Mittwoch, 16. April 2025

WasserkraftEin umweltfreundlicher Teamplayer

[15.04.2025] Ob Repowering, Modernisierung, Reaktivierung oder Neubau – die Wasserkraft hat in Deutschland noch erhebliches Ausbaupotenzial. Dabei ist sie naturverträglich und von der Energieerzeugung über die -speicherung bis hin zur Netzstabilisierung vielseitig einsetzbar.

Wasserkraftanlagen wie die Anlage Brückenmühle in Weilburg an der Lahn/Hessen können im künftigen Stromsystem eine wichtige Rolle einnehmen.

(Bildquelle: BDW)

Regenerative Energien sind von überragendem öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. So hält es Artikel zwei des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus dem Jahr 2023 fest. Zu den regenerativen Energien zählt auch die Wasserkraft. Hört man sich bei Klimaschützern und Energieexperten um, gilt diese in Deutschland allerdings als ausgereizt, ohne nennenswertes Ausbaupotenzial und obendrein als nicht vereinbar mit den Zielen der Verbesserung der Fließgewässerökologie. Beide Einschätzungen sind falsch. Durch die Aufnahme in Artikel zwei des EEG und nicht zuletzt durch eine neue Studie der Energy Watch Group (EWG) ist die Aufmerksamkeit für die Wasserkraft zuletzt wieder gestiegen.

Der neue Gamechanger

Angesichts der zunehmenden Probleme mit sehr hohen und dann wieder negativen Preisen für Strom an der Strombörse muss dessen flexible Erzeugung zwingend ausgebaut werden. Die Bundesregierung will deshalb zehn Gigawatt (GW) wasserstofffähiger Gaskraftwerke ausschreiben. Werden diese mit Erdgas betrieben, heizen sie durch hohe Methanemissionen in der Vorkette die Erdtemperatur auf. Werden sie mit Wasserstoff betrieben, erhöhen sie laut einer Erklärung der Deutschen Umwelthilfe unerwünschte Stickoxidemissionen (NOx) – denn Wasserstoff verbrennt bei höheren Temperaturen als Erdgas.

Klimafreundlicher könnten die notwendigen Flexibilitäten durch einen Mix anderer Maßnahmen erreicht werden. Dazu zählen die Flexibilisierung bestehender und neuer Biogasanlagen, Anreize für die flexible Führung von bestehenden und neu zu bauenden Wasserkraftanlagen, neue Speicher wie Batterien oder Pumpspeicher, das Demand Side Management, die systemdienliche Einbindung von Wärmepumpen oder das bidirektionale Laden von E-Mobilen.

Dass Wasserstrom der neue Gamechanger für Klimavorsorge, Heimatenergien und Gewässernatur sein kann, zeigt die im März 2024 veröffentlichte, auch für Laien verständliche Studie der Energy Watch Group. Die EWG fasst darin neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen und gibt Empfehlungen für die politischen Ebenen – von der EU bis hin zu den Kommunen. Die Studie kann über die EWG-Website heruntergeladen werden.

Stetige Energiequelle

Die Wasserkraft hat hierzulande noch ein Ausbaupotenzial von etwa 7,1 Gigawatt (GW) Leistung. Die dadurch zu erwartende zusätzliche Stromproduktion beläuft sich auf etwa 28 Terawattstunden (TWh) pro Jahr, was dem Strombedarf von etwa acht Millionen Haushalten beziehungsweise aller Haushalte in Ostdeutschland entspricht. Sie ist vor allem in den Wintermonaten stark, wenn Solarpanele nur wenig Strom liefern und Dunkelflautenzeiten überbrückt werden müssen. Auch lässt sich mit ihr ein Netz- und Speicherausbau vermeiden. Über die Staubecken mit Wärmetauschern kann sie darüber hinaus Nahwärme liefern.

