Freitag, 22. November 2024

StromvermarktungEinsatz von KWK-Anlagen optimieren

[10.05.2013] Die Vermarktung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Basis von Erdgas am Strom-Spotmarkt rechnet sich kaum noch. Es ist daher ein ausgeklügeltes Erzeugungsmanagement für KWK-Anlagen notwendig, um diese weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können.
Ein spartenübergreifendes Energie- und Kosten-Optimierungssystem ermöglicht den wirtschaftlichen Betrieb von KWK-Anlagen.

Ein spartenübergreifendes Energie- und Kosten-Optimierungssystem ermöglicht den wirtschaftlichen Betrieb von KWK-Anlagen.

(Bildquelle: Stadtwerke Schwäbisch Hall)

Die aktuellen Spotmarktpreise stellen Betreiber von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) vor große Herausforderungen. Die hohe Windenergieeinspeisung sorgt seit Jahren an einzelnen Tagen für einen Preisverfall in den Nachtstunden (Off-Peak) und an Wochenenden. Nun drückt zudem die Solarstromeinspeisung auch am Nachmittag die Spotmarktpreise immer öfter unter das Grenzkosten-Niveau von KWK-Anlagen auf Basis von Erdgas. Alternativen bieten Geschäftsmodelle zur Stromvermarktung im räumlichen Zusammenhang, zur Eigenstromerzeugung oder die Umstellung auf Biomethan.

Stromgestehungskosten berechnen

Die nachfolgende Betrachtung geht davon aus, dass eine KWK-Anlage bereits errichtet wurde und dass diese betriebsbereit vorgehalten wird. Investitionskosten und KWK-Zuschlag bleiben unberücksichtigt. Die Stromgestehungskosten lassen sich am einfachsten unter Berücksichtigung einer Wärmegutschrift mit dem Äquivalentkosten-Ansatz berechnen. Unterstellt man, dass es keine günstigere Wärmequelle als Abwärme aus der Industrie oder von Müllheizkraftwerken gibt, konkurriert die KWK-Anlage mit der Wärmeerzeugung in Kesselanlagen. Hier kann ein Nutzungsgrad von 86 Prozent angenommen werden, womit bei einem Gaspreis von 40 Euro pro MWhHs frei Kraftwerk inklusive Energiesteuer ein Äquivalentwärmepreis von 52 Euro pro MWhth ermittelt werden kann.
Unter Berücksichtigung von elektrischem Wirkungsgrad, Stromkennzahl, Brennstoffpreis, Vollwartungskosten, Wärmegutschrift und Energiesteuer-Entlastungstatbeständen können dann die Stromgestehungskosten berechnet werden. Diese betragen, abhängig von der Anlagengröße, rund 45 bis 60 Euro pro Megawattstunde. Diese müssen mindestens erlöst werden, um die reinen Betriebskosten zu decken. Wird der Strom in ein öffentliches Netz eingespeist, erhält die Anlage vom Netzbetreiber eine Vergütung für vermiedene Netznutzungsentgelte. Deren Arbeitspreisanteil beträgt allerdings nur rund ein bis drei Euro pro MWh und beeinflusst somit die Stromgestehungskosten und die Einsatzplanung im Regelfall nicht wesentlich.
Erfolgt die Vergütung in Anlehnung an das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) zum üblichen Preis, also der Baseload-Durchschnittspreise des vorangegangenen Quartals – dieser schwankte innerhalb der letzten sechs Quartale zwischen 40 und 49 Euro/MWh –, so zeigt sich, dass KWK-Anlagen ohne Sondereffekte mit dieser Vergütung kaum noch wirtschaftlich betrieben werden können.

Kostendeckung unzureichend

Eine geordnete Jahresdauerlinie kann bei der Analyse von Strompreisen erste Ansätze liefern. Eine Auswertung der Preise am Day-ahead-Markt der europäischen Strombörse European Power Exchange (EPEX SPOT SE) zeigt auf, dass Preise von über 50 Euro/MWh in den vergangenen drei Jahren nur an 2.700 Stunden (in den Jahren 2010 und 2012) bis 4.750 Stunden (2011) erreicht werden konnten.
Die üblichen 5.000 Volllastbetriebsstunden im Jahr (Vbh/a) lassen sich somit nicht mehr über alle Stunden kostendeckend erreichen. Es ist zu erwarten, dass KWK-Anlagen zukünftig nur noch maximal 3.000 Vbh/a gefahren werden können – und das mit diversen, untertägigen Lastwechseln. Motoranlagen wie etwa Blockheizkraftwerke (BHKW) sind hierfür prädestiniert – wobei im Vergleich zur heutigen Auslegung künftig mindestens die doppelte KWK-Leistung installiert werden muss, um den KWK-Anteil an der Wärmeerzeugung zu halten. Des Weiteren sind deutlich größere Wärmespeicher erforderlich, um die KWK-Wärme für Stunden, in denen der Betrieb nicht kostendeckend ist, zu speichern.

