EnergiepolitikEuropäische Allianz für den Klimaschutz
Bei der europäischen Energie- und Klimapolitik ist derzeit einiges in Bewegung: Im März dieses Jahres hat die EU-Kommission ihre Pläne für eine Energieunion vorgestellt. Sie soll den Weg hin zu einem CO2-armen Energiesystem sowie einem vertieften europäischen Strombinnenmarkt ebnen. Darüber hinaus soll bis zum Sommer über die Reform des europäischen Emissionshandels entschieden sein, mit dem Ziel, die derzeit niedrigen Preise für CO2-Zertifikate zu stabilisieren. Die EU-Kommission will dazu eine Marktstabilitätsreserve einführen, bei der die überschüssigen Zertifikate vorübergehend aus dem Markt genommen werden. Die Unternehmen dürften dies allerdings bereits eingepreist haben, sodass die Wirksamkeit dieser Maßnahme zu bezweifeln ist. Inwieweit die derzeit diskutierten Vorschläge also geeignet sind, die gemeinsame Energie- und Klimapolitik voranzubringen, bleibt abzuwarten.
Doch wie passt eigentlich die technologiespezifische Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland in diesen Prozess? Soll die Energiewende – unter Beachtung von Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit – vor allem dem Klimaschutz dienen, dann sollten auch ihre Steuerungsinstrumente entsprechend ausgerichtet werden. Schließlich stößt Deutschland nur einen sehr geringen Anteil der globalen Treibhausgase aus. Ein so kleines Land allein kann die globale Erderwärmung nicht aufhalten.
Europas effektives Klimaschutzinstrument
Ein Rückgang der globalen Emissionen lässt sich nur dann erreichen, wenn eine hinreichend große Staatenallianz für den Klimaschutz geschaffen wird. Der Europäischen Union kommt bei diesem Bemühen daher eine zentralere Rolle zu als den einzelnen Mitgliedstaaten. Damit sich Nicht-EU-Länder der europäischen Initiative anschließen, muss die Emissionsminderung in Europa jedoch möglichst kosteneffizient gestaltet und gleichzeitig eine sichere Energieversorgung gewährleistet werden. Mit dem Emissionshandel verfügt Europa bereits über ein effektives Klimaschutzinstrument, das den Treibhausgasen eine Obergrenze setzt. Einzelnen Unternehmen bleibt es in diesem System selbst überlassen, ob sie Emissionen vermeiden oder aber Emissionszertifikate auf dem Markt erwerben. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen erreicht der Emissionshandel die vereinbarten Treibhausgasreduktionsziele zu möglichst geringen Kosten und hat bereits Innovationsanreize zur Entwicklung klimafreundlicher Technologien gesetzt. Zudem ist er grundsätzlich anschlussfähig für Drittländer – ein entscheidender Hebel für ein global koordiniertes Vorgehen. Die rein national organisierte Förderung erneuerbarer Energien, in Deutschland vor allem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), trägt hingegen nicht zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes in Europa bei. Vielmehr senken solche Maßnahmen den Preis für CO2-Zertifikate, sodass Emissionen in anderen Sektoren und Ländern günstiger werden und tendenziell steigen. Gleichzeitig steigen die Kosten des Klimaschutzes erheblich und machen den Prozess für Drittländer unattraktiv. Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland hat zudem negative Konsequenzen für den europäischen Strombinnenmarkt. So folgen Erneuerbare-Energien-Anlagen aufgrund der marktfernen Ausgestaltung des EEG nicht dem Strompreissignal: Die Anlagenbetreiber erhalten in jedem Falle Aufschläge auf den Strompreis, sodass sie mit dem eingespeisten Strom selbst bei negativen Preisen einen positiven Erlös erzielen können. Investitionsentscheidungen in solche Anlagen berücksichtigen daher nicht das Marktrisiko und damit auch nicht die Gleichzeitigkeit der Einspeisung von Grünstrom.
Emissionshandel als Hebel
Eine zentrale Frage lautet also: Wie lassen sich die Maßnahmen in Deutschland besser mit der europäischen Energie- und Klimapolitik verzahnen? Welche Möglichkeiten gibt es, die Energiewende in eine gesamteuropäische Strategie für einen effektiven und effizienten Klimaschutz einzubetten? Und wie lässt sich ein vertiefter Binnenmarkt für Strom in der EU schaffen? Ein entscheidender Hebel bei diesem Vorhaben ist der Emissionshandel. Er kann zu einem Leitinstrument ausgebaut werden, das Klimaschutz und Marktintegration der Erneuerbaren gewährleistet, und von weiteren Maßnahmen flankiert werden. Dazu sind verschiedene Reformschritte notwendig. Um Investitionssicherheit zu gewährleisten und den Zertifikatepreis zu stabilisieren, sollte der Emissionshandel über das Jahr 2020 hinaus möglichst effektiv ausgestaltet werden. Die Einführung eines Mindest- und Höchstpreises bei Auktionen von Zertifikaten kann das leisten. Anders als die geplante Marktstabilitätsreserve überführt diese Maßnahme den Zertifikatepreis treffsicher in einen Korridor. Damit würden sich bislang zu unsichere Investitionen in klimafreundliche Technologien für die am Emissionshandel teilnehmenden Unternehmen wieder lohnen. Eine flankierende Förderung von Forschung und Entwicklung könnte Innovationsanreize des Emissionshandels noch verstärken. Damit eine solche Reform ihre Wirkung voll entfalten kann, müssten parallel die nationalen Förderschemata für erneuerbare Energien schrittweise abgebaut werden. Der Emissionshandel würde dann Anreize für den Erneuerbaren-Ausbau setzen, sofern die Erneuerbaren eine kosteneffiziente Reduktion von Treibhausgasen erzielen können. Darüber hinaus wäre eine Ausweitung des Emissionshandels um weitere Treibhausgase emittierende Sektoren (Verkehr, Wärmemarkt, Landwirtschaft) nötig, um noch mehr Innovationspotenziale freizusetzen und Effizienzgewinne zu erzielen. Dadurch würden Emissionen dort reduziert, wo es am günstigsten ist. Ein in diesem Sinne effektiver gestalteter Emissionshandel kann schließlich sowohl mit den Systemen anderer Regionen verknüpft werden als auch Drittländer mit aufnehmen. Auf diese Weise ließe sich eine globale Allianz für wirksamen Klimaschutz von unten her aufbauen.
