Wasserstoff-BHKWEine Vision wird Wirklichkeit
Wenn Frank Grewe, Chief Technology Officer (CTO) beim Anlagenhersteller 2G Energy, an die Anfangszeit der Wasserstoffentwicklung in seinem Unternehmen denkt, kann er sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen: „Ich erinnere mich an viele externe, aber auch interne Stimmen, die nur wenig Verständnis für die Entwicklung von wasserstoffbetriebenen Blockheizkraftwerken (BHKW) hatten und unsere Arbeit seinerzeit eher als Ressourcenverschwendung bewertet haben.“ Dass diese Einschätzung falsch war, haben die jüngsten Entwicklungen auf geopolitischer Ebene und deren Auswirkungen auf die Energiewelt mehr als deutlich gemacht.
„Ursprünglich aus dem Biogasmarkt kommend war für uns ohnehin klar, dass das fossile Zeitalter irgendwann sein Ende finden wird. Wir haben immer an Wasserstoff geglaubt und konnten fernab von hohem Erwartungsdruck große Entwicklungserfolge erzielen und wichtige Erfahrungen sammeln“, resümiert Grewe die Arbeit der vergangenen Jahre. Nichtsdestotrotz blieb es nicht bei der Entwicklung im stillen Kämmerlein, sondern an vielen Orten auf der Welt sind schon heute Wasserstoff-BHKW in Betrieb. Mittlerweile konnte 2G knapp 20 Anlagen auf drei verschiedenen Kontinenten vertreiben – Tendenz stark steigend.
Energiewende fängt im Kleinen an
„Die Energiewende fängt im Kleinen an“ – mit diesem Satz bringt Norbert Zösch, Geschäftsführer des Stadtwerks Haßfurt, die Philosophie des Versorgers der rund 14.000 Einwohner zählenden Gemeinde Haßfurt im bayerischen Unterfranken auf den Punkt. Bereits im Oktober 2016 nahm Windgas Haßfurt – ein Gemeinschaftsunternehmen des Stadtwerks Haßfurt und der Hamburger Öko-Energiegenossenschaft Greenpeace Energy – eine Power-to-Gas-Anlage (PtG) in Betrieb. Herzstück der Anlage ist ein containergroßer PEM-Elektrolyseur mit einer Spitzenleistung von 1,25 Megawatt (MW). Die hochmoderne Anlage wandelt überschüssigen Strom aus dem nahen Bürgerwindpark Sailershäuser Wald sowie aus weiteren Windenergie- und Solaranlagen in erneuerbaren Wasserstoff um.
Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme eines BHKW von 2G zur Rückverstromung von regenerativ gewonnenem Wasserstoff im Juni 2019 wurde die bestehende Anlage erweitert. Stadtwerk-Geschäftsführer Zösch bewertet die Vervollständigung der Speicherkette als einen wichtigen Beitrag für den Ausgleich von Erzeugung und Bedarf: „Da sowohl die PtG-Anlage als auch das H2-BHKW eine hohe Dynamik aufweisen, können mit dem Gesamtsystem aus Elektrolyseur, H2-Speicher und H2-BHKW Stromüberschüsse und Unterdeckungen aus der erneuerbaren Stromerzeugung im lokalen Bilanzkreis oder übergeordnet mit Regelenergie im Verteilnetz ausgeglichen werden.“
Chancen der KWK mit Wasserstoff
Doch auch im Bereich der urbanen Quartiersversorgung hat man die Chancen einer versorgungssicheren Klimaneutralität via Kraft-Wärme-Kopplung mit Wasserstoff erkannt – wie das Beispiel der Neuen Weststadt in Esslingen am Neckar zeigt. Die Planer des Projekts haben es sich zum Ziel gesetzt, die über 500 Wohnungen, einige Ladenlokale, ein Bürohochhaus und einen Campus für etwa 1.800 Studierende klimaneutral mit Strom und Wärme zu versorgen. Getreu dem Motto Efficiency First steht dabei zunächst im Vordergrund, den Energiebedarf möglichst gering zu halten. Dennoch verbleibt auch bei Anwendung einer Vielzahl von Energieeffizienzmaßnahmen im Gesamtkomplex eine Residualleistung, die es klimaneutral zu decken gilt.
