Donnerstag, 21. November 2024

AbfallwasserstoffEnergie aus Siliziumresten

[02.10.2024] Wie mittels Kraft-Wärme-Kopplung Abfallwasserstoff aus der Industrie für die eigene Energieversorgung genutzt werden kann, zeigt ein Projekt in Taiwan. Während Brennstoffzellen daran scheiterten, können Gasmotoren den unreinen Wasserstoff gut verarbeiten.
Dank Gasmotor kann ein taiwanesisches Unternehmen Abfallwasserstoff für die unternehmenseigene Energieerzeugung nutzen.

Dank Gasmotor kann ein taiwanesisches Unternehmen Abfallwasserstoff für die unternehmenseigene Energieerzeugung nutzen.

(Bildquelle: Semisils/2G Energy)

Der Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft ist seit Jahren Kernthema der internationalen Energiepolitik. Häufig dreht sich die Diskussion um grünen Wasserstoff und die Frage, wie die notwendigen Produktionskapazitäten geschaffen werden können. Aber auch in anderen Bereichen schlummern große Potenziale, die es zu heben gilt. Dazu gehört der Abfallwasserstoff aus der Halbleiterindustrie. Halbleiter wiederverwenden Halbleiter sind aus dem Alltag unserer hochtechnisierten Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Ob in Computern, Smartphones, Autos oder in der Medizintechnik – sie sind ein wichtiger Bestandteil all dieser Geräte. Mit einem Weltmarktanteil von über 60 Prozent gilt Taiwan als globales Zentrum der Halbleiterindustrie. Und diese steht wie alle Industrien weltweit vor der Herausforderung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit Weiterentwicklung und Wirtschaftlichkeit möglichst effizient zu verbinden. So stellt sich zum Beispiel die Frage, wie anfallende Reststoffe wiederverwertet werden können. Die im Jahr 2013 gegründete Semisils Applied Materials Corporation mit Sitz in Tainan im Südwesten Taiwans hat sich dieser Aufgabe angenommen. Einer der Hauptabfälle bei der Halbleiterproduktion ist Silizium. Es entsteht beispielsweise, wenn rechteckige Rohchips in andere, eher runde Formen gebracht werden. Bislang wurden diese Schneid- und Stanzabfälle meist verbrannt. Genau hier setzt das Geschäftsmodell von Semisils an. Als weltweit erstem Unternehmen ist es Semisils gelungen, einen Prozess zum Recycling der Siliziumreste zu entwickeln – ein Quantensprung in der Kreislaufwirtschaft. In dem patentierten und geheimen Verfahren wird der Siliziumschlamm, eine Mischung aus Silizium und Wasser, aufbereitet. Dabei entstehen Materialien, die wiederum von verschiedenen Industrien als Rohstoffe benötigt werden. Ein Nebenprodukt dieses Recyclingprozesses ist Wasserstoff. Von Anfang an gab es bei Semisils Überlegungen, wie dieses Nebenprodukt sinnvoll im Unternehmen genutzt werden kann. Vor allem die eigene Energieversorgung war hier von Interesse. Gasmotor war des Rätsels Lösung Um das Thema forciert voranzutreiben, wurde GET Green Energy als 100-prozentige Tochter von Semisils gegründet. Technologisch wurde zunächst auf eine PEM-Brennstoffzelle gebaut, die vor allem in Asien in zahlreichen Anwendungen eingesetzt wird. Bereits nach kurzer Zeit zeigte sich jedoch, dass der im Recyclingprozess gewonnene Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 98 bis 99 Prozent für den Dauerbetrieb der Brennstoffzelle zu unrein war. Verschmutzungen der Membran ließen die Leistung nach kurzer Zeit deutlich sinken und führten immer wieder zu Ausfällen des Systems. Die Nutzung von Wasserstoff für die eigene Energieversorgung wurde daher wieder ad acta gelegt. Im Jahr 2021 kam Semisils allerdings in Kontakt mit AMPower, einem Unternehmen, das sich unter anderem auf dezentrale Energielösungen für industrielle Anwendungen spezialisiert hat. Eines seiner Kernkonzepte ist der Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW) zur effizienten Erzeugung von Strom und Wärme aus molekularen Brennstoffen. Andrew Lee, Vertriebsleiter bei AMPower, erinnert sich: „Als wir erstmals mit Semisils beziehungsweise GET Green Energy in Kontakt kamen, war den Entscheidern vor Ort nicht bewusst, dass ein Gasmotor des Rätsels Lösung sein könnte. Gerade in Asien haben Brennstoffzellenanwendungen eine lange Geschichte, unter anderem im Automobilbereich, sodass der Gasmotor bis dato nicht auf der Agenda stand.“ Robuste Wasserstoffmotoren Entscheidend war zu diesem Zeitpunkt die Partnerschaft von AMPower mit dem deutschen Hersteller von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen 2G Energy. Dieser hat bereits im Jahr 2018 seine Serienreife für wasserstoffbetriebene Blockheizkraftwerke unter Beweis gestellt und bis heute mehr als 30 Projekte weltweit realisiert. Das ursprünglich aus der Biogasbranche stammende Unternehmen beschäftigt sich seit seiner Gründung im Jahr 1995 mit der effizienten Umwandlung von Gasen unterschiedlichster Herkunft in Strom und Wärme. Entsprechend motiviert war man bei 2G, auch das Projekt in Taiwan in Angriff zu nehmen. Durch die Direkteinblasung in den Brennraum können Wasserstoffmotoren auch Abfallwasserstoff gut verarbeiten. 2G-CTO Frank Grewe verweist in diesem Zusammenhang auf die Robustheit der Motoren: „Unser Ursprung liegt in der Biogasbranche, die gerade in den Anfängen nicht unbedingt für die Reinheit der Moleküle bekannt war. Dementsprechend war unsere Entwicklungsarbeit schon immer vom Umgang mit unreinen Gasen und motorischen Anpassungen sowie der Bereitstellung geeigneter Peripheriekomponenten geprägt.“ Aber auch grundsätzlich stelle die Verwendung von Wasserstoff – ob rein oder unrein – keine technische Hürde für die Motorentechnik dar. „Wasserstoff hat zwar seine technischen Herausforderungen – von der geringeren Energiedichte bis zur schnelleren Entflammbarkeit – aber letztlich ist es nur ein Molekül unter vielen, das mit entsprechender Entwicklungsarbeit im Motor nutzbar ist.“ Maßstäbe gesetzt Sowohl für die Wasserstofferzeugung als auch für die energetische Nutzung hat das Projekt in Taiwan Maßstäbe gesetzt und gezeigt, welches Potenzial in Gasmotoren steckt. „Es gibt viele andere Branchen wie die Chemie- oder Düngemittelindustrie, in denen Wasserstoff als Abfallprodukt anfällt. Unser Konzept könnte also vielerorts eingesetzt werden und dazu beitragen, den steigenden Wasserstoffbedarf besser zu decken.“ Andrew Lee wirft hier auch einen Blick auf die Photovoltaikindustrie: „Wir alle freuen uns über den massiven Anstieg bei der Installation neuer PV-Anlagen und Elektroautos. Aber auch in diesem Bereich wird in den nächsten Jahrzehnten viel Siliziumschrott anfallen, der recycelt werden muss. Unser Projekt könnte eine Blaupause liefern, wie Kreislaufwirtschaft und Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme in Einklang gebracht werden können.“

