Montag, 23. Dezember 2024

Kraftwerk HöllensteinseeFischen wandern helfen

[13.08.2014] Für den Weiterbetrieb ihrer Wasserkraftwerke musste die Kraftwerk am Höllenstein AG einige Auflagen erfüllen und etwa Fischwanderhilfen installieren. Die eigenentwickelte Schleusenlösung ist ökologisch und wirtschaftlich – und wird auch für die Stromerzeugung genutzt.
Kraftwerk am Höllenstein: Seit 1926 wird hier Strom aus Wasserkraft produziert.

Kraftwerk am Höllenstein: Seit 1926 wird hier Strom aus Wasserkraft produziert.

(Bildquelle: Stadtwerke Straubing)

Die Kraftwerk am Höllenstein AG erzeugt im Kraftwerk Höllensteinsee seit dem Jahr 1926 und im Ausgleichswerk Pulling seit dem Jahr 1963 Strom. Nach einem langjährigen Genehmigungsverfahren wurde 2009 der Betrieb der Kraftwerke an dem bayerischen Fluss Schwarzer Regen für weitere 30 Jahre bewilligt. Eine Auflage dabei lautete, die Durchgängigkeit bei den beiden Anlagen wiederherzustellen. Diese Auflage leitet sich aus der europäischen Wasserrahmenrichtlinie ab. Demnach sollen bis zum Jahr 2015, jedoch spätestens bis 2027, alle europäischen Binnengewässer einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen. Die Durchgängigkeit der Gewässer wird dabei als wichtiger Baustein angesehen. Allerdings fällt in Deutschland rund die Hälfte aller Gewässer unter eine Ausnahmeregelung, weil für sie die Erreichung eines naturnahen Zustands als unmöglich gilt.

Fischtreppe nicht möglich

Am Kraftwerk Pulling konnte bereits im Oktober 2011 eine Fischwanderhilfe in Betrieb genommen werden. Diese wurde als 195 Meter langer Schlitzpass am linken Ufer des Regens ausgeführt. Bei dieser weltweit erprobten technischen Variante für eine Fischtreppe wird der gesamte Höhenunterschied vom Ober- zum Unterwasser von etwa 6,5 Metern über 46 einzelne Becken abgetragen.
Für das Kraftwerk am Höllenstein konnte man auf dieses Konzept nicht zurückgreifen. Hier handelt es sich zwar auch um eine so genannte große Talsperre, allerdings mit einer gut 19 Meter hohen Staumauer, einem Speichervolumen von 1,4 Millionen Kubikmetern und einem Höhenunterschied von zwölf Metern zwischen Ober- und Unterlauf. Eine konventionelle Fischtreppe wie in Pulling wäre damit rund 300 Meter lang geworden und hätte in einen extrem felsigen Uferbereich eingebracht werden müssen.
Ein seit 1925 vorhandener, aber nicht benötigter zweiter Grundablasskanal unter dem Kraftwerksgebäude brachte die Lösung: Eine Fischwanderhilfe in Form einer Druckkammerschleuse. In den Grundablasskanal wurde eine geschlossene Druckkammerfischschleuse mit Oberwasser- und Unterwasserschott für den Fischein- und -ausstieg sowie einer Einlauf- und einer Entnahmeöffnung für das Betriebswasser eingebaut. Für Druckaufbau und -entlastung wurden separate Zu- und Ablassschieber installiert. Unterwasserseitig entstand durch den Einbau einer Strömungsleitwand zwischen den Auslauftrennpfeilern ein Einstiegsbecken.

