Donnerstag, 21. November 2024

FinanzierungFlexibel finanzieren

[03.02.2016] Viele Stadtwerke können die Investitionen in zukunftsfähige Versorgungsstrukturen nicht mehr selbst aufbringen. Als Alternative zum klassischen Bankkredit bieten sich Finanzierungslösungen an, welche die Liquidität schonen und die Kreditwürdigkeit erhalten.
Alternative Finanzierungslösungen schonen die Liquidität und erhalten die Kreditwürdigkeit von Stadtwerken.

Alternative Finanzierungslösungen schonen die Liquidität und erhalten die Kreditwürdigkeit von Stadtwerken.

(Bildquelle: MEV Verlag/creativ collection Verlag/PEAK Agentur für Kommunikation)

Der Wettbewerbsdruck im Energieversorgungsmarkt nimmt weiter zu und führt zu stärkeren Schwankungen bei Preisen und Absatzmengen – mit negativen Auswirkungen auf die finanzielle Situation vieler Stadtwerke. Darüber hinaus belasten oft die klassischen kommunalen Dienstleistungen, wie der öffentliche Personennahverkehr oder der Bäderbetrieb, das Budget zusätzlich. Das macht es vielen Stadtwerken noch schwerer, dringend notwendige Technologie-Upgrades durchzuführen oder Neuanschaffungen zu realisieren. Wie eine repräsentative Umfrage unter Geschäftsführern und Vorständen von Stadtwerken und Energieversorgern in Deutschland zeigt, sind zu geringe Innovationsbudgets einer der Hauptgründe, die die Umsetzung von Investitionen verhindern. Laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) kann die Mehrheit aller Energieversorger (60 Prozent) die anstehenden Investitionen nicht mehr selbst bezahlen. Jedes fünfte Unternehmen droht aufgrund zu hoher Verschuldung seine Finanzierungsfähigkeit zu verlieren. Das hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Liquidität und somit die Durchführbarkeit dringend notwendiger Upgrades und Neuanschaffungen.
Bei der Finanzierung von Investitionen stützen Stadtwerke sich immer noch überwiegend auf klassische Bankkredite. Wenn die Unternehmen ihre Finanzierungsquellen künftig jedoch stärker diversifizieren, könnten sie damit nicht nur möglichen Liquiditätsengpässen durch strengere Kreditvergaberichtlinien im Zuge von Basel III entgegenwirken. Equipment-Finanzierungen wie Leasing oder Mietkauf helfen dabei, den vielfältigen Investitionserfordernissen leichter und flexibler zu begegnen. So muss beispielsweise der Investitionsbetrag nicht auf einmal aufgewendet werden, sondern wird über die Vertragslaufzeit hinweg über die Ratenzahlungen beglichen.

Finanzierungskosten verlässlich planen

Außerdem können alternative Finanzierungen hinsichtlich Laufzeit, Frequenz und Höhe in der Regel projektspezifisch angepasst werden. Einige Modelle beziehen zudem die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO) oder die Leistung der finanzierten Technologien in die Berechnung anfallender Raten mit ein. Mögliche Folgeinvestitionen können damit oft von Anfang an berücksichtigt werden. Da bei solchen Lösungen die Raten zu Vertragsbeginn vereinbart werden, bleibt die Höhe der Zahlungen über den Finanzierungszeitraum von möglichen Zinsschwankungen unbeeinflusst. So können Unternehmen die Finanzierungskosten verlässlich planen und flexibel auf Änderungen und neue Herausforderungen reagieren. Nicht zuletzt schonen Stadtwerke durch den Einsatz alternativer Finanzierungslösungen die Kreditlinien bei den Hausbanken und sichern langfristig ihre Kreditwürdigkeit. Bei der Anschaffung von Technologien mit kurzen Innovationszyklen, wie zum Beispiel IT-Systemen, kann es vorteilhaft sein, wenn Unternehmen sich nicht langfristig an ein Produkt binden müssen, das möglicherweise in naher Zukunft überholt ist. Mithilfe von Leasing-Vereinbarungen können Stadtwerke Equipment erwerben und gleichzeitig flexibel bleiben, um auf technische Innovationen und veränderte Anforderungen reagieren zu können. Werden verfügbare Upgrades zeitnah durchgeführt, können dadurch oft beträchtliche Einsparungen erzielt werden. Studien zeigen, dass beispielsweise das Leasing von IT-Systemen und deren Ersatz alle drei bis vier Jahre die Gesamtkosten eines Systems um 25 Prozent reduziert. Das liegt daran, dass Support-Kosten und Ausfallzeiten nach vier Jahren in der Regel stark zunehmen.