Stefan Liesner ist Head of Public Affairs / Public Relations bei der 2G Energy AG.


Stichwörter: Wasserstoff, 2G Energy, KWK, Taiwan


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Wasserstoff

Stadtwerke Bonn: Pläne für H2-Anschluss vorgestellt

[20.11.2024] Die Stadtwerke Bonn haben jetzt der Bundesnetzagentur ihre Vorschläge zur Anbindung zweier Heizkraftwerke an das Wasserstoff-Kernnetz präsentiert. Die Pläne sind Teil der Strategie, die Klimaneutralität der Bundesstadt bis 2035 zu erreichen. mehr...

Alexander Honz vom Stadtwerk am See untersucht die Möglichkeit einer Wasserstoff-Transformation in der Region Bodensee-Oberschwaben.

Stadtwerk am See: Gasleitungen für Wasserstoff

[08.11.2024] Das Stadtwerk am See aus Friedrichshafen am Bodensee setzt gemeinsam mit regionalen Partnern auf eine wasserstoffbasierte Zukunft. Bei einer Veranstaltung informierten sie über den aktuellen Stand der Wasserstoffwandlung und die mögliche Anbindung der Region Bodensee-Oberschwaben an das Wasserstoff-Kernnetz. mehr...

Stadtwerke Speyer: Energiewabe mit Wasserstoff

[05.11.2024] Die Stadtwerke Speyer wollen ein innovatives Wasserstoffprojekt starten und suchen Partner aus der Wirtschaft. Ziel ist es, die regionale Energieversorgung nachhaltiger und wirtschaftlicher zu gestalten. mehr...

Sachsen-Anhalt: Projekt Green Octopus

[04.11.2024] In Sachsen-Anhalt wird der Aufbau einer klimaneutralen Wasserstoffwirtschaft konkret. Mit dem Projekt Green Octopus Mitteldeutschland soll ein wichtiger Beitrag zur Vernetzung von Erzeugungs- und Verbrauchsregionen geleistet werden. mehr...

