Samstag, 19. April 2025

Kraftwerk HöllensteinseeFischen wandern helfen

[13.08.2014] Für den Weiterbetrieb ihrer Wasserkraftwerke musste die Kraftwerk am Höllenstein AG einige Auflagen erfüllen und etwa Fischwanderhilfen installieren. Die eigenentwickelte Schleusenlösung ist ökologisch und wirtschaftlich – und wird auch für die Stromerzeugung genutzt.
Kraftwerk am Höllenstein: Seit 1926 wird hier Strom aus Wasserkraft produziert.

Kraftwerk am Höllenstein: Seit 1926 wird hier Strom aus Wasserkraft produziert.

(Bildquelle: Stadtwerke Straubing)

Die Kraftwerk am Höllenstein AG erzeugt im Kraftwerk Höllensteinsee seit dem Jahr 1926 und im Ausgleichswerk Pulling seit dem Jahr 1963 Strom. Nach einem langjährigen Genehmigungsverfahren wurde 2009 der Betrieb der Kraftwerke an dem bayerischen Fluss Schwarzer Regen für weitere 30 Jahre bewilligt. Eine Auflage dabei lautete, die Durchgängigkeit bei den beiden Anlagen wiederherzustellen. Diese Auflage leitet sich aus der europäischen Wasserrahmenrichtlinie ab. Demnach sollen bis zum Jahr 2015, jedoch spätestens bis 2027, alle europäischen Binnengewässer einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen. Die Durchgängigkeit der Gewässer wird dabei als wichtiger Baustein angesehen. Allerdings fällt in Deutschland rund die Hälfte aller Gewässer unter eine Ausnahmeregelung, weil für sie die Erreichung eines naturnahen Zustands als unmöglich gilt.

Fischtreppe nicht möglich

Am Kraftwerk Pulling konnte bereits im Oktober 2011 eine Fischwanderhilfe in Betrieb genommen werden. Diese wurde als 195 Meter langer Schlitzpass am linken Ufer des Regens ausgeführt. Bei dieser weltweit erprobten technischen Variante für eine Fischtreppe wird der gesamte Höhenunterschied vom Ober- zum Unterwasser von etwa 6,5 Metern über 46 einzelne Becken abgetragen.
Für das Kraftwerk am Höllenstein konnte man auf dieses Konzept nicht zurückgreifen. Hier handelt es sich zwar auch um eine so genannte große Talsperre, allerdings mit einer gut 19 Meter hohen Staumauer, einem Speichervolumen von 1,4 Millionen Kubikmetern und einem Höhenunterschied von zwölf Metern zwischen Ober- und Unterlauf. Eine konventionelle Fischtreppe wie in Pulling wäre damit rund 300 Meter lang geworden und hätte in einen extrem felsigen Uferbereich eingebracht werden müssen.
Ein seit 1925 vorhandener, aber nicht benötigter zweiter Grundablasskanal unter dem Kraftwerksgebäude brachte die Lösung: Eine Fischwanderhilfe in Form einer Druckkammerschleuse. In den Grundablasskanal wurde eine geschlossene Druckkammerfischschleuse mit Oberwasser- und Unterwasserschott für den Fischein- und -ausstieg sowie einer Einlauf- und einer Entnahmeöffnung für das Betriebswasser eingebaut. Für Druckaufbau und -entlastung wurden separate Zu- und Ablassschieber installiert. Unterwasserseitig entstand durch den Einbau einer Strömungsleitwand zwischen den Auslauftrennpfeilern ein Einstiegsbecken.

