PorträtEinfach mal machen
Kerstin Busch, seit Oktober 2018 Sprecherin der Geschäftsführung der Berliner Stadtwerke, blickt auf eine vielseitige berufliche Laufbahn zurück. Die gelernte Ingenieurin für Verfahrenstechnik fühlt sich in mehreren Bereichen zu Hause. Schon zu Beginn ihres Studiums an der TU Berlin im Fachgebiet Umwelttechnik zur Diplomingenieurin setzte sie sich parallel in die Vorlesungen der Tiermedizin. Letztendlich entschied sie sich aber doch für die Technik – und später zusätzlich für die Wirtschaft.
Nach der Schule ging es für Kerstin Busch erst einmal ins Ausland, ein Jahr nach England und drei Monate nach Israel. „Als ich zurückkam, habe ich 1985/86 den Studiengang Umwelttechnik entdeckt, der zu der Zeit ganz neu war“, erzählt sie. „Damals war das noch mehr als heute eine Branche mit wesentlich höherem Männer- als Frauenanteil. Da hat sich in den vergangenen 20 Jahren schon viel verändert.“ Dennoch habe sie im Laufe ihrer Karriere und ihres Studiums oft den Druck verspürt, starke Leistungen bringen zu müssen.
„Ich war immer besonders gut auf Meetings vorbereitet, habe mich extra mit allen wichtigen Fakten vertraut gemacht“, erinnert sich Busch. Dass sie sich stets in männerdominierten Branchen bewegt hat, habe sie aber nie gestört: „Ich mache einfach das, was ich mache.“ Dass es als Frau mitunter unerwartet schwierig werden kann, merkte sie beispielsweise, als sie Mitte der 1990er-Jahre an einem Projekt in Georgien teilnahm. „Es ging darum, ein Kraftwerk zu rehabilitieren und bei einer ersten Schnittstellendiskussion wollten mich die Mitarbeiter des lokalen Auftraggebers nicht teilnehmen lassen, weil ich eine Frau bin“, erinnert sich Busch. „Da musste tatsächlich der Vorarbeiter eine Standpauke auf Russisch halten, danach ging es.“
Tagsüber Arbeit, abends Uni
Nach Ende ihres technischen Studiums begann Busch 1998 berufsbegleitend Wirtschaft zu studieren. Während sie tagsüber an ihrer Promotion als Verfahrenstechnikerin über hormonelle Stoffe im Wasser schrieb, ging es abends zurück in den Hörsaal. „Ich würde so eine Doppelbelastung nicht unbedingt empfehlen“, sagt die heutige Stadtwerke-Chefin. „Wobei es schon von Vorteil ist, Ingenieurwesen mit Wirtschaft zu kombinieren. Außerdem war ich damals jung, hatte also genügend Energiereserven – und ich war einfach sehr motiviert.“
Auch vor der Rolle als Quereinsteigerin im Bankwesen schreckte sie nicht zurück. So nahm die inzwischen promovierte Ingenieurin und Wirtschaftswissenschaftlerin im Jahr 2000, pünktlich als das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) herauskam, einen Job bei der Deutschen Kreditbank an. Dort war sie als Banking Engineer beispielsweise für die Risikobewertung im Bereich regenerativer Energien zuständig. Zugute kam ihr das Ingenieurstudium, aus diesem wusste sie beispielsweise bereits über Biogas Bescheid – immerhin hatte sich ihre Promotion ausführlich mit Klärwerken sowie dem Nachweis hormoneller Stoffe im Trinkwasser beschäftigt. „Mein Motto ist bis heute: Learning by Doing!“, erklärt Busch. „Natürlich war ich banktechnisch sozusagen Quereinsteigerin, aber mein wissenschaftlicher Hintergrund unterstützte mich in meiner Tätigkeit.“
Beratung der Bundesregierung
Ihr Fachwissen kam ihr auch bei der Arbeit für das Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers (PwC) zugute. Dort beriet sie im Bereich Erneuerbare Energien beispielsweise den interministeriellen Ausschuss der Bundesregierung. „So konnte ich damals etwas machen, was mich wirklich sehr angesprochen hat: Etwas erledigen, das einen Einfluss hat und beispielsweise dabei helfen, eine Photovoltaik-Fabrik auf eine Baufläche in Spanien zu setzen – das war schon toll“, blickt Busch zurück.
