BielefeldErwartungen der Bürger
Bereits im Jahr 2007 hat sich der Rat der Stadt Bielefeld dazu verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 zu erreichen. 2008 hat er zudem das Handlungsprogramm Klimaschutz beschlossen: Der CO2-Ausstoß soll um 40 Prozent reduziert und der Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent erhöht werden. 2011 hat die Katastrophe von Fukushima dann zu einem schlagartigen Wandel im Umgang mit der Atomkraftnutzung in Deutschland geführt. In Bielefeld sind die Diskussionen vor diesem Hintergrund besonders intensiv geführt worden, denn die nordrhein-westfälische Stadt ist neben München die einzige Kommune in Deutschland, die unmittelbar an einem Kernkraftwerk beteiligt ist: Die Stadtwerke Bielefeld halten 16,7 Prozent der Anteile am AKW Grohnde.
Im April 2011 wurden die Stadtwerke Bielefeld durch einen Ratsbeschluss aufgefordert, ein alternatives Energiekonzept zu erarbeiten, das es erlaubt, bis spätestens 2018 aus der Atomenergienutzung auszusteigen – auch wenn das AKW Grohnde dann noch am Netz sein sollte. Außerdem sollten die Bürgerinnen und Bürger an der Diskussion um das Energiekonzept 2020 der Stadtwerke beteiligt werden. Im Rahmen der Klimakampagne „Bielefeld will‘s wissen!“ haben Stadt und Stadtwerke gemeinsam ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur zukünftigen Energieversorgung initiiert.
Bausteine der Bürgerbeteiligung
Der Prozess der Bürgerbeteiligung war einem strengen Zeitplan unterworfen, denn es sollten möglichst schnell Ergebnisse in die Beschlussfassung der Stadtwerke zum neuen Energiekonzept einfließen. Von Juli bis November 2011 konnte sich die Öffentlichkeit dazu äußern. Um den Bürgern trotz der begrenzten Zeit möglichst viele Angebote für eine Beteiligung machen zu können, wurden mehrere Bausteine entwickelt. Den Startschuss gab eine große Auftaktveranstaltung, die mit rund 400 Besuchern eine gute Resonanz erfahren hat. Im Rahmen der Veranstaltung wurden die Ziele des neuen Energiekonzepts, die geplante Neuauflage des Bürgerfonds, um die erneuerbaren Energien in Bielefeld zu realisieren, die Klimaschutzziele der Stadt sowie der anstehende Bürgerbeteiligungsprozess vorgestellt und diskutiert. Anschließend fanden vier dezentrale Veranstaltungen im Stadtgebiet statt, die sich inhaltlich an der Auftaktveranstaltung ausrichteten. Auch hier wurden die Klimaschutzaktivitäten der Stadt sowie der aktuelle Sachstand zum Energiekonzept der Stadtwerke vorgestellt. Dabei sollte auch deutlich werden, dass nicht der Atomausstieg allein zum Handeln zwingt, sondern die Energiewende und der Klimaschutz zusammengehören.
Das Energiekonzept 2020 sollte als zentraler Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele verstanden werden. Auch im Internet konnten sich die Bürger an der Kampagne beteiligen. Dafür wurde ein Online-Forum eingerichtet, in das Fragen, Anregungen und Kommentare eingestellt werden können – ein Angebot, das allerdings nur verhalten angenommen wurde. Zudem hat ein Fachforum stattgefunden, für das 80 Teilnehmer aus Verbänden, Institutionen und Klimaschutzgruppen zusammengekommen sind. In einer Kooperation mit der Hochschulinitiative Bielefeld 2000plus wurde ergänzend eine Online-Umfrage unter Studierenden zum Thema Klimaschutz und Energiewende durchgeführt. Die Auswertung der fast 600 vollständig ausgefüllten Fragebögen hat gezeigt, dass das Thema Klimaschutz als sehr wichtig angesehen wird und erneuerbare Energien großen Zuspruch erfahren.