Spartenübergreifende Optimierung

Es bedarf somit eines ausgeklügelten Erzeugungsmanagements für KWK-Anlagen, welches den Wärmebedarf prognostiziert, die Spotmarktpreise berücksichtigt, den Einsatz von Wärmespeichern optimiert und somit kostenoptimierte Fahrpläne ausgibt. Wesentliche Größe ist hier die Day-ahead-Vermarktung am Spotmarkt, wobei zusätzliche Erlöse auch durch eine integrierte Vermarktung im Intra-Day-Handel und am Regelenergiemarkt erreicht werden können. Dies ist jedoch nur ein Zusatzeffekt: Die Frage, ob die Anlage läuft oder nicht, wird primär durch die Preise am Day-ahead-Markt entschieden.
Die Stadtwerke Schwäbisch Hall setzen bei der Einsatzoptimierung auf eine Software der schwedischen Firma Energy Opticon und haben diese zu einem spartenübergreifenden Energie- und Kosten-Optimierungssystem (SEKOS) ausgebaut. Hier sind nicht nur rund 25 Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, mehrere Wärmespeicher und deren Wärmelasten modelliert, sondern auch die Lastflüsse im lokalen Strom- und Gasverteilnetz, sodass durch eine spartenübergreifende Optimierung das Gesamtergebnis der Stadtwerke ermöglicht wird. Dieser Ansatz geht über den eines virtuellen Kraftwerks noch hinaus.
Für KWK-Anlagen kleiner als zwei MWel sind die Abwicklungskosten für die Stromvermarktung oftmals noch zu hoch, um dies wirtschaftlich darzustellen. Glücklicherweise bietet sich hier für Stadtwerke die Stromsteuerentlastung gemäß §9 des Stromsteuergesetzes (StromStG) an. Auf dieser Basis kann ein Stadtwerk für Lieferungen an Kunden im räumlichen Zusammenhang eine Erstattung der Stromsteuer in Höhe von 20,50 Euro/MWh geltend machen. Somit lassen sich Grenzkosten von 20 bis 30 Euro pro MWh erzielen und Blockheizkraftwerke ab 20 kWel auch bei Volleinspeisung wirtschaftlich betreiben.

Alternativen zur Einspeisung

Derzeit von großem Interesse ist das so genannte Eigenstromprivileg des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das eine indirekte Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen darstellt. Das EEG-Eigenstromprivileg erlaubt es den Stromerzeugern, selbstverbrauchten Strom ohne Zahlung der EEG-Umlage zu nutzen. Darüber hinaus ist der Strom für Anlagen kleiner als zwei MW von der Stromsteuer befreit. Netznutzungsentgelte und weitere Umlagen fallen nicht an, wenn kein öffentliches Netz genutzt wird. Auf Basis der Stromgestehungskosten von 50 bis 60 Euro/MWh kann Fremdstrombezug zu 150 bis 250 Euro/MWh verdrängt werden. Dieses Modell funktioniert zwar nur in engen rechtlichen Grenzen mit besonderen Geschäftsmodellen, ist aber für Industrie und Gewerbe derzeit eine durchaus lukrative Möglichkeit zur Senkung der Energiekosten. In manchen Fällen kann es auch lohnend sein, Dritte im Objekt mit Strom zu beliefern; hier ist dann jedoch die EEG-Umlage fällig.
Die einfachere Alternative ist zumindest für Erdgas-BHKW der Wechsel in die kostendeckende Vergütung des EEG. Hierzu muss lediglich Biomethan beschafft und die Anlage beim Netzbetreiber und bei Behörden umgemeldet werden. Ein technische Umrüstung ist nicht erforderlich, da physikalisch weiterhin Erdgas eingesetzt wird und das Biomethan, auch Bioerdgas genannt, lediglich bilanziell über das Erdgasnetz gehandelt wird. Interessante Zusatzerlöse bietet hier auch die neue EEG-Direktvermarktung mit der Markt- und Flexibilitätsprämie, die es ermöglicht, auch BHKW mit nur 3.000 Volllastbetriebsstunden wirtschaftlich zu betreiben und somit Anreize zur spotmarktorientierten Vorgehensweise setzt.

Arne Jan Hinz ist bei den Stadtwerken Schwäbisch Hall Gruppenleiter Technisches Controlling.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Kraft-Wärme-Kopplung

BEE: Grüne KWK stärken

[05.11.2024] Der BEE fordert eine Verlängerung des KWKG bis 2035 nach einer Reform ab 2026. Vorab soll das Fördersystem auf zukunftsfähige, grüne Anlagenkonzepte ausgerichtet werden. mehr...

BHKW-Kompaktmodul FG 95 und Gas­fackel auf der Deponie Reesberg.

