Sonntag, 22. Dezember 2024

VermarktungskonzepteErlöse ohne Förderung

[17.03.2020] Lassen sich Erneuerbare-Energien-Anlagen auch ohne EEG-Förderung wirtschaftlich betreiben? Vor dieser Frage stehen bald viele Anlagenbesitzer. Power Purchase Agreements bieten hier Chancen, doch auch die Risiken sollten betrachtet werden.
Power Purchase Agreements können ein interessantes Geschäftsmodell sein

Power Purchase Agreements können ein interessantes Geschäftsmodell sein, um eine aus der Förderung gefallene Windanlage weiter zu betreiben.

(Bildquelle: Abo-Wind)

Ab 2021 wird sich einiges verändern auf dem Markt für erneuerbare Energien. Denn dann laufen für die ersten Anlagen in Deutschland die auf 20 Jahre begrenzten EEG-Förderungen aus. Den Anfang machen die Windanlagen. Schon im ersten Jahr fallen rund 4.000 Megawatt Windkraft aus der Förderung. Ab 2025/2026 folgen signifikante Mengen aus Photovoltaikanlagen.
Betreiber von Windanlagen stehen daher nun als erste konkret vor der Frage, was sie mit ihren Anlagen machen. Rückbau, Repowering, Weiterbetrieb? Die repräsentative Umfrage „Was tun nach 20 Jahren?“ der Fachagentur Windenergie an Land aus dem Jahr 2018 unter rund 100 Betreibern von Windkraftanlagen zeigt, dass die Teilnehmer überwiegend gewillt sind, ihre Altanlagen weiter zu betreiben, wenn sich dies wirtschaftlich darstellen lässt. Dafür benötigen sie zwischen drei und fünf Cent je Kilowattstunde, wie die Umfrage ergibt. Doch lassen sich ohne Förderung Erlöse erzielen, die diese Betriebskosten decken?
Hier kommen längerfristige Stromabnahmeverträge ins Spiel, auch Power Purchase Agreements, kurz PPA, genannt. Ein PPA kann ein interessantes Geschäftsmodell sein, um eine Windanlage weiter zu betreiben. Dabei gibt es verschiedene Optionen, die unterschiedliche Chancen und Risiken mit sich bringen.

Kalkulierbare Preise

Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen können bilateral einen Vertrag (PPA) mit einem verbrauchenden Unternehmen abschließen, einen Corporate PPA – denn viele Unternehmen haben ein Interesse daran, sauberen Strom zu einem kalkulierbaren Preis für ihre Produktion zu nutzen. Oder sie schließen einen Vertrag mit einem Stromhändler ab, bei dem der Stromhändler den gesamten produzierten Strom abnimmt, einen Merchant PPA. Der Stromhändler kann dann den Strom an einen definierten Stromverbraucher liefern – und somit Erzeuger und Verbraucher wieder in einem Corporate PPA zusammenbringen – oder ihn an der Strombörse vermarkten. Egal ob Merchant oder Corporate PPA, in beiden Fällen übernimmt in der Regel ein Energiehandelsunternehmen das Bilanzkreis-Management und den kurzfristigen Ausgleich von prognostizierten und tatsächlich produzierten Strommengen.
Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Praxis mit komplexen Risiken behaftet. Die Frage, welcher Vertragspartner welches Risiko trägt, ist daher grundlegend in der Ausgestaltung eines PPA. Aus Sicht eines Stromhändlers gibt es viele unvorhersehbare Faktoren in einem solchen Konstrukt. Je langfristiger ein PPA ist, desto mehr Preissicherheit bietet der Vertrag zwar dem Betreiber: Er erhält über einen längeren Zeitraum für jede Megawattstunde einen vereinbarten Betrag, kann aber im Gegenzug – aufgrund der jährlich schwankenden Einspeisung – keine exakten Mengen an Strom liefern. Diese Unsicherheit hat einen Preis.

Höhere Risikoabschläge

Strom mit einer Vorlaufzeit von zehn Jahren kann nicht am Terminmarkt verkauft werden und bleibt erst mal in den Büchern der Stromhändler. Damit besteht ein erhöhtes Risiko. Entsprechende Szenarien müssen bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden und kommen dann in Gestalt höherer Risikoabschläge beim Betreiber an.
Dabei geht es vor allem um das Preis- und das Mengenrisiko. Es ist schwierig, die Marktpreisentwicklungen auf eine lange Zeit vorherzusagen. Auf den ersten Blick mag es logisch erscheinen, bei Abschluss des Vertrags als Grundlage die aktuellen Future-Base-Preise an der Börse zu nehmen. Doch so einfach ist es nicht. Denn zu beachten ist auch der Marktwert der Anlagen. Dieser kann sich in der langen Frist erheblich verändern. Anlagen werden regelmäßig neu bewertet, weil durch den steten Zubau neuer Anlagen auch Standorteffekte und Ausgleichsenergierisiken variieren. Wenn in den kommenden Jahren immer mehr konventionelle Erzeuger vom Netz gehen und tendenziell mehr Windanlagen hinzukommen, verstärkt sich zum Beispiel die negative Korrelation von Börsenstrompreis am Day-Ahead-Markt und der Windeinspeisung. Hier liegen kaum zu kalkulierende Risiken in der langen Frist.

