Die Flexibilitätsvermarktung läuft vollautomatisiert ab. Wie funktioniert das?

Zur Umsetzung der Flexibilitäts­vermarktung werden Rahmen­bedingungen, Preisinformationen und ein Grenzpreis für den Kauf und Verkauf von Energie benötigt. Ein Handelsalgorithmus platziert automatisiert Angebote am Markt oder kauft Angebote von anderen Anbietern. Mit unseren selbstentwickelten Fernwirkkomponenten können wir die Anlage steuern, überwachen und online auf Störungen reagieren. Wir bieten dem Kunden auch die Möglichkeit, seine Anlage jederzeit aus der Vermarktung zu nehmen, wenn plötzlich Probleme auftreten. Unsere Lösung reagiert automatisch auf Störungen und stoppt die Vermarktung, bis die Anlage wieder verfügbar ist.

Wie hoch ist der Aufwand für die Einführung und den Betrieb der Plattform?

Zunächst müssen die Kunden verstehen, wie Flexibilitätsvermarktung funktioniert. Der Aufwand, die Anlage an unsere Systeme anzuschließen, ist relativ überschaubar. Bis das Konzept für die Flexibilitätsvermarktung steht und der Vertrag unterschrieben werden kann, dauert es allerdings einige Monate. Bei unserem Geschäftsmodell verfolgen wir das Prinzip, dass der Kunde möglichst geringe Fixkosten hat, das heißt, wir erheben nur eine Servicegebühr und profitieren ansonsten von den Optimierungsergebnissen.

Kann die Flexibilitätsvermarktung auch dazu beitragen, die Energiekos­ten für Unternehmen und Verbraucher zu senken?

Ja. Als beispielsweise die Strompreise im vergangenen Jahr sehr hoch waren, konnten Kunden mit Power-to-Heat-Anlagen aus überschüssiger Energie viel Wärme erzeugen und so erhebliche Kosten einsparen.

Wie wirkt sich die Flexibilitätsvermarktung auf den Netzausbau aus und wie wird sich das Energiesystem weiterentwickeln?

Die Flexibilitätsvermarktung wird den Netzausbau nicht überflüssig machen, allenfalls lokal für Entlastung sorgen. Wichtig ist, dass Speichermöglichkeiten geschaffen werden. Während in Österreich und der Schweiz viele Pumpspeicher in Betrieb sind, werden in Deutschland andere stationäre Speicher benötigt. Hier sehen wir ein dynamisches Wachstum bei Batteriespeichern. Mit der Elektromobilität oder der Wasserstofferzeugung kommen neue Flexibilitäten auf den Markt, die integriert werden müssen. Bei Haushalten und Kleinstanlagen erwarte ich eher eine Art Selbst­optimierung, die durch Anreize angestoßen werden kann. Es wird eine spannende Frage sein, ob es gelingt, solche Gemeinschaften zu bilden und in das Energiesystem zu integrieren.

Interview: Alexander Schaeff

Im Interview, Harald OttAls Produkt-Manager bei VERBUND Energy4Business ist Harald Ott verantwortlich für die Vermarktung von Flexibilitäten aus Anlagen von Industrieunternehmen, Versorgern und Ökostromproduzenten über das virtuelle Energiesystem von VERBUND. Zuvor war Harald Ott als Controller bei VERBUND Trading tätig.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Informationstechnik
Das Bild zeigt ein blau hinterleuchtetes SAP-Logo in einer schwarzen Wabe.
bericht

cortility: IT-Ausblick für 2025

[04.11.2024] Ab 2025 müssen sich die Energieversorger der Herausforderung des Lieferantenwechsels innerhalb von 24 Stunden stellen. Zudem werden dynamische Tarife und zeitvariable Netzentgelte eingeführt – und die Migration auf SAP S/4 HANA steht an. Was bedeutet das für die Prozesse im Stadtwerk? Ein Ausblick des IT-Dienstleisters cortility. mehr...

WAGO: Lösungen für Cybersecurity

[29.10.2024] Unter dem Motto „OPEN. For Smart Industry Solutions“ präsentiert WAGO auf der SPS – Smart Production Solutions in Nürnberg seine neuesten Entwicklungen aus den Bereichen OT-Security und Energiemanagement. mehr...

Somentec: Start einer AS4-Komplettlösung für den Gasmarkt

[28.10.2024] Somentec bringt gemeinsam mit SHERPA-X eine AS4-Komplettlösung für den Gasmarkt auf den Weg. Die praxiserprobte Plattform, die für den sicheren Austausch von B2B-Nachrichten entwickelt wurde, steht Gasversorgern ab sofort zur Verfügung und wird ab dem 1. April 2025 für alle Marktteilnehmer verbindlich. mehr...