Lockströmung zur Schleusenkammer

Wanderwillige Fische werden durch eine Lockströmung in die Schleusenkammer gelotst. In variabel einstellbaren Zeitintervallen wird das unterwasserseitige Einstiegsschott geschlossen und in der Schleusenkammer mittels Schieber der Oberwasserdruck aufgebaut. Herrscht in der Schleusenkammer der gleiche Druck wie im Oberwasser, wird das oberwasserseitige Schott geöffnet. Durch einen einstellbaren Abfluss aus der Schleusenkammer entsteht erneut eine Lockströmung, welche die Fische zum Ausschwimmen ins Oberwasser animiert. Anschließend wird der Fischausstieg – das Oberwasserschott – geschlossen und der Unterwasserdruck wiederhergestellt. Bei Druckgleichheit wird das Unterwasserschott geöffnet und die Einschwimmphase kann von Neuem beginnen.
Die Idee, eine Druckkammerschleuse als Wanderhilfe für Fische zu nutzen, ist nicht neu. Der Clou an der eigenentwickelten Lösung für das Kraftwerk Höllenstein ist jedoch die energetische Nutzung der Fischschleuse. Für den Betrieb der Schleuse werden etwa 500 Liter Wasser in der Sekunde benötigt, das nicht mehr für die Stromerzeugung zur Verfügung steht. Durch ein ausgeklügeltes Rohrsystem und den Einbau eines Turbinenaggregats kann auch dieses Wasser für die Stromerzeugung genutzt werden und verbindet damit Ökologie und Wirtschaftlichkeit in idealer Weise. Das neue Verfahren, dessen Entwicklung vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie gefördert wurde, wurde mittlerweile patentiert. Der Antrag für das europäische Patent läuft.Seit dem Frühjahr 2014 wird zudem die fischereiökologische Wirksamkeit der Lösung untersucht. Das Monitoring-Programm wird vom bayerischen Umweltministerium begleitet und gefördert. Die ersten Ergebnisse sind positiv. In der Schleuse wurden Fische verschiedenster Art und Größe gesichtet. Nun kann die Feinabstimmung in Angriff genommen werden – ein weiterer Vorteil der neuartigen Lösung. Denn im Gegensatz zu einem festen Bauwerk wie einer Fischtreppe, kann hier auch nach der Fertigstellung noch variiert werden, können etwa Zeitintervalle, Lockströmung oder Druckausgleich den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Mit der Fertigstellung der Fischwanderhilfen sind alle Auflagen des Genehmigungbescheids erfüllt und der Weiterbetrieb der Kraftwerk am Höllenstein AG gesichert.

Helmut Kruczek

Kruczek, HelmutHelmut Kruczek leitet seit dem Jahr 2000 als Vorstand die Kraftwerk am Höllenstein AG. Außerdem ist er Geschäftsführer der Stadtwerke Straubing GmbH sowie der Stadtwerke Straubing Strom und Gas GmbH. Der Stadtwerke-Konzern beschäftigt insgesamt 170 Mitarbeiter und erzielte 2013 einen Jahresumsatz von circa 78,6 Millionen Euro.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Wasserkraft
BDW: Wasserkraft ist eine zuverlässige und regelbare Energiequelle.

Strommarktdesign: BDW fordert Wasserkraftstrategie

[27.09.2024] Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) appelliert an die Bundesregierung, die Potenziale der Wasserkraft stärker zu nutzen und fordert eine umfassende Wasserkraftstrategie, um ungenutzte Kapazitäten zu erschließen. mehr...

Die zweite Power-to-Gas-Anlage von naturenergie in Grenzach-Wyhlen entsteht neben der ersten Anlage aus dem Jahr 2018.

Grenzach-Wyhlen: Spatenstich für Power-to-Gas-Anlage

[17.06.2024] Der Bau einer zweiten Power-to-Gas-Anlage am Wasserkraftwerk Wyhlen hat begonnen, um die Produktion von grünem Wasserstoff bis Ende 2025 um fünf Megawatt zu erweitern. Dieses Projekt ist Teil des staatlich geförderten Reallabors H2-Wyhlen und wird mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. mehr...

Das Thesenpapier zeigt

Niedersachsen: Thesenpapier zur kleinen Wasserkraft

[11.06.2024] In einem Thesenpapier hat das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz jetzt die kleine Wasserkraft kritisiert. Angesichts der ökologischen Schäden ist sie oft nicht sinnvoll. mehr...

In diesem Winter liefen Wasserkraftwerke unter Volllast.

Branchenverbände: Mehr Wasserkraft im Winter

[29.04.2024] Die bayerischen Wasserkraftverbände prognostizieren einen Anstieg der Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund vermehrter Niederschläge in den Wintermonaten. Dies stärkt die Rolle der Wasserkraftwerke für die Energiewende und die Netzstabilität. mehr...

Laut einer Studie kann Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung spielen.

Bayern: Flusswärme als Heizquelle

[26.04.2024] Eine neue Studie zeigt, dass Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung und den Klimaschutz spielen kann. Mindestens die Hälfte der bayerischen Städte und Gemeinden könnte ihre Gebäude damit beheizen. mehr...

Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergeben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft.
bericht

Wasserkraft: Unterschätzte Wärmequelle

[25.03.2024] Die flächendeckend in Deutschland zur Verfügung stehenden Fließgewässer bergen ein bislang wenig beachtetes Potenzial für die grüne Wärmegewinnung. Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergäben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft. mehr...

Die Modernisierung und Reaktivierung von Wasserkraftwerken könnte eine zusätzliche Leistung von 7

Studie: Wasserkraft als Gamechanger

[25.03.2024] Die Energy Watch Group stellt eine Studie vor, die Wasserkraftwerke als zentrale Kraft im Kampf gegen den Klimawandel sieht. Das Potenzial zur Energieerzeugung liegt bei über sieben Gigawatt. mehr...

Die bestehende Schwarzenbachtalsperre wird um eine unterirdische Kaverne ergänzt.
bericht

Pumpspeicher: Starkes Leistungsplus aus Forbach

[07.11.2023] Seit über 100 Jahren erzeugt das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach mit Wasserkraft Energie. Nun wird der Standort zum leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerk ausgebaut. Da Technik und Speicher in Kavernen verlagert werden, sind die Auswirkungen auf die Umgebung gering. mehr...

Referenten und Verbandsvertreter der Wasserkraft auf dem Wasserkraftseminar 2023 an der TUM Straubing.

Bayern: Wasserkraft mit viel Potenzial

[19.10.2023] Unterschätzte Potenziale der Wasserkraft wurden auf dem diesjährigen Seminar der beiden bayerischen Fachverbände aufgespürt. mehr...

Das 26. Internationale Anwenderforum Kleinwasserkraft findet vom 28. bis 29. September 2023 an der Technischen Hochschule Rosenheim statt.

Anwenderforum Kleinwasserkrafte: Praxisorientierter Austausch

[05.09.2023] Beim diesjährigen Anwenderforum Kleinwasserkraft stehen unter anderem die Themen Cyber-Sicherheit, Planung und Finanzierung von Kleinwasserkraftwerken im Mittelpunkt. Die Veranstaltung findet am 28. und 29. September in Rosenheim statt. mehr...

Das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach erzeugt seit rund 100 Jahren Strom aus Wasserkraft.

EnBW: 280 Millionen für Wasserkraft

[19.05.2023] Das Unternehmen EnBW investiert jetzt in den Um- und Ausbau des Rudolf-Fettweis-Werks in Forbach. mehr...

Als BlueBattery-Standort kann das Wasserkraftwerk Wallsee-Mitterkirchen auch Primärregelleistung liefern.
bericht

Wasserkraft: Grünstrom und Primärregelleistung

[25.04.2023] Im Wasserkraftwerk Wallsee-Mitterkirchen ist die mit Abstand größte Kraftwerksbatterie Österreichs verbaut. Als so genannter BlueBattery-Standort liefert es nun nicht mehr nur Strom, sondern kann auch kurzfristig Primärregelleistung zur Verfügung stellen. mehr...

Traditionelle Standorte wie das Jugendstil-Kraftwerk Heimbach können bis heute wertvolle Energie aus Wasserkraft liefern.
bericht

Wasserkraft: Potenziale naturverträglich nutzen

[04.04.2023] In Nordrhein-Westfalen könnte aus der Wasserkraft noch mehr Energie erzeugt werden. Bestehende Anlagen sollten modernisiert und an vorhandenen Staustufen neue Kraftwerke errichtet werden. Hemmnisse und Hürden erschweren aber entsprechende Vorhaben bis hin zur Aufgabe. mehr...

Das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach soll ausgebaut werden.

EnBW: Wasserkraftwerk kann erweitert werden

[16.03.2023] Das Laufwasser- und Speicherkraftwerk in Forbach im Schwarzwald soll umgebaut und erweitert werden. Dafür hat EnBW jetzt die behördliche Genehmigung erhalten. mehr...

Wasserkraft: Potenziale rechtlich neu bewertet

[15.03.2023] Ein vom Wasserkraftverband Mitteldeutschland in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die neuen Gewichtungsvorgaben nach § 2 EEG 2023 bei allen behördlichen Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Dies würde einen erheblichen Schub für Wasserkraftprojekte bedeuten. mehr...