Lockströmung zur Schleusenkammer

Wanderwillige Fische werden durch eine Lockströmung in die Schleusenkammer gelotst. In variabel einstellbaren Zeitintervallen wird das unterwasserseitige Einstiegsschott geschlossen und in der Schleusenkammer mittels Schieber der Oberwasserdruck aufgebaut. Herrscht in der Schleusenkammer der gleiche Druck wie im Oberwasser, wird das oberwasserseitige Schott geöffnet. Durch einen einstellbaren Abfluss aus der Schleusenkammer entsteht erneut eine Lockströmung, welche die Fische zum Ausschwimmen ins Oberwasser animiert. Anschließend wird der Fischausstieg – das Oberwasserschott – geschlossen und der Unterwasserdruck wiederhergestellt. Bei Druckgleichheit wird das Unterwasserschott geöffnet und die Einschwimmphase kann von Neuem beginnen.
Die Idee, eine Druckkammerschleuse als Wanderhilfe für Fische zu nutzen, ist nicht neu. Der Clou an der eigenentwickelten Lösung für das Kraftwerk Höllenstein ist jedoch die energetische Nutzung der Fischschleuse. Für den Betrieb der Schleuse werden etwa 500 Liter Wasser in der Sekunde benötigt, das nicht mehr für die Stromerzeugung zur Verfügung steht. Durch ein ausgeklügeltes Rohrsystem und den Einbau eines Turbinenaggregats kann auch dieses Wasser für die Stromerzeugung genutzt werden und verbindet damit Ökologie und Wirtschaftlichkeit in idealer Weise. Das neue Verfahren, dessen Entwicklung vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie gefördert wurde, wurde mittlerweile patentiert. Der Antrag für das europäische Patent läuft.Seit dem Frühjahr 2014 wird zudem die fischereiökologische Wirksamkeit der Lösung untersucht. Das Monitoring-Programm wird vom bayerischen Umweltministerium begleitet und gefördert. Die ersten Ergebnisse sind positiv. In der Schleuse wurden Fische verschiedenster Art und Größe gesichtet. Nun kann die Feinabstimmung in Angriff genommen werden – ein weiterer Vorteil der neuartigen Lösung. Denn im Gegensatz zu einem festen Bauwerk wie einer Fischtreppe, kann hier auch nach der Fertigstellung noch variiert werden, können etwa Zeitintervalle, Lockströmung oder Druckausgleich den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Mit der Fertigstellung der Fischwanderhilfen sind alle Auflagen des Genehmigungbescheids erfüllt und der Weiterbetrieb der Kraftwerk am Höllenstein AG gesichert.

Helmut Kruczek

Kruczek, HelmutHelmut Kruczek leitet seit dem Jahr 2000 als Vorstand die Kraftwerk am Höllenstein AG. Außerdem ist er Geschäftsführer der Stadtwerke Straubing GmbH sowie der Stadtwerke Straubing Strom und Gas GmbH. Der Stadtwerke-Konzern beschäftigt insgesamt 170 Mitarbeiter und erzielte 2013 einen Jahresumsatz von circa 78,6 Millionen Euro.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Wasserkraft
bericht

Wasserkraft: Ein umweltfreundlicher Teamplayer

[15.04.2025] Ob Repowering, Modernisierung, Reaktivierung oder Neubau – die Wasserkraft hat in Deutschland noch erhebliches Ausbaupotenzial. Dabei ist sie naturverträglich und von der Energieerzeugung über die -speicherung bis hin zur Netzstabilisierung vielseitig einsetzbar. mehr...

Gersthofen: Transformatoren für Wasserkraftwerk angeliefert

[08.04.2025] In Gersthofen schreitet der Aufbau eines neuartigen Hybridsystems zur Netzstabilisierung voran: Zwei Transformatoren bilden künftig das technische Herzstück für die Kombination aus Wasserkraft und Batteriespeicher. mehr...

interview

Interview: Potenziale stärker in den Blick nehmen

[03.04.2025] Der Bedeutung der Wasserkraft für die Energiewende wird noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sagt Helge Beyer, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wasserkraftwerke. Um die Potenziale zu heben, sei eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geboten. mehr...

Wasserkraft: Studie der TU Braunschweig

[03.04.2025] Fließgewässer in Deutschland bergen ein enormes Potenzial für die nachhaltige Wärmeversorgung. Eine Studie der TU Braunschweig zeigt, dass Wasserkraftanlagen die Nutzung dieser erneuerbaren Energiequelle erheblich erleichtern und damit einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende leisten können. mehr...