Marktorientierte Förderung
Gelingt es den EU-Mitgliedstaaten zum jetzigen Zeitpunkt nicht, den Emissionshandel entsprechend zu reformieren und dabei auf zusätzliche Förderinstrumente zu verzichten, kann – zumindest als Übergang, nicht jedoch als gleichermaßen wirksame Alternative – die Erneuerbaren-Förderung auf europäischer Ebene harmonisiert werden. Die schrittweise Angleichung der jeweiligen Förderregime ist bereits in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU angelegt. Im Rahmen der Energieunion möchte die Kommission zudem in den Jahren 2015 und 2016 Gesetzesentwürfe entwickeln, die eine Kooperation der Mitgliedstaaten in diesem Bereich befördern sollen – ein sinnvolles Anliegen. Sicherlich lässt sich ein solches Vorhaben nicht ad hoc, sondern nur stufenweise und über gemeinsame Pilotprojekte umsetzen. Auf diese Weise ließen sich mittelfristig dennoch die Kosten nationaler Fördersysteme reduzieren und die Binnenmarktintegration der Erneuerbaren vorantreiben. Die frei werdenden volkswirtschaftlichen Ressourcen können zum Teil genutzt werden, um Forschung und Entwicklung im Bereich emissionsarmer Technologien zu fördern. Um Marktintegration und Kosteneffizienz zu gewährleisten, müsste eine europäische erneuerbare Energien-Förderung allerdings standort- und technologieneutral gestaltet werden. Zugunsten der europaweit günstigsten Standorte würde der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland entsprechend deutlich hinter den aktuellen Ausbauzielen der Bundesregierung zurückbleiben. Im Hinblick auf den europäischen Strombinnenmarkt gilt es, Wind- und Photovoltaikanlagen sowohl ökonomisch in den Markt zu integrieren als auch deren Systemeinbindung zu gewährleisten. Strom wird zunehmend dezentral erzeugt und nicht notwendigerweise in der Nähe der Verbrauchszentren eingespeist. Deshalb müssen die Übertragungskapazitäten nicht nur in Deutschland, sondern europaweit ausgebaut werden, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Gelänge dies, würden sich auch die Strompreise in Europa einander weiter anpassen und die gemeinsame Stromversorgung würde verstetigt. Zur Kapazitätssicherung ist die Einführung so genannter Kapazitätsmärkte in absehbarer Zeit nicht erforderlich, da für die nahe Zukunft das System mit Überkapazität ausgestattet ist. Regionale Engpässe in der Energieversorgung können dagegen durch einen europäischen Mechanismus für Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken (englisch: redispatch) und eine Teilung in regionale, grenzüberschreitende Preiszonen mit variierenden Netzentgelten reduziert werden. Dadurch würden Anreize geschaffen, Erzeugungskapazitäten in Regionen mit größeren Unsicherheiten bei der Energieversorgung anzusiedeln. Auch der Netzausbau kann diese Funktion erfüllen, indem Hindernisse beim großräumigen Transport elektrischer Energie abgebaut werden.
Harmonisierung der Klimapolitik
Der Erfolg der europäischen Energie-und Klimapolitik hängt natürlich maßgeblich davon ab, inwieweit die EU-Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit bereit sind. Bereits bestehende Mechanismen für Kooperationen und Transfers können genutzt werden, um eine gerechtere Lastenteilung und eine vertiefte energiepolitische Integration in Europa zu erreichen. Dies betrifft die gerechte Verteilung von Einnahmen aus dem Emissionshandel, die gemeinsame Erneuerbaren-Förderung sowie die Finanzierung der Energieinfrastruktur über gemeinsame EU-Instrumente, wie die im Rahmen der Energieunion vorgesehene Connecting Europe Facility.
Ein wirksamer Klimaschutz und ein starker Strombinnenmarkt – Deutschland kann den dafür notwendigen politischen Ordnungsrahmen in Europa entscheidend mitgestalten, indem die Bundesregierung dafür aktiv im Europäischen Rat eintritt. Schritte zu einer Harmonisierung der klimapolitischen Instrumente mit anderen Mitgliedstaaten kann sie bereits jetzt auf freiwilliger Basis unternehmen. Es würde sich lohnen. Denn die marktkonforme Koordination energiepolitischer Maßnahmen in Europa ist der Schlüssel zu hoher Kosteneffizienz beim Klimaschutz – und für den Erfolg der Energiewende in Deutschland.
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