Kündbarer Leasing-Vertrag

Diese Möglichkeit zum Upgrade bietet beispielsweise ein kündbarer Leasing-Vertrag. Bei dieser Lösung kann ein Teil oder das gesamte Leasing-Volumen zum Ende der Mindestlaufzeit oder zu vertraglich festgelegten Terminen gekündigt werden. Der Leasing-Nehmer deckt dann den noch ausstehenden Betrag durch eine Abstandszahlung. Ergänzungen und Erweiterungen des Leasing-Vertrags sind in der Regel ebenfalls möglich. Wenn jedoch die Option des späteren Eigentumserwerbs nach Ablauf der Grundmietzeit eingeräumt werden soll, bietet sich eine Leasing-Vereinbarung mit Kaufrecht an. Über den tatsächlichen Erwerb des Equipments entscheidet der Leasing-Nehmer dabei erst eine gewisse Zeit vor Ende der Vertragslaufzeit. Auch solche Vereinbarungen können verlängert werden, sodass der Kunde mehrere Handlungsoptionen zur Auswahl hat. Im Rahmen so genannter Operating-Lease-Verträge wiederum erwirbt der Leasing-Nehmer lediglich das vorübergehende Nutzungsrecht an einem Objekt oder einer Technologie. Solche Vereinbarungen umfassen oft auch die Option für technische Aufrüstungen mit individuell bestimmbaren Migrations- und Austauschphasen.
Wenn eine Technologie oder Anlage als Eigentum erworben werden soll, die Anschaffung jedoch nicht aus dem laufenden Budget gedeckt werden kann, ist Mietkauf ein passendes Finanzierungsmodell. Bereits mit Vertragsabschluss wird dem Mietkäufer das Investitionsobjekt wirtschaftlich zugerechnet. Sobald der Kunde die letzte Rate beglichen hat, geht auch das zivilrechtliche Eigentum automatisch auf ihn über.

Stadtwerke setzen auf Mietkauf

Auf eine solche Lösung setzten zum Beispiel die Stadtwerke Schwerin bei der Modernisierung der Energieversorgungssysteme. Bei der Anschaffung einer Mittelspannungsanlage und entsprechender Energieverteilungstechnik legte das Unternehmen angesichts der Volatilität der Kapitalmärkte besonderen Wert auf den Erhalt finanzieller Liquidität. Darüber hinaus sollte die Realisierbarkeit notwendiger Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen im nach wie vor schwierigen Umfeld an den Finanzmärkten sichergestellt werden. Die Stadtwerke Schwerin entschieden sich für eine Finanzierung durch Mietkauf und schonten so Investitionskapital. Auch die Energieversorgung Cottbus (EVC), die Netzgesellschaft der Stadtwerke Cottbus, setzte beim Kauf eines Trafo für das neue Umspannwerk auf eine solche Vereinbarung. Mit der Investition reagierte das Unternehmen auf die erhöhten Anforderungen zunehmend dezentraler Energieerzeugung. Denn in das Cottbuser Versorgungsnetz fließt immer mehr Strom, der mithilfe regenerativer Energiequellen erzeugt wird. Der Bau des Umspannwerks wurde notwendig, um angesichts großer Einspeisemengen die Versorgungsstabilität zu garantieren. Der Trafo, der im Mai 2014 geliefert wurde, transformiert die Spannung von 20 auf 110 Kilovolt und verfügt über eine Leistung von 40 Kilovoltampere. Die EVC entschied sich für ein klassisches Mietkaufmodell mit einer Laufzeit von 96 Monaten. Da der Trafo von Anfang an wirtschaftlich dem Unternehmen zugerechnet wird, können die Abschreibungs- und Finanzierungskosten vollständig in das geschätzte Netzentgelt einbezogen werden – und das bei budgetfreundlichen Raten.

