AbfallwasserstoffEnergie aus Siliziumresten
Der Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft ist seit Jahren Kernthema der internationalen Energiepolitik. Häufig dreht sich die Diskussion um grünen Wasserstoff und die Frage, wie die notwendigen Produktionskapazitäten geschaffen werden können. Aber auch in anderen Bereichen schlummern große Potenziale, die es zu heben gilt. Dazu gehört der Abfallwasserstoff aus der Halbleiterindustrie. Halbleiter wiederverwenden Halbleiter sind aus dem Alltag unserer hochtechnisierten Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Ob in Computern, Smartphones, Autos oder in der Medizintechnik – sie sind ein wichtiger Bestandteil all dieser Geräte. Mit einem Weltmarktanteil von über 60 Prozent gilt Taiwan als globales Zentrum der Halbleiterindustrie. Und diese steht wie alle Industrien weltweit vor der Herausforderung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz mit Weiterentwicklung und Wirtschaftlichkeit möglichst effizient zu verbinden. So stellt sich zum Beispiel die Frage, wie anfallende Reststoffe wiederverwertet werden können. Die im Jahr 2013 gegründete Semisils Applied Materials Corporation mit Sitz in Tainan im Südwesten Taiwans hat sich dieser Aufgabe angenommen. Einer der Hauptabfälle bei der Halbleiterproduktion ist Silizium. Es entsteht beispielsweise, wenn rechteckige Rohchips in andere, eher runde Formen gebracht werden. Bislang wurden diese Schneid- und Stanzabfälle meist verbrannt. Genau hier setzt das Geschäftsmodell von Semisils an. Als weltweit erstem Unternehmen ist es Semisils gelungen, einen Prozess zum Recycling der Siliziumreste zu entwickeln – ein Quantensprung in der Kreislaufwirtschaft. In dem patentierten und geheimen Verfahren wird der Siliziumschlamm, eine Mischung aus Silizium und Wasser, aufbereitet. Dabei entstehen Materialien, die wiederum von verschiedenen Industrien als Rohstoffe benötigt werden. Ein Nebenprodukt dieses Recyclingprozesses ist Wasserstoff. Von Anfang an gab es bei Semisils Überlegungen, wie dieses Nebenprodukt sinnvoll im Unternehmen genutzt werden kann. Vor allem die eigene Energieversorgung war hier von Interesse. Gasmotor war des Rätsels Lösung Um das Thema forciert voranzutreiben, wurde GET Green Energy als 100-prozentige Tochter von Semisils gegründet. Technologisch wurde zunächst auf eine PEM-Brennstoffzelle gebaut, die vor allem in Asien in zahlreichen Anwendungen eingesetzt wird. Bereits nach kurzer Zeit zeigte sich jedoch, dass der im Recyclingprozess gewonnene Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 98 bis 99 Prozent für den Dauerbetrieb der Brennstoffzelle zu unrein war. Verschmutzungen der Membran ließen die Leistung nach kurzer Zeit deutlich sinken und führten immer wieder zu Ausfällen des Systems. Die Nutzung von Wasserstoff für die eigene Energieversorgung wurde daher wieder ad acta gelegt. Im Jahr 2021 kam Semisils allerdings in Kontakt mit AMPower, einem Unternehmen, das sich unter anderem auf dezentrale Energielösungen für industrielle Anwendungen spezialisiert hat. Eines seiner Kernkonzepte ist der Einsatz von Blockheizkraftwerken (BHKW) zur effizienten Erzeugung von Strom und Wärme aus molekularen Brennstoffen. Andrew Lee, Vertriebsleiter bei AMPower, erinnert sich: „Als wir erstmals mit Semisils beziehungsweise GET Green Energy in Kontakt kamen, war den Entscheidern vor Ort nicht bewusst, dass ein Gasmotor des Rätsels Lösung sein könnte. Gerade in Asien haben Brennstoffzellenanwendungen eine lange Geschichte, unter anderem im Automobilbereich, sodass der Gasmotor bis dato nicht auf der Agenda stand.“ Robuste Wasserstoffmotoren Entscheidend war zu diesem Zeitpunkt die Partnerschaft von AMPower mit dem deutschen Hersteller von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen 2G Energy. Dieser hat bereits im Jahr 2018 seine Serienreife für wasserstoffbetriebene Blockheizkraftwerke unter Beweis gestellt und bis heute mehr als 30 Projekte weltweit realisiert. Das ursprünglich aus der Biogasbranche stammende Unternehmen beschäftigt sich seit seiner Gründung im Jahr 1995 mit der effizienten Umwandlung von Gasen unterschiedlichster Herkunft in Strom und Wärme. Entsprechend motiviert war man bei 2G, auch das Projekt in Taiwan in Angriff zu nehmen. Durch die Direkteinblasung in den Brennraum können Wasserstoffmotoren auch Abfallwasserstoff gut verarbeiten. 2G-CTO Frank Grewe verweist in diesem Zusammenhang auf die Robustheit der Motoren: „Unser Ursprung liegt in der Biogasbranche, die gerade in den Anfängen nicht unbedingt für die Reinheit der Moleküle bekannt war. Dementsprechend war unsere Entwicklungsarbeit schon immer vom Umgang mit unreinen Gasen und motorischen Anpassungen sowie der Bereitstellung geeigneter Peripheriekomponenten geprägt.“ Aber auch grundsätzlich stelle die Verwendung von Wasserstoff – ob rein oder unrein – keine technische Hürde für die Motorentechnik dar. „Wasserstoff hat zwar seine technischen Herausforderungen – von der geringeren Energiedichte bis zur schnelleren Entflammbarkeit – aber letztlich ist es nur ein Molekül unter vielen, das mit entsprechender Entwicklungsarbeit im Motor nutzbar ist.“ Maßstäbe gesetzt Sowohl für die Wasserstofferzeugung als auch für die energetische Nutzung hat das Projekt in Taiwan Maßstäbe gesetzt und gezeigt, welches Potenzial in Gasmotoren steckt. „Es gibt viele andere Branchen wie die Chemie- oder Düngemittelindustrie, in denen Wasserstoff als Abfallprodukt anfällt. Unser Konzept könnte also vielerorts eingesetzt werden und dazu beitragen, den steigenden Wasserstoffbedarf besser zu decken.“ Andrew Lee wirft hier auch einen Blick auf die Photovoltaikindustrie: „Wir alle freuen uns über den massiven Anstieg bei der Installation neuer PV-Anlagen und Elektroautos. Aber auch in diesem Bereich wird in den nächsten Jahrzehnten viel Siliziumschrott anfallen, der recycelt werden muss. Unser Projekt könnte eine Blaupause liefern, wie Kreislaufwirtschaft und Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme in Einklang gebracht werden können.“
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