Doch dann kam die Wirtschaftskrise und wirkte sich auf die Errichtung und Subventionierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen aus. „Es ging erstmal bergab mit den Photovoltaik-Herstellern“, berichtet Busch. Also kam sie 2008 zurück nach Berlin. Und auch beim neuerlichen Umbruch kam ihr ihre vielseitige Ausbildung zugute. So übernahm sie im Jahr 2008 zunächst die Rolle als Team-Leiterin bei Ecofys, einem Beratungsunternehmen im Bereich Erneuerbare Energien. Vier Jahre später ereilte sie ein neues Angebot: Der Job als Abteilungsleiterin beim Mannheimer Unternehmen MVV Energie. „Die MVV gab mir Einsicht in die Abläufe eines sehr großen, etablierten Stadtwerks. Im Grunde eine ideale Vorbereitung auf meine heutige Stelle“, sagt Busch.
Lokal etwas bewirken
Als die MVV umstrukturiert wurde, kündigte sich für Busch der Wechsel zu den Berliner Stadtwerken an. Ein großer Anreiz war dabei die Lokalität. „Ich wollte gerne für Berlin arbeiten“, sagt sie. „Schließlich bin ich seit 30 Jahren Berlinerin und wollte natürlich auch meine eigene Energie gerne da investieren, wo ich wohne.“ Zudem habe sie an der Stelle interessiert, dass die Berliner Stadtwerke 2018 noch in den Startlöchern standen. „Etwas aufzubauen und Teil eines jungen Stadtwerks zu sein, hat natürlich seine Vorzüge gegenüber der Arbeit für ein alteingesessenes Unternehmen“, so Busch.
Das Land Berlin zu beliefern sei ebenso eine interessante Herausforderung wie der dringend notwendige solare Zubau auf den Berliner Dächern. Künftig wird außerdem der Ausbau der Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge von den Stadtwerken gemanagt. Wichtigste Partner der Stadtwerke sind die Vertreter des Landes, ob aus den Bezirken, der zentralen Immobilienverwaltung oder den landeseigenen Unternehmen. „Das war am Anfang ein mühseliger und langwieriger Prozess“, erinnert sich die Stadtwerke-Chefin. „Wir mussten erst mal Aufbauarbeit leisten; unsere Kernkompetenzen und dazugehörige Modelle entwickeln und das ganze wirtschaftlich darstellen. Da in der Vergangenheit viel Personal auf behördlicher Ebene eingespart wurde, war es oft nicht möglich, mit einem klaren Ja auf unsere Modelle zu antworten. Aber nachdem das Thema Klimawandel immer drängender wird und auch in einigen Berliner Bezirken der Klimanotstand ausgerufen wurde, ist klar, dass alle gemeinsam mehr tun wollen und müssen.“
Dabei betont Busch, dass die Berliner Stadtwerke nur ein Player unter vielen in diesem Bereich sind. „Allerdings beim solaren Ausbau in Berlin seit Jahren der mit Abstand Größte“, so die Geschäftsführerin. Ziel des Senats ist es, 4,4 Gigawatt auf den Dächern zu installieren, um damit 25 Prozent des Strombedarfs abzudecken. Aktuell sind nur circa 110 Megawatt generiert. „Um das gesteckte Ziel zu erreichen, müssen wir mit vielen Partnern und auch mit Konkurrenten zusammenarbeiten“, meint Busch.
Früh Begeisterung wecken
Obwohl sich in der Vergangenheit viel verändert hat, nimmt Kerstin Busch als Geschäftsführerin eines Stadtwerks auch heute noch eine Sonderrolle ein. „Die deutschen Stadtwerke sind zumindest in der Führungsebene immer noch männerdominiert“, sagt sie. „Ansonsten gilt das mittlerweile nicht mehr. Was die Bereiche Politik, Wirtschaft und auch das Ingenieurwesen angeht, sehen wir ein immer ausgeglicheneres Verhältnis zwischen Männern und Frauen.“ Aktionen wie der Girls Day, an dem die Berliner Stadtwerke teilnehmen, hält sie deshalb für wichtig, um schon früh Begeisterung für Technik zu wecken.
Ihr Job heute vereint die drei Dimensionen Politik, Wirtschaft und Technik – genau darauf ist Busch mit ihrer vielseitigen Karriere gut vorbereitet. Als Ausgleich zur Arbeit dienen ihr Hobbys: „Vor allem beim Tennis spielen und Radfahren kann ich gut abschalten. Deswegen fahre ich beispielsweise auch morgens immer mit dem Rad zur Arbeit.“ Auf die Frage, ob sie rückblickend vielleicht doch gerne Tierärztin geworden wäre, sagt Busch lachend: „Da denke ich nie dran. Das wäre mir bestimmt viel zu langweilig.“
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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