Samstag, 2. November 2024

StromvermarktungEinsatz von KWK-Anlagen optimieren

[10.05.2013] Die Vermarktung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Basis von Erdgas am Strom-Spotmarkt rechnet sich kaum noch. Es ist daher ein ausgeklügeltes Erzeugungsmanagement für KWK-Anlagen notwendig, um diese weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können.
Ein spartenübergreifendes Energie- und Kosten-Optimierungssystem ermöglicht den wirtschaftlichen Betrieb von KWK-Anlagen.

Ein spartenübergreifendes Energie- und Kosten-Optimierungssystem ermöglicht den wirtschaftlichen Betrieb von KWK-Anlagen.

(Bildquelle: Stadtwerke Schwäbisch Hall)

Die aktuellen Spotmarktpreise stellen Betreiber von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) vor große Herausforderungen. Die hohe Windenergieeinspeisung sorgt seit Jahren an einzelnen Tagen für einen Preisverfall in den Nachtstunden (Off-Peak) und an Wochenenden. Nun drückt zudem die Solarstromeinspeisung auch am Nachmittag die Spotmarktpreise immer öfter unter das Grenzkosten-Niveau von KWK-Anlagen auf Basis von Erdgas. Alternativen bieten Geschäftsmodelle zur Stromvermarktung im räumlichen Zusammenhang, zur Eigenstromerzeugung oder die Umstellung auf Biomethan.

Stromgestehungskosten berechnen

Die nachfolgende Betrachtung geht davon aus, dass eine KWK-Anlage bereits errichtet wurde und dass diese betriebsbereit vorgehalten wird. Investitionskosten und KWK-Zuschlag bleiben unberücksichtigt. Die Stromgestehungskosten lassen sich am einfachsten unter Berücksichtigung einer Wärmegutschrift mit dem Äquivalentkosten-Ansatz berechnen. Unterstellt man, dass es keine günstigere Wärmequelle als Abwärme aus der Industrie oder von Müllheizkraftwerken gibt, konkurriert die KWK-Anlage mit der Wärmeerzeugung in Kesselanlagen. Hier kann ein Nutzungsgrad von 86 Prozent angenommen werden, womit bei einem Gaspreis von 40 Euro pro MWhHs frei Kraftwerk inklusive Energiesteuer ein Äquivalentwärmepreis von 52 Euro pro MWhth ermittelt werden kann.
Unter Berücksichtigung von elektrischem Wirkungsgrad, Stromkennzahl, Brennstoffpreis, Vollwartungskosten, Wärmegutschrift und Energiesteuer-Entlastungstatbeständen können dann die Stromgestehungskosten berechnet werden. Diese betragen, abhängig von der Anlagengröße, rund 45 bis 60 Euro pro Megawattstunde. Diese müssen mindestens erlöst werden, um die reinen Betriebskosten zu decken. Wird der Strom in ein öffentliches Netz eingespeist, erhält die Anlage vom Netzbetreiber eine Vergütung für vermiedene Netznutzungsentgelte. Deren Arbeitspreisanteil beträgt allerdings nur rund ein bis drei Euro pro MWh und beeinflusst somit die Stromgestehungskosten und die Einsatzplanung im Regelfall nicht wesentlich.
Erfolgt die Vergütung in Anlehnung an das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) zum üblichen Preis, also der Baseload-Durchschnittspreise des vorangegangenen Quartals – dieser schwankte innerhalb der letzten sechs Quartale zwischen 40 und 49 Euro/MWh –, so zeigt sich, dass KWK-Anlagen ohne Sondereffekte mit dieser Vergütung kaum noch wirtschaftlich betrieben werden können.

Kostendeckung unzureichend

Eine geordnete Jahresdauerlinie kann bei der Analyse von Strompreisen erste Ansätze liefern. Eine Auswertung der Preise am Day-ahead-Markt der europäischen Strombörse European Power Exchange (EPEX SPOT SE) zeigt auf, dass Preise von über 50 Euro/MWh in den vergangenen drei Jahren nur an 2.700 Stunden (in den Jahren 2010 und 2012) bis 4.750 Stunden (2011) erreicht werden konnten.
Die üblichen 5.000 Volllastbetriebsstunden im Jahr (Vbh/a) lassen sich somit nicht mehr über alle Stunden kostendeckend erreichen. Es ist zu erwarten, dass KWK-Anlagen zukünftig nur noch maximal 3.000 Vbh/a gefahren werden können – und das mit diversen, untertägigen Lastwechseln. Motoranlagen wie etwa Blockheizkraftwerke (BHKW) sind hierfür prädestiniert – wobei im Vergleich zur heutigen Auslegung künftig mindestens die doppelte KWK-Leistung installiert werden muss, um den KWK-Anteil an der Wärmeerzeugung zu halten. Des Weiteren sind deutlich größere Wärmespeicher erforderlich, um die KWK-Wärme für Stunden, in denen der Betrieb nicht kostendeckend ist, zu speichern.

