EEG-ReformEnergiewende im Konsens umsetzen
Herr Becker, die Energiewende gilt als wichtigstes innenpolitisches Projekt der Bundesregierung in der abgelaufenen Legislaturperiode. Haben Sie den Eindruck, dass der Umbau des Energiesystems in Deutschland mit richtigem Konzept und Nachdruck von der Politik vorangetrieben wurde?
Zunächst einmal möchte ich betonen, dass wir als Unternehmen und Stadtwerke-Netzwerk voll hinter der Energiewende stehen und uns mit entsprechenden Maßnahmen für das Gelingen dieses Projekts einsetzen. Wir halten die Ziele – weniger CO2-Ausstoß, Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiepreise – für richtig. Allerdings ist der Politik die Umsetzung noch nicht gelungen. Im Ergebnis wurde bis dato durch das Festhalten am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Passivität beim CO2-Handel das Gegenteil erreicht: Es wird mehr CO2 ausgestoßen, die Systeminstabilität nimmt zu und die Endverbraucherpreise steigen immer weiter an.
Wie kam es zu diesen Effekten?
Es ist ja nicht alles falsch gelaufen. Das EEG war richtig und wichtig, um den Markt für erneuerbare Energien zu öffnen. Dieses Instrument ist jedoch außer Kontrolle geraten, da die Fördersätze nicht ausreichend nachgesteuert wurden. Es gibt keinen Mechanismus zur Regulierung des Zubaus erneuerbarer Energien. In den vergangenen fünf Jahren wurden beispielsweise Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von insgesamt über 30.000 Megawatt errichtet, die allerdings alle zur selben Zeit produzieren. Dadurch kommt es zu Instabilitäten im System, auch weil gleichzeitig der Netzausbau vernachlässigt und die Frage nach Energiespeichern nicht vorangetrieben worden ist. Durch die vermehrte Einspeisung von Strom aus regenerativen Quellen sind die EEX-Preise immer weiter verfallen, was zwei dramatische Konsequenzen hat: Einerseits machen Kraftwerksbetreiber nun Verluste, mit dem Effekt, dass sie keine Mittel für Investitionen in die Modernisierung von Kraftwerken und den Ausbau der Netze mehr haben. Andererseits führen sinkende Großhandelspreise dazu, dass es keine Anreize mehr gibt, neue Kraftwerke zu bauen. Hier sehen wir reale Gefahren für die Versorgungssicherheit.
Wo lagen weitere Versäumnisse?
Ein weiterer Fehler war es, den CO2-Markt aus dem Blick zu verlieren. Durch den übermäßigen Ausbau der Erneuerbaren und die Wirtschaftskrise bei unseren europäischen Nachbarn sind auch die Preise für CO2-Zertifikate gefallen. Das macht den Einsatz von Braunkohlekraftwerken attraktiv, sodass diese wieder vermehrt zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Das ist angesichts der angestrebten Ziele fatal. Dass Braunkohle der Gewinner der Energiewende ist, halte ich für eine echte Kuriosität.
Auch Trianel war von den Auswirkungen betroffen. Welche Projekte haben am meisten gelitten?
Wir bauen derzeit den Windpark Borkum. Das Offshore-Projekt ist durch massive Probleme bei der Netzanbindung in Verzug geraten. Hier haben wir Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe zu verkraften. Hinzu kommt, dass sich das Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) Hamm und das Kohlekraftwerk in Lünen, das wir gerade in Betrieb nehmen wollen, einfach nicht mehr rentieren, weil sowohl die Deckungsbeiträge aus dem Stromverkauf als auch die Betriebsstunden sinken. Dabei könnten beide Anlagen einen wichtigen Beitrag für die Energiewende leisten, weil sie hocheffizient sind und viel weniger CO2 ausstoßen als herkömmliche fossile Kraftwerke. In der Pipeline haben wir zwei weitere GuD-Projekte und die zweite Ausbaustufe des Offshore-Windparks. Vor dem Hintergrund der unsicheren Rahmenbedingungen tun sich unsere Gesellschafter allerdings schwer damit, weiteren Investitionen zuzustimmen. Die Eingriffszyklen der Politik werden immer kürzer, mit der Folge, dass in einer Industrie, die auf langfristig gültige Rahmenbedingungen angewiesen ist, immer mehr Verunsicherung herrscht und immer weniger investiert wird.
„Dass Braunkohle der Gewinner der Energiewende ist, halte ich für eine echte Kuriosität.“
Im Wahlkampf hat die Bundeskanzlerin kaum noch über die Energiewende gesprochen, wohingegen SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück Mitte August ein energiepolitisches Zehn-Punkte-Sofortprogramm vorgelegt hat. Was halten Sie vom SPD-Programm und den energiepolitischen Positionen der anderen Parteien?
Es ist eigentlich kein Wunder, dass das Thema Energiewende im Wahlkampf nicht so hoch gehängt wurde. Bei der Umsetzung hapert es und in der Öffentlichkeit ist ein negativer Eindruck entstanden. Ich will zu einzelnen Parteiprogrammen hier keine Stellung beziehen. Wir haben es positiv zur Kenntnis genommen, dass sich alle Parteien in ihren Wahlprogrammen mit der Energiewende beschäftigen. Ganz wichtig ist, dass das Generationenprojekt Energiewende nach der Wahl nicht länger blockiert wird. Egal welche Koalition am Ende die Regierung bildet, werden wir einen parteiübergreifenden Konsens brauchen, wie die Reformen anzugehen sind. Zudem ist eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern nötig. Es sind schnelle, aber nicht überhastete Lösungen gefragt, damit die Planungs- und Investitionssicherheit zurückgewonnen wird.
Welche energiepolitischen Weichenstellungen erwarten Sie von einer neuen Bundesregierung?
Wichtig ist, dass wir zurück zu marktwirtschaftlichen Lösungen finden, nach dem Motto: soviel Markt wie möglich und so wenig Staat wie nötig. Unternehmen der Energiewirtschaft brauchen einen Rahmen, in dem energiewirtschaftlich und umweltökonomisch sinnvolle Aktivitäten auch wirtschaftlich darstellbar sind. Es kann nicht sein, dass sich hochmoderne konventionelle Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, weil die Erneuerbaren durch ein ordnungspolitisch rigides Fördersystem, zum Preis von in den Markt einspeisen. Es ist deshalb an der Zeit, dass ein neues Marktmodell eingeführt wird, in dem die Erneuerbaren auch Systemverantwortung übernehmen und das auf die ebenso dringenden Reformen beim EEG abgestimmt ist. Wir brauchen einen verlässlichen Rahmen, um die immer volatilere Einspeisung mit den Lasten synchronisieren zu können. Möglich wird dies durch flexible Kraftwerke, steuerbare Erneuerbare-Energien-Anlagen und prognostizierbare Verbräuche durch Smart Metering. Darüber hinaus ist es dringend erforderlich, den CO2-Markt zu reformieren – die wahren Kosten für CO2 werden durch den jetzigen Marktpreis infolge des politisch induzierten Überangebots nicht ausgedrückt.
Sollte die neue Bundesregierung ein Energieministerium schaffen?
Ich will der neuen Regierung keine Ratschläge erteilen. Es steht für mich aber außer Frage, dass wir eine zentrale Stelle benötigen, um die Energiewende zum Erfolg zu machen. Sie wird auch in der nächsten Legislaturperiode eines der wichtigsten Projekte der Bundesregierung sein. In der vergangenen hat sich gezeigt: Ein Kampf der Ressorts kann zum Stillstand führen.
Das Interview ist in der September-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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