Mittwoch, 20. November 2024

BioenergieEnergieträger für alle Sektoren

[27.03.2019] Das Unternehmen bmp greengas entwickelt neue Produkte auf Basis grüner Gase. Im Interview mit stadt+werk erläutert Geschäftsführer Matthias Kerner die Rolle des regenerativ erzeugbaren Energieträgers für den Klimaschutz.
Matthias Kerner ist seit 2017 Geschäftsführer von bmp greengas.

Matthias Kerner ist seit 2017 Geschäftsführer von bmp greengas.

(Bildquelle: bmp greengas)

Herr Kerner, der Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung wird von Umweltverbänden kritisiert. So könnten Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Geht das besser mit grünen Gasen?

Bei den Klimaschutzzielen zählen viele Faktoren, der Kohleausstieg ist nur ein Aspekt. Was wir brauchen, ist ein Paradigmenwechsel hin zu umweltfreundlichen Energiekreisläufen in allen Verbrauchssektoren – Industrie, Wärme und Verkehr. Mit unseren grünen Gasen wollen wir dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Dazu sind passende Rahmenbedingungen mit klaren energiepolitischen Maßnahmen erforderlich.

An welche Maßnahmen denken Sie?

Um Biomethan beispielsweise verstärkt im Wärmemarkt einzusetzen, müssten entsprechende Anreize geschaffen werden. Ein solcher Anreiz wäre die Ausweitung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWärmeG) des Landes Baden-Württemberg auf ganz Deutschland. Daneben braucht es schnelle Genehmigungsverfahren für umweltfreundliche Gaskraftwerke, eine technologieoffene Gesetzgebung, den CO2-Preis und so weiter. Die Arbeitsliste ist lang. Aber wir sind optimistisch, denn die politischen Signale gehen in die richtige Richtung. Daher setzen wir alles daran, neue Produkte auf Basis grüner Gase zur Marktreife zu bringen. Damit machen wir der Kohle hoffentlich lange vor 2038 Konkurrenz.

Wie definieren Sie grüne Gase und welche zentralen Vorteile bieten sie?

Grüne Gase, beispielsweise Biomethan, Bio-SNG, Bio-LNG und grüner Wasserstoff, sind nachhaltig erzeugbare Energieträger. Sie sind klimaneutral und bieten langfristig gesehen eine ausgezeichnete wirtschaftliche Perspektive. Denn als versorgungssichere, regional erzeugbare Energiequelle unterliegen sie keiner Ressourcenknappheit und sind nicht dem Preisdiktat des Weltmarkts ausgesetzt. Zudem sind sie vielseitig einsetzbar: als Energieträger zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie, ganz wichtig, als Biokraftstoff im Verkehr. Im Gegensatz zu volatilen erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne lassen sich grüne Gase bereits hervorragend speichern und transportieren – und zwar über das gut ausgebaute Erdgasnetz. Die heute noch problematischen Stromüberschüsse aus Wind- oder Sonnenenergie werden genutzt, um Wasser in grünen Wasserstoff umzuwandeln. Dieser kann anschließend als erneuerbares Gas in das Erdgasnetz eingespeist werden. Großes Potenzial haben grüne Gase auch als Rohstoff in der Industrie. Innerhalb der Produktionskette gibt es damit vielfältige Möglichkeiten, den CO2-Fußabdruck eines Endprodukts zu minimieren.

„Die politischen Signale gehen in die richtige Richtung.”
Wie kann der Anteil grüner Gase im Netz gesteigert werden – und wieviel davon verträgt die Gasinfrastruktur?

Wichtig wäre die verstärkte Nutzung von Biomethan im Verkehrssektor und im Wärmemarkt. Das bundesweite EWärmeG würde einen guten Anreiz darstellen. Der Einsatz von neuen Gasbrennwertgeräten mit zehn Prozent Biomethanbeimischung ist ein Instrument, das quasi schon morgen für erhebliche CO2-Einsparungen sorgen könnte. Um die Nachfrage anzukurbeln, wäre es von Vorteil, wenn grüne Gase einen deutlich niedrigeren Primärenergiefaktor als Erdgas aufwiesen – fair wäre ein Wert von 0,3. Damit würde sich der Wärmemarkt für Biomethan öffnen. Der Kraftstoffsektor könnte einen höheren Anteil erneuerbarer Energien verarbeiten, als derzeit in der Renewable Energy Directive II vorgesehen. Die Treibhausgas-Quote muss zudem auch bei Bio-LNG anrechenbar sein. Auch das Gasnetz an sich könnte grüner werden, zum Beispiel indem man das für die Netze erforderliche Betriebs- oder Verbrauchsgas durch grüne Gase ersetzt. So könnte sich schließlich auch der CO2-Fußabdruck von Gasnetzbetreibern verbessern.