Die Aufgabe von SAP Basis ist es

Support: Externe Unterstützung

[14.10.2024] Das IT-Haus cortility bietet Unternehmen der Energiewirtschaft das Dienstleistungspaket SAP Basis Support an. Das Spektrum reicht dabei von der temporären Unterstützung des Kundenteams bis zur Übernahme der Gesamtverantwortung. mehr...

SHERPA-X: AS4-Lösung für den Gasmarkt

[02.10.2024] Im deutschen Gasmarkt startet die Kommunikation über den AS4-Standard. SHERPA-X bietet den Marktteilnehmern mit einer End-to-End-Lösung umfassende Unterstützung, um die Umstellung schnell und effizient zu gestalten. mehr...

SachsenEnergie: GISA unterstützt bei SAP-Systemen

[01.10.2024] Der IT-Dienstleister GISA unterstützt SachsenEnergie bei der Betreuung ihrer SAP IS-U Systeme. Ziel ist es, den Fachbereich von Transformationsprojekten zu entlasten und Prozesse wie Kundenservice, Abrechnung und Marktkommunikation zu optimieren. mehr...

Mit der neue Aus- und Weiterbildungsplattform von Wilken können sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Stadtwerken und Energieversorgern weiterbilden.

Wilken Software Group: Online-Plattform zur Weiterbildung

[01.10.2024] Die Wilken Software Group hat eine neue Aus- und Weiterbildungsplattform für Fachkräfte und Anwender in der Versorgungswirtschaft gestartet. Das Angebot soll Unternehmen dabei unterstützen, sich angesichts steigender Marktanforderungen und des Fachkräftemangels auf regulatorische Veränderungen vorzubereiten. mehr...

SAP will digitale Souveränität stärken und investiert in sichere Cloudlösungen für den öffentlichen Sektor.

SAP: Milliarden für sichere Cloudlösungen

[20.09.2024] In den kommenden zehn Jahren will SAP mehr als zwei Milliarden Euro in die Entwicklung hochsicherer Cloudlösungen für den öffentlichen Sektor und stark regulierte Branchen investieren. mehr...

GISA: BI-Angebot erweitert

[09.09.2024] Der IT-Dienstleister GISA verstärkt sein Angebot im Bereich Business Intelligence (BI). Neben SAP-Lösungen bietet das Unternehmen nun auch BI-Beratung und -Implementierung für Microsoft Power BI, MicroStrategy und Open Source-Technologien an. mehr...

Griechenlands größter Stromversorger PPC setzt auf Kisters-Lösung für Prognose und Beschaffungsvorbereitung.

Kisters: Lösung für griechischen Versorger

[30.08.2024] Die Public Power Corporation (PPC), der größte Energieversorger Griechenlands, hat IT-Lösungen von Kisters implementiert, um seine Handels- und Beschaffungsstrategien auf den Strommärkten zu optimieren. mehr...

Vertragsunterzeichnung: Drei Stadtwerke wollen eine gemeinsame ERP-Plattform einführen.

Saarland: Drei Stadtwerke, eine Plattform

[28.08.2024] Die Stadtwerke Saarlouis, Völklingen und Neunkirchen haben einen Kooperationsvertrag zur Einführung einer gemeinsamen ERP-Plattform unterzeichnet. Ziel ist es, Geschäftsprozesse zu optimieren und flexibler auf Kundenwünsche reagieren zu können. mehr...

Vorstellung der neuen Glasfaser-Ausbaugebiete in Osnabrück.

Osnabrück: Halbzeit beim Glasfaserausbau

[23.08.2024] Für den Glasfaserausbau in Osnabrück ist Halbzeit. Zeit, die Ausbaugebiete für 2025 vorzustellen. mehr...

Steve Pater
interview

ITC AG: Einschätzung zu GEG-Vorgaben

[16.08.2024] Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) bringt ab 2025 neue energetische Anforderungen für Eigentümer von Nichtwohngebäuden, die Energiemanagement, digitales Monitoring und Gebäudeautomation betreffen. Im Interview gibt Steve Pater, Senior Technical Consultant und IT-Projektleiter bei der ITC AG, dazu seine Einschätzung. mehr...

Maximale Transparenz und Kostenkontrolle über Stromkosten und -verbrauch ist per Entega-App möglich.

Entega: App für Ökostrom

[15.08.2024] Transparenz und Kontrolle über die Stromkosten bietet Entega mit einer neuen App für Öko-Tarife. mehr...

In ihrem ISO-zertifizierten Rechenzentrum betreiben die Stadtwerke Schwäbisch Hall das Hardware-Sicherheitsmodul.
bericht

Stadtwerke Schwäbisch Hall: Rechtzeitige Umsetzung

[05.08.2024] Für ihre Kunden konnten das Unternehmen Somentec und seine Muttergesellschaft, die Stadtwerke Schwäbisch Hall, rechtzeitig ihre eigene AS4-Lösung anbieten. Auch für die nun anstehenden Etappen Bilanzkreisverantwortlicher und Gas sieht man sich gerüstet. mehr...