Freitag, 8. November 2024

Stadtwerke MüllheimStaufenEin Unternehmen für die Region

[23.07.2014] Entschlossen, die Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen, haben die Städte Müllheim und Staufen ein gemeinsames Stadtwerk gegründet. Innerhalb von fünf Jahren ist es dem Energieversorger gelungen, sich erfolgreich am Markt zu positionieren.
Mit den Stadtwerken MüllheimStaufen sollen möglichst viele von der Energiewende profitieren.

Mit den Stadtwerken MüllheimStaufen sollen möglichst viele von der Energiewende profitieren.

v.l.: Michael Benitz, Bürgermeister von Staufen; Astrid Siemes-Knoblich, Bürgermeisterin von Müllheim; Jochen Fischer, Geschäftsführer der Stadtwerke MüllheimStaufen

(Bildquelle: Stadtwerke MüllheimStaufen)

Einen neuen Konzessionsvertrag unterschreiben und sich damit für weitere 20 Jahre binden? Oder die Energieversorgung selbst in die Hand nehmen? Mit dieser Frage befassten sich die Gemeinderäte der Städte Müllheim und Staufen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, als im Jahr 2003 jeweils der Konzessionsvertrag der örtlichen Strom- und Gasversorgung auslief. „Der geringe Einfluss der Kommunen etwa auf den Ausbau der Strom- und Gasversorgung, die bescheidenen Erlöse, die mit den Konzessionsabgaben zu erzielen waren und der begrenzte Anteil am energiewirtschaftlichen Gestaltungs- und Wertschöpfungsprozess ließen in unseren Städten die Idee aufkommen, das Heft selbst in die Hand zu nehmen“, erklärt Astrid Siemes-Knoblich, Bürgermeisterin von Müllheim.

Mit Partner zum Ziel

Energiewirtschaftliches Know-how fehlte den Initiatoren in Müllheim und Staufen. „Wir haben deshalb die Beteiligungsgesellschaft KommunalPartner mit 25,1 Prozent zum Mitgesellschafter der Stadtwerke MüllheimStaufen gemacht“, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Jochen Fischer. „Auf diese Weise kamen Personen in das junge Unternehmen, die bereits jahrzehntelang in der Energiebranche tätig waren und ihr Geschäft von A bis Z kennen. Denn ganz wesentlich für den Erfolg ist es, sich von Anfang an hochprofessionell aufzustellen.“
Die Stadtwerke MüllheimStaufen sind ein zu 100 Prozent kommunal getragenes Unternehmen. Eine weitere Besonderheit ist die regenerative Positionierung des Versorgers. Indem alle Emissionen neutralisiert werden, arbeitet das Stadtwerk sogar klimaneutral. „Außerdem halten wir uns schlank“, so Geschäftsführer Fischer. „Wir fahren ein starkes Kooperationsmodell und lagern Spezialaufgaben aus.“ Das Einkaufsportfolio übernimmt beispielsweise der Dienstleister Südweststrom. „Das hat uns unwahrscheinliche Wettbewerbsvorteile gebracht. Wir konnten somit schon als kleines Stadtwerk mit den großen mithalten. Das war wiederum die Voraussetzung dafür, dass wir mittelständische und große Unternehmen unter Vertrag nehmen konnten.“ Bundesweit adressieren die Stadtwerke MüllheimStaufen ökoaffine Kunden und haben sich dabei auf Bündelkunden und die Immobilienwirtschaft spezialisiert.

Breite Vernetzung

In Müllheim und Staufen streben die Stadtwerke den Grundversorgerstatus an. „Im Gasbereich haben wir diesen mit einem Marktanteil von 45 Prozent fast erreicht“, sagt Fischer. „Im Strombereich haben wir noch ein bisschen Luft nach oben.“ 30.000 Kunden hat der Energieversorger derzeit unter Vertrag – 7.000 im Trinkwasserbereich und etwa 23.000 im Strom- und Gasbereich. Um die Philosophie der Stadtwerke in den Markt hineinzutragen, setzen die Verantwortlichen auf eine breite Vernetzung mit verschiedenen Initiativen in der Region. Dazu zählen der Staufener Arbeitskreis Klimaschutz, die Lokale Agendagruppe Markgräflerland, die Bürgerenergiegenossenschaft BEGS oder das Steinbeis-Institut.
Wachstum um jeden Preis ist nicht das Ziel der Stadtwerke. „Natürlich brauchen wir ein bestimmtes Wachstum und eine bestimmte Größe, um optimal arbeiten zu können“, erläutert Staufens Bürgermeister Michael Benitz. „Vor allem müssen wir Umsätze generieren, die uns Ertragskraft für den Haushalt bringen.“ Schwarze Zahlen hat das Unternehmen bereits im Jahr 2011, also zwei Jahre nach seiner Positionierung am Markt, geschrieben. Inzwischen sind die gesamten Verlustvorträge abgetragen und der Energieversorger beginnt, seine Konzessionsabgabe an die Städte zu bedienen.

