InterviewErneuerbare Energien intelligent nutzen
Herr Meyer, welche Rolle spielt das Flexibilitätsmanagement beim Thema Versorgungssicherheit im Rahmen der Energiewende?
Beim Flexibilitätsmanagement im hier verstandenen Sinne geht es nicht in erster Linie um die Sicherstellung der Versorgungssicherheit. Denn in der Kombination mit Einspeise-Management und unter Rückgriff auf eine hinreichende Menge steuerbarer, zentraler Erzeugungsanlagen lässt sich die Systemsicherheit gewährleisten. Ob so allerdings eine intelligente Nutzung erneuerbarer Energien möglich ist, steht auf einem anderen Blatt. Aus meiner Sicht stellt ein cleveres, dezentrales Flexibilitätsmanagement hier ein ganz entscheidendes Schlüsselelement dar.
Worin besteht denn aus Ihrer Sicht die Kernaufgabe des Flexibilitätsmanagements?
Die Kernaufgabe liegt in einer sinnvollen Systemführung in Zeiten, wenn viel erneuerbare Energie ins Netz eingespeist wird und die Versorger Abnehmer für die überschüssige Energie finden müssen. Es geht konkret um Situationen, in denen schlicht keine steuerbaren konventionellen Erzeugungsanlagen mehr zur Verfügung stehen, die durch eine Lastabsenkung für eine sinnvolle Integration der erneuerbaren Energien sorgen könnten. Momentan gibt es nur die Notlösung des Einspeise-Managements, also die Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Die genuine, neue Kernaufgabe des Flexibilitätsmanagements besteht in der systemtechnischen Erschließung und Steuerung der dezentralen Verbrauchs-, Speicher- und Erzeugerseite – unter Einbezug aller Sektoren des Energiesystems.
Was kommt in diesem Zusammenhang auf IT-Dienstleister wie Kisters zu?
Als Systemhaus begleiten wir viele unterschiedliche Akteure der Energiewirtschaft. Unser sehr breit angelegtes Lösungsportfolio umfasst dabei die Bewirtschaftung der gesamten energiewirtschaftlichen Prozess- und Wertschöpfungskette, beginnend bei der Energieerzeugung über Betriebsführung, Netzbetrieb, Marktkommunikation und Handel bis hin zu Lösungen für den Endkundenvertrieb. Mit der anstehenden breiten Einführung von intelligenten Messsystemen hat eine weitreichende Transformation der technischen Infrastrukturen begonnen, welche die Grundlage für die weitere Digitalisierung der Energiewende darstellt und der wir uns als Unternehmen gestellt haben. Denn mit dem Roll-out intelligenter Messsysteme geht zugleich die potenzielle Erschließung von Flexibilitäten in großer Breite einher. Und zwar im Sinne einer Vielzahl von kleinteiligen, dezentralen und steuerbaren Erzeugungs- und insbesondere Verbrauchsanlagen und Speicher, was natürlich auch die E-Mobilität einschließt. Dabei eröffnet in erster Linie die sektorübergreifende Betriebsführung der Verbraucherseite die so dringend benötigten Handlungsspielräume und prinzipiell auch eine weitgehende Entkopplung von Erneuerbare-Energien- und Netzausbau. In diesem Spannungsfeld steht unsere aktuelle Entwicklung eines Systems zum Flexibilitätsmanagement, dem KISTERS FlexManager.
Welche Rolle übernimmt der FlexManager?
Die Lösung ist das Bindeglied zwischen den etablierten Systemen zum Management der gesamten Erzeugungslandschaft und neu hinzukommenden dezentralen Flexibilitäten, die durch die Einbindung intelligenter Messsysteme entstehen. Der FlexManager soll dabei helfen, die oben skizzierten Aufgaben bei der intelligenten Nutzung erneuerbarer Energien zu bewältigen.
„Momentan gibt es nur die Notlösung des Einspeise-Managements.”
Welchen Herausforderungen sehen Sie sich gegenüber?