Im Vergleich mit anderen erneuerbaren Energien wartet die Wasserkraft mit guten Leistungen auf. Liefert die Sonne in unseren Breiten etwa 1.000 Volllaststunden und der Wind an die 2.000, kann die Wasserkraft über 5.000 Jahresstunden Volllaststrom liefern. Sie ist erheblich stetiger als die volatilen Energiequellen Sonne und Wind und mit ihrer Reaktionsfähigkeit von Millisekunden der ideale Teamspieler, um das Netz zu stabilisieren. Vor allem die Kommunen an Flüssen können darauf ihr Augenmerk richten.

Kleinwasserkraftanlagen werden zu Megawattkraftwerken

Laut dem Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke gibt es in Deutschland derzeit rund 7.300 Wasserkraftanlagen. 6.900 der Anlagen erbringen eine installierte Leistung von unter einem Megawatt (MW) und zählen damit zur Kleinwasserkraft. Die Kleinwasserkraftanlagen sind häufig in der Dorf- oder Stadtmitte gelegen, genau dort, wo die großen Strom- und Wärmemengen gebraucht werden. In den Überflutungsbereichen der Flüsse gibt es oft Parkplätze. Hier kann der Wasserstrom über entsprechend ausgerüstete Ladestationen für die E-Mobilität genutzt werden. In die aufgestauten Strukturen wiederum lassen sich ohne großen Aufwand Wärmetauscher einbauen, im Repowering und der Modernisierung können neue Turbinen direkt mit Wärmetauschern kombiniert werden. Jedes kleine Wasserkraftwerk mit 20, 30 oder 50 Kilowatt (kW) wird zum Megawattkraftwerk für Wärme mit dem Faktor 100 in der Energieausbeute. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität in Dörfern und Städten.

Durch das Repowering von Bestandsanlagen ließe sich die Leistung der Wasserkraft hierzulande um 1.000 bis 1.600 MW und die Jahresstromproduktion um fünf bis acht TWh erhöhen. Weiteres Potenzial ruht in der Reaktivierung stillgelegter Standorte oder der Nutzung der bestehenden 200.000 Querverbauungen wie Staustufen, Wehren oder Talsperren. Diese Möglichkeiten wurden bislang nur unzureichend nach systematischen ingenieurwissenschaftlichen Anforderungen untersucht. Circa 5.280 MW Leistung und 21,6 TWh zusätzlichen Strom pro Jahr könnten geplante Neubauten, die Ausbaupläne Westdeutschlands und die Potenziale von Rhein, Elbe, Donau und Oder bringen. Die Neubaupotenziale der kleinen Wasserkraft in Ostdeutschland – mit Ausnahme von Elbe und Oder – und im Speicherwasser sind noch nicht betrachtet worden. Hier könnte noch einmal ein Ausbau­potenzial von drei bis fünf TWh pro Jahr schlummern.

Beitrag für die Umwelt

Der überschaubare Beton- und Technikaufwand macht die Wasserkraft zur effizientesten Energiequelle überhaupt. Sie hat die besten Werte beim Energieerntefaktor EROI und auch hinsichtlich ihrer Lebensdauer liegen die Anlagen vorn. Obendrein gilt die Wasserkraft mit Wirkungsgraden von 70 bis 95 Prozent als die effizienteste aller bekannten Energieerzeugungsarten und liegt vor allem weit vor den konventionellen Techniken. Sie kann zu Recht als saubere Energieart mit der geringsten Material- und Ressourcenintensität in Bau und Betrieb bezeichnet werden.

Auch haben Wasserkraftwerke positive Effekte auf ihre Umwelt. Sie kühlen die Gewässer und reichern sie mit Sauerstoff an, was für die Aquafauna und Flora immer wichtiger wird. Die Fließgewässerdurchgängigkeit für lebende Organismen, vor allem Fische, kann und muss durch natürliche und technische Auf- und Abstiegshilfen geschaffen werden. Oft gelingt dies zusammen mit einer elektrischen Leistungserhöhung an bislang undurchlässigen Stauwerken. Die Fischmortalität durch Wasserkraft kann mit heutigem Stand der Technik und bei entsprechender Modernisierung vollständig vermieden werden. Viele Mühlgräben zeigen sich als Biotope mit hoher Biodiversität.