#titel+ Modernisieren mit Contracting #titel-

Doch nicht nur beim Netzbetrieb können durch den Einsatz modernster Technologien Einsparungen realisiert werden. Auch in öffentlichen Gebäuden sind oft erhebliche Effizienzsteigerungen möglich. Hier verursachen veraltete technische Anlagen oft einen zu hohen Energieverbrauch. Gemäß Untersuchungen der Deutschen Energie-Agentur (dena) kann der Energieverbrauch im deutschen Gebäudebestand durch fachgerechtes Modernisieren um bis zu 76 Prozent reduziert werden. Abhilfe schafft in diesen Fällen eine umfangreiche energetische Gebäudemodernisierung. Mithilfe von Energiespar-Contracting ist das ohne Investitionskosten möglich. Diese werden stattdessen aus den eingesparten Energiekosten bestritten. Die möglichen Einsparpotenziale werden vor Vertragsabschluss berechnet. Mit der Fertigstellung setzt die Effizienzgarantie ein, mit der die vorab bestimmten Einsparungen sichergestellt werden. Nach Abschluss der Laufzeit profitieren die Kunden zu 100 Prozent von den reduzierten Betriebskosten. Ein solches Finanzierungsmodell nutzte beispielsweise die Bäderbetriebsgesellschaft der niedersächsischen Samtgemeinde Am Dobrock, um das Hallen- und Freibad in Wingst zu sanieren. Die in die Jahre gekommene technische Einrichtung wurde durch aktuelle Technik von der Beleuchtung über Lüftung und Kraft-Wärme-Kopplung bis hin zu Energie-Controlling und -monitoring neu ausgestattet. Dank eines maßgeschneiderten Finanzierungskonzepts konnte das Sanierungsprojekt innerhalb von drei Jahren umgesetzt werden. Seit Inbetriebnahme der Anlage zeigte sich schnell eine positive Veränderung der Energiekosten. So spart die Bäderbetriebsgesellschaft jetzt 58 Prozent Energie, davon 75 Prozent Strom und 21 Prozent Wärme. Gleichzeitig reduzierten sich Wartungs- und Bedienungsaufwand. Die jährliche Gesamtersparnis beträgt rund 35.000 Euro und fließt in die Finanzierungsraten des Sanierungsprojekts ein.

Intelligente Finanzierung

Umfangreiche Investitionen sind notwendig, um den Anforderungen der Energiewende in den Bereichen Erzeugung, Netz-Management und Energieeffizienz entsprechen zu können und so die Nachhaltigkeit der Versorgung auf lange Sicht zu sichern. Dabei zeigen die genannten Beispiele, dass Stadtwerke von einer stärkeren Diversifizierung ihrer Finanzierungsquellen profitieren können. Modernste Technologien bieten vielfältige Möglichkeiten, die Versorgungslandschaft bereits heute zukunftsfähig zu gestalten – doch nur dann, wenn sie weitreichend zum Einsatz kommen. Intelligente Finanzierungslösungen können Stadtwerken dabei helfen, dieses Potenzial auf finanziell verträgliche Weise auszuschöpfen.

Kai-Otto Landwehr ist Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services (SFS) in Deutschland und Geschäftsführer der Siemens Finance & Leasing GmbH. Bevor er im Jahr 2001 zu SFS wechselte war er unter anderem als Leiter Relationship Management für GE Capital tätig.




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