Spartenübergreifende Optimierung

Es bedarf somit eines ausgeklügelten Erzeugungsmanagements für KWK-Anlagen, welches den Wärmebedarf prognostiziert, die Spotmarktpreise berücksichtigt, den Einsatz von Wärmespeichern optimiert und somit kostenoptimierte Fahrpläne ausgibt. Wesentliche Größe ist hier die Day-ahead-Vermarktung am Spotmarkt, wobei zusätzliche Erlöse auch durch eine integrierte Vermarktung im Intra-Day-Handel und am Regelenergiemarkt erreicht werden können. Dies ist jedoch nur ein Zusatzeffekt: Die Frage, ob die Anlage läuft oder nicht, wird primär durch die Preise am Day-ahead-Markt entschieden.
Die Stadtwerke Schwäbisch Hall setzen bei der Einsatzoptimierung auf eine Software der schwedischen Firma Energy Opticon und haben diese zu einem spartenübergreifenden Energie- und Kosten-Optimierungssystem (SEKOS) ausgebaut. Hier sind nicht nur rund 25 Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, mehrere Wärmespeicher und deren Wärmelasten modelliert, sondern auch die Lastflüsse im lokalen Strom- und Gasverteilnetz, sodass durch eine spartenübergreifende Optimierung das Gesamtergebnis der Stadtwerke ermöglicht wird. Dieser Ansatz geht über den eines virtuellen Kraftwerks noch hinaus.
Für KWK-Anlagen kleiner als zwei MWel sind die Abwicklungskosten für die Stromvermarktung oftmals noch zu hoch, um dies wirtschaftlich darzustellen. Glücklicherweise bietet sich hier für Stadtwerke die Stromsteuerentlastung gemäß §9 des Stromsteuergesetzes (StromStG) an. Auf dieser Basis kann ein Stadtwerk für Lieferungen an Kunden im räumlichen Zusammenhang eine Erstattung der Stromsteuer in Höhe von 20,50 Euro/MWh geltend machen. Somit lassen sich Grenzkosten von 20 bis 30 Euro pro MWh erzielen und Blockheizkraftwerke ab 20 kWel auch bei Volleinspeisung wirtschaftlich betreiben.

Alternativen zur Einspeisung

Derzeit von großem Interesse ist das so genannte Eigenstromprivileg des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das eine indirekte Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen darstellt. Das EEG-Eigenstromprivileg erlaubt es den Stromerzeugern, selbstverbrauchten Strom ohne Zahlung der EEG-Umlage zu nutzen. Darüber hinaus ist der Strom für Anlagen kleiner als zwei MW von der Stromsteuer befreit. Netznutzungsentgelte und weitere Umlagen fallen nicht an, wenn kein öffentliches Netz genutzt wird. Auf Basis der Stromgestehungskosten von 50 bis 60 Euro/MWh kann Fremdstrombezug zu 150 bis 250 Euro/MWh verdrängt werden. Dieses Modell funktioniert zwar nur in engen rechtlichen Grenzen mit besonderen Geschäftsmodellen, ist aber für Industrie und Gewerbe derzeit eine durchaus lukrative Möglichkeit zur Senkung der Energiekosten. In manchen Fällen kann es auch lohnend sein, Dritte im Objekt mit Strom zu beliefern; hier ist dann jedoch die EEG-Umlage fällig.
Die einfachere Alternative ist zumindest für Erdgas-BHKW der Wechsel in die kostendeckende Vergütung des EEG. Hierzu muss lediglich Biomethan beschafft und die Anlage beim Netzbetreiber und bei Behörden umgemeldet werden. Ein technische Umrüstung ist nicht erforderlich, da physikalisch weiterhin Erdgas eingesetzt wird und das Biomethan, auch Bioerdgas genannt, lediglich bilanziell über das Erdgasnetz gehandelt wird. Interessante Zusatzerlöse bietet hier auch die neue EEG-Direktvermarktung mit der Markt- und Flexibilitätsprämie, die es ermöglicht, auch BHKW mit nur 3.000 Volllastbetriebsstunden wirtschaftlich zu betreiben und somit Anreize zur spotmarktorientierten Vorgehensweise setzt.

Arne Jan Hinz ist bei den Stadtwerken Schwäbisch Hall Gruppenleiter Technisches Controlling.




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