WSW: Wasserstofftankstelle eingeweiht

[28.02.2025] Die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) haben jetzt eine neue Wasserstofftankstelle auf ihrem Betriebshof Nächstebreck eingeweiht und 32 zusätzliche Wasserstoffbusse in Betrieb genommen. mehr...

Tübingen: Modernisierung des Neckarwerks

[27.02.2025] Mit der Modernisierung des Neckarwerks setzen die Stadtwerke Tübingen auf mehr Effizienz und Umweltschutz. Eine neue Rechenanlage steigert die Stromproduktion, während verbesserte Fischabstiege die Wanderung der Tiere erleichtern. mehr...

LVBW/VWB: Fachtagung zu Wasserkraft

[17.02.2025] Mehr als 120 Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik haben sich in München mit der Integration von Wasserkraft in die Wärmeversorgung beschäftigt. Studien belegen das große Potenzial der Aquathermie – nun gilt es, Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen. mehr...

BDW: Wasserkraft ist eine zuverlässige und regelbare Energiequelle.

Strommarktdesign: BDW fordert Wasserkraftstrategie

[27.09.2024] Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) appelliert an die Bundesregierung, die Potenziale der Wasserkraft stärker zu nutzen und fordert eine umfassende Wasserkraftstrategie, um ungenutzte Kapazitäten zu erschließen. mehr...

Die zweite Power-to-Gas-Anlage von naturenergie in Grenzach-Wyhlen entsteht neben der ersten Anlage aus dem Jahr 2018.

Grenzach-Wyhlen: Spatenstich für Power-to-Gas-Anlage

[17.06.2024] Der Bau einer zweiten Power-to-Gas-Anlage am Wasserkraftwerk Wyhlen hat begonnen, um die Produktion von grünem Wasserstoff bis Ende 2025 um fünf Megawatt zu erweitern. Dieses Projekt ist Teil des staatlich geförderten Reallabors H2-Wyhlen und wird mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. mehr...

Das Thesenpapier zeigt

Niedersachsen: Thesenpapier zur kleinen Wasserkraft

[11.06.2024] In einem Thesenpapier hat das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz jetzt die kleine Wasserkraft kritisiert. Angesichts der ökologischen Schäden ist sie oft nicht sinnvoll. mehr...

In diesem Winter liefen Wasserkraftwerke unter Volllast.

Branchenverbände: Mehr Wasserkraft im Winter

[29.04.2024] Die bayerischen Wasserkraftverbände prognostizieren einen Anstieg der Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund vermehrter Niederschläge in den Wintermonaten. Dies stärkt die Rolle der Wasserkraftwerke für die Energiewende und die Netzstabilität. mehr...

Laut einer Studie kann Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung spielen.

Bayern: Flusswärme als Heizquelle

[26.04.2024] Eine neue Studie zeigt, dass Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung und den Klimaschutz spielen kann. Mindestens die Hälfte der bayerischen Städte und Gemeinden könnte ihre Gebäude damit beheizen. mehr...

Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergeben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft.
bericht

Wasserkraft: Unterschätzte Wärmequelle

[25.03.2024] Die flächendeckend in Deutschland zur Verfügung stehenden Fließgewässer bergen ein bislang wenig beachtetes Potenzial für die grüne Wärmegewinnung. Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergäben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft. mehr...

Die Modernisierung und Reaktivierung von Wasserkraftwerken könnte eine zusätzliche Leistung von 7

Studie: Wasserkraft als Gamechanger

[25.03.2024] Die Energy Watch Group stellt eine Studie vor, die Wasserkraftwerke als zentrale Kraft im Kampf gegen den Klimawandel sieht. Das Potenzial zur Energieerzeugung liegt bei über sieben Gigawatt. mehr...

Die bestehende Schwarzenbachtalsperre wird um eine unterirdische Kaverne ergänzt.
bericht

Pumpspeicher: Starkes Leistungsplus aus Forbach

[07.11.2023] Seit über 100 Jahren erzeugt das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach mit Wasserkraft Energie. Nun wird der Standort zum leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerk ausgebaut. Da Technik und Speicher in Kavernen verlagert werden, sind die Auswirkungen auf die Umgebung gering. mehr...