Probleme bei langen Laufzeiten

Ein Rechenbeispiel: Angenommen, es wird ein PPA unterzeichnet für einen Windpark mit 30 Megawatt (MW) und einer Leistung von 68 Gigawattstunden (GWh). Die Laufzeit beträgt zehn Jahre. Der garantierte Preis sind 38 Euro/MWh. Angenommen der Marktpreis sinkt über den Zeitraum von zehn Jahren kontinuierlich auf 28 Euro/MWh. Dann entsteht dem Energiehändler ein Preisrisiko von über 3,8 Millionen Euro. Dies ist sicherlich ein extremes Beispiel, doch es zeigt, wie groß die Preisrisiken bei langfristigen Laufzeiten sind.
Außerdem besteht ein gewisses Mengenrisiko, was bedeutet, dass der Stromhändler eine Strommenge am Terminmarkt verkauft, die zum Lieferzeitpunkt nicht zur Verfügung steht. Gründe dafür können die jährlich schwankende Produktion von Wind- und PV-Anlagen sein, aber auch ein Schaden an einer Anlage. Gerade bei Anlagen, die älter als 20 Jahre sind, kann der Betrieb nicht für die kommenden Jahre garantiert werden – ein Generatorschaden zum Beispiel gleicht in der Regel einem Totalschaden der Anlage.

Risiken für den Betreiber

Das Preis- und das Mengenrisiko gelten umgekehrt natürlich auch für den Betreiber. Für ihn ist es unvorteilhaft, wenn der Strompreis stark steigt und er davon nicht profitieren kann, weil sein Vertrag auf eine lange Frist einen niedrigeren Wert festschreibt. Da es in einem PPA in weiten Teilen um die Risikoverteilung geht, hat der Betreiber einer Anlage auch eine gewisse Lieferverpflichtung. Er muss für einen reibungslosen Betrieb der Anlage sorgen. Ein wesentlicher Faktor sind hierbei die Wartungsverträge, da diese die wesentlichen Betriebskosten der Anlagen darstellen. Wird bei den Anlagen zur Erlösmaximierung an den Wartungskosten gespart und diese nur noch auf Verschleiß betrieben, passt dies nicht mit langfristigen PPAs zusammen.
Je weiter die Verträge also in die Zukunft reichen, desto höher sind die Risiken. Länger laufende Kontrakte haben daher einen geringeren Gegenwert, weil sie diese höheren Risiken abbilden. Hier können vor allem Corporate PPAs Abhilfe schaffen, bei dem sich nicht nur der Anlagenbetreiber, sondern auch der Käufer, also das abnehmende Unternehmen, langfristig beim Preis absichern möchte.

Kurzfristige PPAs

Bei kurzfristigen PPAs mit einer Laufzeit von ein bis drei Jahren sieht es anders aus. Hier sind die Risikoabschläge gering, da Risiken in der kurzen Frist besser kalkulierbar sind. So kommen unter dem Strich deutlich höhere Erlöse beim Betreiber an.
Kurzfristigere Verträge können daher gerade für Bestandsanlagen interessant sein, denn hier geht es nicht mehr um Finanzierungsfragen. Deshalb sind Bestandsanlagen in der Vermarktung freier und brauchen nicht die Sicherheit eines langfristigen PPA – wie es zum Beispiel bei Neuanlagen der Fall ist.
In Österreich hat das Unternehmen Next Kraftwerke sehr gute Erfahrungen mit einem PPA-Tranchenmodell auf dem freien Markt gemacht. In der Regel wird das Tranchenmodell mit einer maximalen Laufzeit von einem Jahr vereinbart. Das bedeutet, dass nicht die gesamten Strommengen auf einmal verkauft werden, sondern gemeinsam mit den Betreibern entschieden wird, wann ein guter Zeitpunkt ist, um bestimmte Tranchen zu verkaufen.

Vorteile des Tranchenmodells

In Österreich hat die Simonsfeld AG einen Windpark mit mehr als 18 Megawatt Leistung im Rahmen eines PPA über Next Kraftwerke vermarktet. Der Park fiel bereits 2016 aus der aktiven Förderung. Im Vermarktungskonzept werden verschiedene Tranchen der Erzeugung zu unterschiedlichen Zeitpunkten – vom langfristigen Terminmarkt bis zum kurzfristigen Intraday-Markt – vermarktet. Am Ende bildet sich dann ein Mischpreis.
Diese Lösung bietet die Möglichkeit, sich gegen langfristige Preis- und Mengenrisiken abzusichern, zeitgleich aber abgesicherte Erlöse zu generieren. So können beispielsweise negative Preise adaptiert und die Anlagen aus dem Wind gedreht werden. Eine wichtige Erkenntnis aus dem österreichischen Markt ist, dass bei einer freien Vermarktung das Thema Abschaltung deutlich wichtiger wird. Denn wenn keine Marktprämie gezahlt wird, ist es bei negativen Preisen oder teils auch schon bei niedrigen Preisen sinnvoll, die Anlage herunterzuregeln.
Mit dem Auslaufen der EEG-Förderung wird sich einiges ändern. Anlagenbetreiber sind zukünftig gefragt, sich stärker mit dem Strommarkt zu beschäftigen und Preisentwicklungen zu verfolgen. Die Betreiber müssen abwägen, welche Chancen und Risiken sie eingehen wollen. Das Rundum-sorglos-Paket des EEG gibt es nicht mehr.

Alexander Krautz

Krautz, AlexanderAlexander Krautz ist Head of Business Development bei der Next Kraftwerke GmbH. Seit 2014 arbeitet er bei dem Energieunternehmen und ist für die Analyse und Entwicklung von Geschäftsfällen verantwortlich. Alexander Krautz hat einen Abschluss in Geografie von der Universität Bonn.



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