Baden-Württemberg: Förderung für PEGASUS-Projekt

[04.11.2024] Das Land Baden-Württemberg unterstützt Daimler Truck jetzt mit einer Förderung von fast 50 Millionen Euro bei der Entwicklung von Wasserstoff-Lkw für den Schwerlastverkehr. Im Rahmen des Projekts PEGASUS sollen insgesamt 100 wasserstoffbasierte Lastkraftwagen entwickelt und unter realen Bedingungen getestet werden. mehr...

Bremen/Bremerhaven: Anschluss ans Wasserstoff-Kernnetz

[04.11.2024] Die Bundesnetzagentur hat jetzt die Anbindung Bremens und Bremerhavens an das deutsche Wasserstoff-Kernnetz genehmigt. Mit dem Projekt soll die Region Teil eines zukunftsweisenden Energieverbunds werden. mehr...

Verkehrsgesellschaft Vorpommern-Rügen: Erster Wasserstoff-Bus startet im Linienbetrieb

[31.10.2024] Mit dem Einsatz von emissionsfreien Wasserstoff-Bussen geht die Verkehrsgesellschaft Vorpommern-Rügen (VVR) einen wichtigen Schritt in der Antriebswende im öffentlichen Nahverkehr. Die ersten drei Brennstoffzellen-Busse sollen unter realen Bedingungen auf verschiedenen Strecken getestet werden. mehr...

badenova: Bundesnetzagentur genehmigt H2-Kernnetz in Südbaden

[30.10.2024] Die Bundesnetzagentur hat den Antrag der Fernleitungsnetzbetreiber zur Entwicklung eines nationalen Wasserstoff-Kernnetzes bestätigt. Der Verteilnetzbetreiber badenovaNETZE wird im Rahmen der Projekte RHYn Interco und H2@Hochrhein eine Schlüsselrolle beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Südbaden und am Hochrhein übernehmen. mehr...

Hamburg: HH-WIN wird Teil des nationalen Wasserstoff-Kernnetzes

[24.10.2024] Das Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz wird Teil des bundesweiten Wasserstoff-Kernnetzes, was Hamburgs Industrie ein einheitliches Wasserstoff-Netzentgelt sichert. Dies schafft Investitionssicherheit für den geplanten Ausbau des Netzes bis 2032. mehr...

Das Bild zeigt eine grün schimmernde Pipeline als Symbol für das Wasserstoffkernnetz. Im Hintergrund sind Windräder zu sehen.

Bundesnetzagentur: Grünes Licht für H2-Netz

[22.10.2024] Ein Kernnetz soll die Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland stärken und regionale Cluster vernetzen. Die Bundesnetzagentur hat die Pläne der Netzbetreiber nun genehmigt. mehr...

Wasserstoff kann zur Dekarbonisierung des Wärmesektors beitragen.

Infrastruktur: Die Netze in Toleranz üben

[10.10.2024] Im Sinne der Dekarbonisierung könnte Wasserstoff zumindest teilweise anstelle von Erdgas im Wärmesektor genutzt werden. Der Einsatz birgt jedoch Risiken. Lösungen gibt es bereits für die Messtechnik und Abrechnung. mehr...

Das Bild zeigt das Zeichen H2 für Wasserstoff, das in einer Flüssigkeit schwimmt.

Rheinland-Pfalz: Potenzialregionen für Wasserstoff

[08.10.2024] Eine aktuelle Studie des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität zeigt, dass es in Rheinland-Pfalz vielversprechende Regionen für die Produktion von grünem Wasserstoff gibt. mehr...

Das Bild zeigt die Eröffnung des Quest-One-Standorts in Hamburg, es ist unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz zu sehen.

Quest One: Serienproduktion von Elektrolyse-Stacks

[07.10.2024] Der Elektrolyse-Spezialist Quest One hat in Hamburg eine neue Produktionsstätte für die automatisierte Fertigung von Elektrolyse-Stacks eröffnet. Die Serienproduktion soll die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff erhöhen und die Energiewende vorantreiben. mehr...

Einweihung der neuen Gasturbine im Heizkraftwerk der Stadtwerke Bonn.

Stadtwerke Bonn: Neue Gasturbine in Betrieb genommen

[02.10.2024] Die Stadtwerke Bonn haben jetzt im Heizkraftwerk Nord eine wasserstofffähige Gasturbine in Betrieb genommen und eine bestehende Turbine umgebaut. Damit wird ein wichtiger Schritt hin zur klimaneutralen Energieversorgung der Stadt Bonn unternommen. mehr...