Die Herausforderungen sind schon rein aus IKT-Sicht immens. Das wird bereits deutlich, wenn man sich lediglich die Menge der betroffenen steuerbaren Systemkomponenten klar macht: Es gibt rund 3.400 thermische Kraftwerksblöcke in Europa, in Deutschland stehen etwa 30.000 Onshore-Windkraftanlagen, die einen Anteil von etwa 30 Prozent der installierten Onshore-Windleistung in Europa stellen. Überschlägig gibt es aktuell also lediglich rund 100.000 steuer- oder abregelbare Erzeugungsanlagen. Perspektivisch stehen dem jedoch 220 Millionen Haushalte zuzüglich 20 Millionen Unternehmen gegenüber. Denn das 2009 verabschiedete EU-Binnenmarktpaket schreibt vor, dass 80 Prozent der Stromverbraucher in der EU bis 2020 mit intelligenten Messsystemen auszustatten sind. Zukünftig können und sollten an praktisch jeder einzelnen dieser Marktlokationen eine oder mehrere Flexibilitäten erschlossen und möglichst zweckdienlich bewirtschaftet werden. Auch wenn der Zeithorizont 2020 nicht mehr zu halten ist, haben wir es hier schlicht mit einer Mammutaufgabe zu tun.
Können Sie noch etwas zur Lösung FlexManager und zu den möglichen Anwendungsfällen sagen?
Da der FlexManager auf praxiserprobter skalierbarer Big-Data-Technologie aufsetzt und auch Künstliche-Intelligenz-Algorithmen integriert, sind die potenziellen Anwendungsfälle breit gefächert und vielfältig. Insbesondere, weil man den FlexManager aus struktureller Sicht stets als Teil einer größeren Gesamtlösung begreifen sollte. Er ist ja im Grunde der Missing Link zwischen klassischer Energiewelt und den Controllable Local Systems, die aktuell im Ausland und künftig auch in Deutschland über die Infrastruktur intelligenter Messsysteme erschlossen werden.
Welchen Nutzen bietet der FlexManager den Kunden?
Kundennutzen und Anwendungsfälle ergeben sich letztlich stets aus dem Gesamtkontext. Es beginnt beispielsweise mit der Ablösung von in die Jahre gekommenen Rundsteuersystemen. Ein entscheidender Einflussfaktor ist auch die weitere Entwicklung des regulatorischen Umfelds. Aus Gesamtlösungssicht liegen potenzielle Anwendungsfelder im Bereich des markt-, netz- sowie systemdienlichen Flexibilitätsmanagements in jeglicher Ausprägung.
Welches Marktpotenzial sehen Sie für Ihre Kunden im Zuge des Flexibilitätsmanagements?
Das entwickelt sich perspektivisch insbesondere im Bereich des netzdienlichen Flexibilitätsmanagements. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Verteilnetzbetreibern zu. Denn: Da die maßgeblichen Netzengpässe absehbar weiterhin im Übertragungsnetz zu lokalisieren sind, liegen die entscheidenden Möglichkeiten und Freiheitsgrade zur operativen Bewirtschaftung dieser Engpässe eben auf der Verteilnetzebene. Aus Sicht von Kisters ist es naheliegend, hier zumindest an die kommunalen regionalen Energieversorger sowie die knapp 900 Netzbetreiber in Deutschland zu denken.
Wann erreicht die Lösung die Marktreife?
In enger Zusammenarbeit mit unserem Schweizer Kooperations- und Vertriebspartner Optimatik sowie weiteren Entwicklungspartnern arbeiten wir an der Realisierung mehrerer Kunden- und Innovationsprojekte sowie an der Markteinführung und kontinuierlichen Weiterentwicklung des FlexManagers. Diesen Projekten gemein ist die enge Verzahnung mit den konkreten Kundenanforderungen in der Praxis, da sie im Zuge von realen Smart Meter Roll-outs umgesetzt werden. Zum Teil sind diese Projekte bereits im operativen Betrieb.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September/Oktober 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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