Kirchlengern: Deponie liefert grüne Energie

[17.10.2024] Auf der Deponie Reesberg in Kirchlengern erzeugt seit Mai 2024 ein Blockheizkraftwerk (BHKW) des Unternehmens Sokratherm umweltfreundlich Strom und Wärme. Betrieben wird es ausschließlich mit Deponiegas, das beim Zerfall der deponierten Abfälle entsteht. mehr...

B.KWK-Kongress: Garant für Energiewende

[16.10.2024] Der B.KWK-Kongress findet am 11. und 12. November 2024 in Berlin statt. Motto ist „Kraft-Wärme-Kopplung – Garant der Energiewende“. mehr...

Das Bild zeigt Dr. Hansjörg Roll, Technikvorstand von MVV; Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender von MVV; Uwe Zickert, Geschäftsführer MVV Umwelt, vor dem Biomassekraftwerk.

MVV Energie: Biomassekraftwerk liefert grüne Wärme

[14.10.2024] MVV Energie hat ein Biomassekraftwerk zu einem Heizkraftwerk umgebaut. Rund die Hälfte der Mannheimer Haushalte kann nun mit grüner Wärme versorgt werden. mehr...

Hoher Wirkungsgrad

Serie Best Practice KWK: Mit Dampf Strom machen

[11.10.2024] Mikro-Dampfturbinen können auch kleine Dampfmengen energetisch nutzen. In der Müllverbrennungsanlage der GMVA Niederrhein sorgt eine solche Turbine dafür, dass der bereits zur Dampferzeugung eingesetzte Brennstoff-Abfall noch effizienter genutzt wird. mehr...

2G Energy: Preis für nachhaltige H2-Produktion

[27.09.2024] Das SoHyCal-Projekt in Kalifornien, das von der Firma H2B2 initiiert und von 2G Energy unterstützt wurde, ist von der Combined Heat and Power Alliance mit dem CHP Project of the Year Award 2024 ausgezeichnet worden. mehr...

Grubengasanlage am STEAG-Standort Völklingen-Fenne.

Iqony Energy: Grubengasmotoren modernisiert

[06.08.2024] Iqony Energies modernisiert acht Grubengasmotoren im Saarland und investiert dafür 26 Millionen Euro. Damit soll die Fernwärmeversorgung effizienter und umweltfreundlicher werden. mehr...

Zwei jeweils 1

Stadtwerke Duisburg: Wärmepumpen eingetroffen

[26.07.2024] In Duisburg sind die beiden Wärmepumpen für die neue innovative Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (iKWK) der Stadtwerke eingetroffen. Ende des Jahres soll der Probebetrieb starten. Der Elektrokessel hat letzteren bereits erfolgreich absolviert und durchläuft derzeit die Anmeldung für den Regelenergiemarkt. mehr...

Stadtwerke können das Rohbiogas ankaufen und damit in das Speicherkraftwerk investieren.
bericht

Bioenergie: Bedeutung von Biogas und Biomethan

[01.07.2024] Der Einsatz von Biogas und Biomethan bietet Stadtwerken eine Chance. Denn die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ist nicht nur schneller am Netz als große Kraftwerke, auch der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft wird deutlich früher gelingen. mehr...

Absichtserklärung unterzeichnet: Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden.

Energie SaarLorLux: Umstellung auf grünen Wasserstoff

[01.07.2024] Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR in Saarbrücken soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden. Dazu haben die INNIO-Gruppe und der Energieversorger Energie SaarLorLux eine Absichtserklärung unterzeichnet. mehr...

Podiumsdiskussion zur Zukunft der KWK in Duisburg.

KWK: Wichtige Säule im Klimaschutz

[25.06.2024] Die Branche diskutierte auf dem 22. Duisburger KWK-Symposium Potenziale und Herausforderungen. mehr...

Christian Grotholt
interview

Interview: KWK als grüner Teamplayer

[24.06.2024] In der Energiepolitik fehlt ein klares Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung, sagt Christian Grotholt. stadt+werk sprach mit dem Chef des Anlagenherstellers 2G Energy über die Rolle der KWK im künftigen Energiesystem. mehr...

Mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lässt sich Primärenergie effizienter verwerten.
bericht

Kraft-Wärme-Kopplung: Wird die Renaissance eingeläutet?

[18.06.2024] Gemäß einer Entscheidung des EuG stellt das im Jahr 2020 novellierte KWK-Gesetz als umlagebasiertes Förderinstrument keine Beihilfe dar. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, eröffnet das der Kraft-Wärme-Kopplung neue Perspektiven. Auch einige Bremsklötze ließen sich beseitigen. mehr...

Direkt an der Lahn errichten die SWG ein Gebäude
bericht

Stadtwerke Gießen: Heizenergie aus der Lahn

[27.05.2024] Die Stadtwerke Gießen (SWG) engagieren sich seit langem für die Reduzierung von CO2-Emissionen bei der Wärmeerzeugung. Ihr aktuelles Großprojekt, die innovative Kraft-Wärme-Kopplungsanlage PowerLahn, nutzt das Wasser der Lahn als Wärmequelle. mehr...