Dazu wird in der Umgebung regenerativ erzeugter Strom von einem unterirdisch aufgestellten Elektrolyseur in Wasserstoff umgewandelt und kann bei Bedarf von einem 2G-BHKW wieder als Strom und Wärme genutzt werden – eine lokale Sektorkopplung. Zusätzlicher Effizienzvorteil der Anwendung: die beim Elektrolyseprozess anfallende Abwärme mit einem Temperaturniveau von circa 55 Grad Celsius trägt zur Deckung des Grundwärmebedarfs in Form von Heizen und Warmwasserbereitung bei.
Sichere Versorgung
Kommunale Energieversorgung und innovative Quartierskonzepte sind jedoch nur eine Seite der Medaille, wenn es um die flächendeckende Dekarbonisierung der Gesellschaft geht. Vor mindestens ebenso großen Herausforderungen steht die Industrie, für die bei allem Streben nach Klimaneutralität die Versorgungssicherheit existenzielle Ausmaße hat. „Bei unseren Industriekunden verspüren wir derzeit branchenunabhängig einen starken Willen, das eigene Unternehmen energetisch fit für die Zukunft und damit klimaneutral zu machen“, erläutert 2G-Technikchef Grewe. „Daraus ergeben sich für jedes einzelne Unternehmen komplexe Fragestellungen, die gekoppelt sind an die technischen Anforderungen des jeweiligen Betriebs: Wie alt sind die Gebäude? Wie energieintensiv ist der Betrieb? Welcher Prozesswärmebedarf mit welchen Temperaturen wird benötigt? In vielen Unternehmen werden derzeit energiestrategische Entscheidungen mit oftmals sehr hohen finanziellen Ausmaßen getroffen.“
Auch hier zeigt sich immer häufiger, dass es die Kombination verschiedener Maßnahmen von Photovoltaikanlagen auf dem Dach über Wärmepumpen im Keller bis hin zu dezentraler Elektrolyse mit Wasserstoff-BHKW auf dem Firmengelände ist, die sämtliche Anforderungen an die Industrie der Zukunft bedient. Als Pionier kann hier beispielsweise die Firma APEX Energy Teterow in Rostock gesehen werden. Auch hier stellt ein mit grünem Wasserstoff betriebenes 2G-BHKW die Strom- und Wärmeversorgung sicher – gerade in Zeiten, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.
Blick ins Ausland
Dass wasserstoffbetriebene KWK-Anlagen nicht zwangsläufig an klassische deutsche Energieversorgungsmodelle von Stadtwerken und Industrie gebunden sein müssen, zeigt der Blick ins Ausland. So stammt schon heute etwa die Hälfte aller Wasserstoffanfragen im Hause 2G von Kunden aus der ganzen Welt. Frank Grewe erläutert: „Das Bewusstsein über das Potenzial von Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft wächst kontinuierlich. Dementsprechend entstehen weltweit völlig neue Geschäftsmodelle, welche die komplette Wertschöpfungskette der Wasserstoffproduktion und -nutzung betreffen und in denen auch unsere KWK-Anlagen einen wichtigen Baustein darstellen.“
Als Beispiele nennt er die Verbindung eines Gezeitenkraftwerks mit einem Wasserstoff-BHKW im schottischen Kirkwall oder die Gewinnung von Wasserstoff in der Wüste Dubais, mit dem lokal Strom und Wärme via 2G-Blockheizkraftwerken zur Verfügung gestellt werden. Für Grewe ist dies allein Grund genug, die Entwicklung stetig voranzutreiben: „Uns macht es einfach Spaß, mit unseren Produkten einen Beitrag zu den großen Aufgaben unserer Zeit zu liefern.“
https://2-g.com/de
Dieser Beitrag ist im Schwerpunkt Kraft-Wärme-Kopplung der Ausgabe Juli/August 2022 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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