Wie gelingt das?

Für den Betrieb des mit über 500.000 Kilometern Länge engmaschig in Deutschland verteilten Gasnetzes werden nach unserer Einschätzung mehr als zehn Terawattstunden Erdgas pro Jahr benötigt. Deutlich mehr also, als die derzeit vorhandenen Biomethan-Produktionskapazitäten in Deutschland hergeben. Grünes Betriebs- und Verbrauchsgas für die deutschen Gasnetze würde vielen bestehenden Biogas- und Biogasaufbereitungsanlagen sowie Power-to-Gas-Projekten einen langfristigen Absatzmarkt bieten.

Power to Gas ist noch nicht wirtschaftlich. Welche gesetzlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen brauchen diese Anlagen?

Bei Power to Gas werden Überschüsse aus Sonnen- und Windenergie in Wasserstoff oder Methan umgewandelt und damit langfristig speicherbar. Damit hat man eine gute dezentrale, nachhaltige Versorgung. Damit Betreiber im großen Stil einsteigen, ist eine – vielleicht auch nur vorübergehende – Befreiung von Steuern, Abgaben und Umlagen auf den für die Elektrolyse genutzten erneuerbaren Strom erforderlich. Die Förderung der Nutzung von Wasserstoff und synthetischem Methan muss im neuen Gebäudeenergiegesetz verankert werden, und erneuerbare Gase werden in der Industrie im Rahmen des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes endlich anerkannt. So kommen wir zur Wirtschaftlichkeit.

Der Einsatz von Biomethan in Blockheizkraftwerken (BHKW) wird oft nicht geprüft. Warum ist das so?

Wieder sind wir bei den staatlichen Rahmenbedingungen. Viele BHKW-Betreiber kennen die Fördermechanismen wie KfW-Förderkredite oder Flexibilitätszuschlag nicht. Häufig ist auch nicht bekannt, dass mit Biomethan die Erfüllung des EEWärmeG möglich ist. Wir bieten unseren Kunden intensive Beratung in diesen Bereichen, zeigen auf, welche Möglichkeiten es gibt, und führen Wirtschaftlichkeitsberechnungen mit ihnen durch.

Können auch ältere Erdgas-BHKWs, die aus der Förderung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz fallen, mit Biomethan betrieben werden?

#bild2 Hier betreiben wir intensive Marktaufklärung, denn in der Tat bieten sich mit Biomethan auch für ältere Blockheizkraftwerke noch rentable Geschäftsmodelle. Sobald die Förderung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz ausläuft, stehen die Anbieter häufig vor einem Problem. Eine sinnvolle und wirtschaftliche Alternative dazu bietet das EEG: Mit der Leistungsübertragung ist darin eine gute Anschlusslösung vorgesehen. Unseren Kunden, die BHKWs betreiben, stellen wir diese Möglichkeit immer gerne vor und vermitteln gegebenenfalls auch entsprechende Kontakte.

Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Markt für klimaneutrale Produkte entwickeln?

Wir arbeiten derzeit verstärkt am Einsatz grüner Gase in der Mobilität und in der Industrie. Als flüssiger oder als gasförmiger Treibstoff reduziert Biomethan die Emissionen von CO2, Stickoxiden und Feinstaub um mehr als 90 Prozent. Auch in der industriellen Produktionskette sehen wir noch viel Potenzial für unsere Lösungen. Denn Nachhaltigkeit und klimaschonendes Handeln muss bei Unternehmen mehr in den Fokus rücken, sonst erreichen wir die gesteckten Klimaziele nicht.

Interview: Alexander Schaeff

Kerner, MatthiasMatthias Kerner ist seit 2017 Geschäftsführer der bmp greengas GmbH. Davor war er in verschiedenen kaufmännischen Funktionen bei der Erdgas Südwest GmbH und der EnBW Energie Baden Württemberg AG tätig. Weitere Funktionen im Bereich Governance, Risk und Compliance (GRC) hatte er bei der Daimler AG und bei PricewaterhouseCoopers inne.

Stichwörter: Bioenergie, bmp greengas,


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