Die ganze Region profitiert

Von den Stadtwerken profitiert bereits jetzt die gesamte Region Müllheim-Staufen, ist Bürgermeister Benitz überzeugt: „Dadurch, dass wir als zusätzlicher Player an den Markt gekommen sind, ist das ganze bisherige Gefüge, das ja zum Teil schon oligopolistische bis monopolistische Strukturen hatte, ins Rutschen geraten. Die bisherigen Marktteilnehmer müssen uns jetzt bei ihrer Preisbestimmung berücksichtigen.“ Die Stadtwerke MüllheimStaufen wollen marktgerechte Preise anbieten. „Wir möchten natürlich so günstig wie möglich für unsere Bürger sein“, erläutert Michael Benitz. „Aber am Schluss muss auch etwas in der Kasse bleiben. Diese Gewinne kommen wiederum den Kommunen zugute, indem wir das Geld beispielsweise direkt in die Infrastruktur investieren. Geld, das früher aus der Raumschaft geflossen ist, bleibt somit im Städtle.“ Dass nicht mehr wenige, sondern möglichst viele von der Energiewende profitieren, ist ein strategisches Ziel des regionalen Versorgers. Wann immer es möglich ist, sollen deshalb auch die Bürger beteiligt werden.
Müllheims Bürgermeisterin Siemes-Knoblich sieht die größte Wirkung der Stadtwerke in der kommunalen und interkommunalen Vernetzung in den Bereichen Energie und Klimaschutz. „Auch beim Thema Mobilität geht es um eine breit aufgestellte Kooperation“, erklärt die Bürgermeisterin. „In dem neuen Arbeitskreis sind Gemeinderatsmitglieder sowie Vertreter der Stadtverwaltung Müllheim und des Landkreises vertreten, dazu regionale Busunternehmen, koordinierende Verbände, Verkehrsplaner und ehrenamtlich tätige Gruppierungen. Wenn es dabei um Klimaschutz, Elektromobilität, um Energieeffizienz oder ähnliche Themen geht, dürfen die Stadtwerke nicht fehlen.“

Neue Geschäftsfelder entdecken

Wo Chancen liegen, lauern aber auch Risiken. Darüber war man sich in Müllheim und Staufen im Klaren. „Wir können als Stadtwerk nicht vor uns hin träumen, da wir einem Rechtsrahmen unterworfen sind, der immer weiterentwickelt wird“, erklärt Bürgermeister Benitz. „Das ist ein Risiko, das wir nicht steuern können.“ Auf die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wollen die Stadtwerke beispielsweise mit neuen Geschäftsfeldern reagieren. Geschäftsführer Fischer: „Wir wollen kleine Bausteine setzen in der Wind- und Wasserkraft, im Photovoltaikbereich und in der kleinen Biomasse. Zudem müssen wir die Speicherproblematik lösen – und zwar dezentral im kleinen Bereich.“ Wenn die Einspeisevergütungen auslaufen, werden Speicherung und der eigene Verbrauch die entscheidenden Themen sein. „Ein intelligentes Speichersystem muss die Energieautarkie für den Bürger gewährleisten“, erklärt Fischer. „Das, was er zusätzlich benötigt, bekommt er von den Stadtwerken regenerativ zur Verfügung gestellt. Das Stadtwerk von morgen vernetzt diese Themen, sorgt für Systemdienstleistung, Beratung und Contracting und befasst sich mit Finanzierungsthemen.“

Rat zur Tat

Nach den ersten fünf Jahren Stadtwerke MüllheimStaufen ziehen Geschäftsführer Fischer, Bürgermeister Benitz und Bürgermeisterin Siemes-Knoblich eine erfolgreiche Bilanz. „Wir wollen auch andere Kommunen dazu ermuntern, diesen Weg zu beschreiten“, sagt Michael Benitz. „Da es sich um ein komplexes Thema handelt, muss man aber hinter dem Vorhaben stehen und Überzeugungsarbeit leisten können. Ein solches Projekt anzustoßen, nur weil es gerade Mode ist, genügt nicht.“ Das Rad immer neu erfinden müssen die Kommunen bei der Gründung nicht. Benitz: „Neben einer professionellen Beratung empfiehlt es sich, bei zwei bis drei ähnlich großen Stadtwerken Rat einzuholen. Dadurch lassen sich Fehler und die eine oder andere Kinderkrankheit umgehen.“ Zu beachten sei, dass jede Raumschaft eine andere politische Kultur, andere Akteure und eine andere Mentalität umfasse. Für die eine Region eigne sich die Stadtwerkegründung allein durch die Kommune, für eine andere Region sei die Kooperation mit einem größeren Versorger besser geeignet. „Es müssen deshalb eigene Ideen reifen. Statt fertiger Pakete von außen muss das Vorhaben vor Ort entwickelt werden.“ Eine weitere Alternative: Der Anschluss an ein etabliertes Stadtwerk. Benitz: „Wir sind offen für andere Kommunen – so haben wir das im Gesellschaftervertrag hinterlegt. Städte oder Gemeinden, die zu uns ins Boot steigen wollen, sind willkommen.“

Verena Barth




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