Die Wasserkraftwerke tragen außerdem erheblich zur Gewässerreinigung bei. An den Rechen werden Müll und Plastik oder Organik wie Blätter, Hölzer und Zweige abgefangen. Da auch letztere aus den Gewässern entfernt werden, entstehen weniger durch die Unterwasserverrottung verursachte Methanemissionen.

Hochwasser- und Dürreschutz

Für einen weiteren Pluspunkt sorgt die Wasserkraft mit den Querverbauungen, Wehren und Wasserkraftanlagen. Mit jeder Querverbauung wird der Grundwasserspiegel erhöht. Das macht die Anlagen zu Garanten für die Trinkwasserbildung von morgen. Kann Wasser zurückgehalten werden, bleibt der Grundwasserspiegel stabil. Demgegenüber entziehen das sich senkende Grundwasser und die Dürrezeiten der vergangenen Jahre den Wurzeln der Bäume das Wasser. In der Folge sterben sie ab, wie es oft an trocknenden Bachauen zu beobachten ist.

Da die Wehre Schlamm und Geröll zurückhalten, dienen die Querverbauungen außerdem dem Hochwasserschutz und mildern die Schäden bei Extremregenereignissen. Im Ahrtal beispielsweise sind über die Jahre viele Querverbauungen der alten Wasserkraftwerke herausgerissen worden mit dem Ziel, den Lachs wieder anzusiedeln. Die fehlenden Querverbauungen ermöglichten hohe Fließgeschwindigkeiten und den katastrophalen Schneeballeffekt.

Gelebte Heimatkultur

An den Standorten der Kleinwasserkraft wird teilweise schon seit Generationen die Kraft des Wassers genutzt. Der Erhalt und Ausbau der Wasserkraft knüpft somit an alte Traditionen an und ist ein Stück gelebte Heimatkultur. Auch heute machen neben den lokalen Netzbetreibern und großen Energieversorgern beispielsweise Hofläden oder andere lokale Unternehmen von der Wasserkraft Gebrauch. In Summe sorgt sie für einen lokalen Vor-Ort-Umsatz von gut fünf Milliarden Euro. Durch das von der Energy Watch Group gezeichnete Zubauszenario könnten bis zum Jahr 2030 zusätzliche fünf bis sieben Milliarden Euro an regionaler Wertschöpfung entstehen, die unter anderem dem Handwerk und der Bauwirtschaft zugutekäme.

Die hohe regionale Wertschöpfung wiederum sorgt für Rückhalt in der Bevölkerung. Die Wasserkraft erreicht eine Akzeptanz von 88 Prozent und schafft es damit auf den zweiten Platz direkt nach dem Solarausbau auf Dächern. Allerdings ist für den lokalen Ausbau der Wasserkraft ein Umdenken der Genehmigungsbehörden in Bund und Ländern erforderlich. Die Anordnungen zum Abbau von Wasserkraftanlagen müssten beendet und die Genehmigungen für Modernisierungen, Leistungserhöhungen und Neubau wesentlich erleichtert werden. Auf der politischen Ebene in Berlin braucht es Verbesserungen bei den ökonomischen Grundlagen im EEG und in Brüssel ein klares Bekenntnis, dass der Betrieb von Bestandsanlagen ebenso wie der Neubau mit der Wasserrahmenrichtlinie vereinbar ist und der Erfüllung des Green Deal dient.


Der Autor, Hans-Josef FellHans-Josef Fell war von 1998 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags für Bündnis 90/Die Grünen und ist Initiator des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Er hat die Energy Watch Group im Jahr 2006 initiiert und vertritt sie seit ihrer Gründung als Präsident.



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