ZEBAU-Tagung 2021Energiekonzepte und Quartiere im Visier
Im November 2021 waren mehr als 650 Zuschauerinnen und Zuschauer online bei der jährlichen Konferenz „Effiziente Gebäude“ des ZEBAU Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt, Hamburg. Zu fünf Schwerpunktthemen wurden an fünf Tagen 20 Vorträge gehalten. Das Fazit präsentierte der Geschäftsführer des ZEBAU Peter-M. Friemert am Ende jeden Tages in zwei Thesen.
Über alle Tage hinweg wurde immer wieder Bezug auf das Schlagwort Energie genommen, so im Vortrag von Joachim Eble von Eble Messerschmidt Partner, der die anstehende Realisierung des we-house-Konzepts in der Hamburger Hafencity vorstellte, welches das Umweltzeichen Platin der HafenCity anstrebt. Beim Kriterium eins „Nachhaltiger Umgang mit energetischen Ressourcen“ zeichnet sich das Gebäude aus durch hohe Kompaktheit und Solarorientierung, sehr gute Wärmedämmung der Hülle, kfW55 plus, effiziente Lüftung, Abluft über Gewächshaus, Nahwärmekonzept plus PV bestehend aus der fassadenintegrierten PV-Anlage an der Südfassade zur Stromerzeugung und der aufgeständerten PV-Anlage auf der Dachfläche.
Andreas Rietz und Jörg Lammers vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sprachen über die Vorbildfunktion von Bundesbauten beim nachhaltigen und energieeffizienten Bauen. Das energetische Pflichtenheft weist als Grundsätze zum Beispiel die Minimierung des Energiebedarfs, die Nutzung regenerativer Energiequellen und zu erstellende Energiebilanzen auf. Bei Neubauten werden als energetische Standards EffizienzgebäudeBund 40 (EGB 40) und bei Sanierungen EffizienzgebäudeBund 55 (EGB 55) verlangt.
Berthold Kaufmann vom Passivhaus Institut erläuterte anhand von Sanierungsprojekten vielversprechende Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs, anhand derer sanierte Gebäude auch zertifiziert werden können: Verbesserte Wärmedämmung, Wärmebrücken minimieren, verbesserte Luftdichtheit, Einsatz sehr guter Fenster, kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung, effiziente Wärmeerzeugung, Einsatz regenerativer Energien.
Zum klimaneutralen Quartier
Vier Vorträge weiteten den Blick vom einzelnen Gebäude auf das umgebende Quartier – dort beginnt die Energiewende. Sie verlangt einen ganzheitlichen Ansatz für Gebäude und umgebende Grün-, Frei- und Verkehrsräume.
Professor Manfred Norbert Fisch von der EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik lebt sein Credo: „Abwärme in Gebäude, H2 in die Industrie.“ Den Vortrag zur „Quartiersversorgung mit Wasserstoff – Neue Weststadt Esslingen“ hielt Simon Marx. Dort wurde ein fast klimaneutrales Stadtquartier aus dem alten Güterbahnhof mit fünf Wohnblöcken und der neuen Hochschule realisiert. Erstmals in Deutschland wurde dies durch die Produktion von grünem Wasserstoff in einer unterirdischen Anlage mit einem Elektrolyseur (einen Megawatt installierte Leistung) erreicht.
Theresa Keilhacker von KAZANSKI. KEILHACKER URBAN DESIGN. ARCHITEKTUR forderte im Vortrag „Gestalten statt Verwalten – die öffentliche Hand als Schlüssel zum klimaneutralen Quartier“ die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand im Klimaschutz bei Neubau und Sanierung. Als Mindeststandard für Bundesbauten ist zurzeit der Qualitätsstandard Silber des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen einzuhalten.
Gregor Langenbrinck von Urbanizers Neumüllers Langenbrinck berichtete in seinem Vortrag „Klimaneutrale Quartiere integriert denken“ die Frage, was es heißt, dass Erfahrungen aus der Bestandsentwicklung Rückschlüsse auf die Planung neuer Quartiere erlauben. Aus Projekten hat er gelernt: Am Anfang dreht sich vieles um Energietechnik und Gebäudesanierung, später mehr um die Frage, wie eine solche Kultur gelingt. Vor allem braucht man Geduld, bis ein Quartier „kippt“.
Tanja Loitz von der co2online gemeinnützige Beratungsgesellschaft lieferte in ihrem Vortrag „ARCHITEKTUR BewohnerInnen Insights – wie können sie für die Quartiersplanung genutzt werden?“ Tools, wie Daten und Einstellungen der Bewohnerinnen und Bewohner ermittelt und für die weitere Planung berücksichtigt werden können.
Die Thesen des Tages waren, dass klimaneutrale Quartiere eine frühzeitige, thematische Verankerung in Wettbewerben, B-Plänen und Grundstückskaufverträgen sowie großes politisches Engagement verlangen. Außerdem sind zentrale Herausforderungen der energetischen Quartierssanierung, unter anderem das richtige Sanierungsmanagement zu finden sowie das Handwerk zum Partner zu gewinnen.
Aus Europa für Deutschland
Ausgehend von den gemeinsamen europäischen Klimaschutzzielen wurden in vier Vorträgen solche Ansätze von Planern und Bauwirtschaft aus einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten vorgestellt, die das nachhaltige Bauen in Deutschland beeinflussen.
Manfred Krüger von der ZinCo präsentierte das Soho House Amsterdam – exklusiver Dachgarten mit „inneren“ Werten. Das 1934 erbaute Bungehuis wurde 2018 saniert und in einen privaten Klub verwandelt. Das Gebäude verfügt über einen Dachgarten mit Bar, Pool und Begrünung mittels Wasserretention.
Friedrich Lutz Schulte von der HEA Fachgemeinschaft für effiziente Energieanwendung machte ein Update: Der europäische Weg zum klimaneutralen Gebäudesektor. Basierend auf dem European Green Deal präsentierte die EU-Kommission Ende 2020 ihre Strategie zur Renovierung von Gebäuden (Renovation Wave Priorities). Ein Rechtsrahmen für klimaneutrale Gebäude ist auf EU-Ebene noch nicht vorhanden; daher laufen viele Diskussionen. Um die Effizienzpotenziale in Gebäuden zu heben, sieht er den verstärkten Einsatz der Gebäudeautomation beziehungsweise die weitgehende Digitalisierung von Gebäuden. In Europa steht dafür als Tool der SRI Smart Readiness Indicator für Gebäude zur Verfügung.
Als herausragend nachhaltig stellte Thomas Rühle vom Öko-Zentrum NRW die Gewinnerprojekte des in 2021 zum zweiten Mal von UBA und BMU ausgelobten „Bundespreises UMWELT & BAUEN“ heraus. Ein Preis und vier Anerkennungen wurden in vier Kategorien anhand der Kriterien Energie und Ökologie verliehen.
Jörg Wollnow von SIGA Cover stellte die Kombination Holzbau und Photovoltaik: Das Amt für Umwelt und Energie Basel, Schweiz vor. Für den Feuchteschutz während Bauzeit und Nutzung des achtgeschossigen Holzbaus wurde eine transparente Schutzschicht entwickelt, die auf der Baustelle aufgeklebt wird.
Tagesthesen waren, dass im urbanen Raum die Dachbegrünung und der genutzte Dachgarten in naher Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Außerdem werden die unter dem Namen Fit for 55 firmierenden europäischen Rahmenrichtlinien für Gebäudeenergieeffizienz ab 2022 zusätzliche Impulse für die nationalen Gebäudestandards setzen.
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