Premiere für den Bürgerbeirat
Der gesamte Beteiligungsprozess wurde von einem Bürgerbeirat begleitet – dieses Gremium wurde vor dem Hintergrund der Energiewende aus der Taufe gehoben. Repräsentativ, etwa hinsichtlich Geschlecht, Alter, Stadtbezirk und Nationalität, sollten ausgewählte Bürger Ideen einbringen, den Prozess der Bürgerbeteiligung begleiten sowie die Diskussionen aus den verschiedenen Veranstaltungen und Äußerungen aus dem Forum auswerten und zusammenfassen. Dafür wurden zum Auftakt 500 Bürger per Zufallsprinzip aus dem Melderegister ausgewählt und zur Teilnahme eingeladen. 34 der ausgewählten Bürger haben sich zurückgemeldet, und schließlich hat sich eine feste Gruppe von 22 Mitgliedern unterschiedlichster Profession etabliert. Diese verfolgt das Ziel, die breite öffentliche Meinung aufzunehmen und in die Entscheidungsgremien zu tragen.
Das von den Bürgern im Rahmen der Beteiligung fokussierte Themenspektrum erstreckte sich von der Energiewende allgemein bis hin zum Energiekonzept der Stadtwerke. Dabei sind vielfältige Anregungen entstanden, die in einer öffentlichen Abschlussveranstaltung präsentiert wurden und auf der Internet-Seite der Stadt Bielefeld eingesehen werden können. Drei Kernerwartungen an die Stadtwerke konnten ermittelt werden: Die Bielefelder wollen, dass die Windenergie im Stadtgebiet stärker genutzt wird. Zudem sollten mehr Angebote für eine unmittelbare Bürgerbeteiligung an regenerativen Energieanlagen gemacht werden. Dabei wollen die Bürger lieber in konkrete Projekte als in den Bürgerfonds investieren. Mit Blick auf den eigenen Energieverbrauch wollen die Bürger mehr Transparenz. So wurde angeregt, monatliche Abrechnungsintervalle anzubieten, um eine eigene Dokumentation des Verbrauchs zu ermöglichen. Auch der Einbau von Smart-Meter-Technologien oder von intelligenten Zählern könnte zu Einsparungen in den Haushalten beitragen. Diese Kernerwartungen sollen bei der Umsetzung des Energiekonzeptes durch die Stadtwerke einbezogen werden.
Anregungen werden aufgenommen
Von der Stadt Bielefeld erwarten die Bürger mehr Photovoltaikanlagen auf kommunalen Dächern. Sofern die Kommune aufgrund ihrer schwierigen Haushaltslage die notwendigen Investitionen nicht tätigen kann, sollen die Dachflächen Dritten beziehungsweise für Bürgerbeteiligungsprojekte zur Verfügung gestellt werden. Die Bielefelder wollen außerdem durch ein erweitertes Beratungsangebot bei der Umsetzung der Energiewende unterstützt werden. Darüber hinaus soll die Stadt die Altbausanierung vereinfachen und die Weichen für ehrgeizige energetische Standards bei Neubauten stellen – auch durch Festlegung in der Bauleitplanung und bei städtebaulichen Verträgen. Diese drei Aspekte sind bereits Bestandteil des vom Rat beschlossenen Handlungsprogramms Klimaschutz und werden somit als doppelter Ansporn in den Fokus genommen.
Nachdem der Bürgerbeteiligungsprozess abgeschlossen und die Ergebnisse präsentiert waren, hat im Rat der Stadt Bielefeld sowie im Aufsichtsrat der Stadtwerke die Beschlussfassung stattgefunden, welche Maßgaben für das Energiekonzept 2020 gelten sollen. Der Aufsichtsrat der Stadtwerke ist bereit, die Anregungen aus der Bürgerbeteiligung in die Weiterentwicklung des Energiekonzepts aufzunehmen.
Thema Energiewende vor Ort verankern
Mit der Bürgerbeteiligung ist es gelungen, das Thema Energiewende vor Ort zu verankern. Darüber hinaus konnten neue Mitstreiter für das bereits bestehende kommunale Netzwerk Klimaschutz gewonnen werden. Trotzdem ist noch viel zu tun, denn zwischen Einsicht und Handeln klaffen noch viele Tonnen CO2. Daher ist die Bürgerbeteiligung auch nicht abgeschlossen. Sie soll anlass- und standortbezogen fortgeführt werden, zum Beispiel bei der Ausweisung weiterer Windvorranggebiete.
Ermutigend ist, dass sich die Bürger selbst in der Pflicht sehen, die Energiewende aktiv zu unterstützen. Eine Diskussionsteilnehmerin brachte es treffend auf den Punkt: „Es reicht eben nicht aus, sich ,Atomkraft? Nein Dankeʻ aufs Auto zu kleben. Wir müssen alle gemeinsam die Energiewende auch umsetzen.“
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