Serie KWKDruckluft-KWK für die Industrie
Kommunale Energieversorger mit engen Lieferbeziehungen zu regionalen Industriebetrieben haben in der Regel einen guten Überblick über deren Energiebedarf. Gepaart mit dem Wissen um die Möglichkeiten moderner Energietechnik sind dies oft die Initialzündungen für Projekte, bei denen Stadtwerke beispielsweise Blockheizkraftwerke (BHKW) in Industriebetrieben betreiben. So wird nicht nur der Energiebedarf vor Ort effizient und kostengünstig bereitgestellt, sondern auch die Kundenbindung gestärkt.
Nun steht eine weitere KWK-Technologie für industrielle Anwendungen zur Verfügung: Gasmotor-Kompressormodule (GK-Module) zur hocheffizienten und kostengünstigen Erzeugung von Druckluft und Prozesswärme. Druckluft wird in vielen Industriebetrieben benötigt. Insbesondere in der Metallverarbeitung, im Fahrzeug- und Maschinenbau oder in der chemischen Industrie nutzen viele Unternehmen sowohl Druckluft als auch Prozesswärme in ihren Produktionsprozessen. Für diese Anwendungsfälle hat der Hersteller Sokratherm gemeinsam mit seinem Technologiepartner Boge Kompressoren eine neue Baureihe von GK-Modulen mit 50 bis 200 Kilowatt (kW) Verdichterleistung entwickelt, die hocheffizient Druckluft und Wärme erzeugen.
Druckluft-Heizkraftwerk
Ein GK-Modul kann in den Druckstufen acht, zehn und 13 bar eine Druckluftmenge von 7,1 bis 28,7 Kubikmeter pro Minute liefern. Zusätzlich zur Druckluft erzeugt es in Kraft-Wärme-Kopplung 116 bis 448 kW Wärme und wird daher auch als Druckluft-Heizkraftwerk (DHKW) bezeichnet. Durch das hohe Temperaturniveau von bis zu 95 Grad Celsius im Vorlauf ist die erzeugte Wärme vielseitig einsetzbar. Sie kann sowohl als Prozesswärme, beispielsweise für die Formgebung von Kunststoffen oder die Beheizung von Galvanikbädern, als auch zum Antrieb von Absorptionskältemaschinen oder zu Heizzwecken genutzt werden.
„Das Effizienzpotenzial des Konzepts hat uns schon lange gereizt“, sagt Joachim Voigt, Vertriebsleiter bei Sokratherm. „Eine konkrete Planungsanfrage hat uns dazu bewogen, gemeinsam mit Boge ein neues Gasmotor-Kompressormodul zu entwickeln.“ Dabei galt es, eine Reihe von Anforderungen zu erfüllen. So sollten der Gasmotor und der Kompressor ohne große konstruktive Änderungen in das Schallschutzgehäuse integriert werden. Nicht nur die Drehrichtung, sondern auch die Abmessungen mussten optimal aufeinander abgestimmt werden, sodass insgesamt ein sehr kompaktes Kompressormodul entstand, das nur wenig Aufstellfläche benötigt.
Wärmetauscher, Ölabscheider, Druckluft- und Ölkühler, Kondensatabscheider und weitere druckluftspezifische Komponenten wurden in einem separaten Druckluftmodul der Firma Boge zusammengefasst, das neben dem Kompressormodul aufgestellt wird. Die Anordnung der einzelnen Module kann flexibel gestaltet werden. „Mit unserem Getriebe können wir verschiedene Übersetzungsverhältnisse realisieren und sind in Bezug auf Antriebsdrehzahl, Liefermengen und erzeugte Druckbereiche maximal flexibel“, erklärt Stefan Klare, Leiter Customised Solutions bei Boge. Ist das Kundennetz beispielsweise auf einen Druck von elf bar ausgelegt, anstatt auf die genannten Druckstufen, kann durch die Wahl einer entsprechenden Übersetzung auch diese Ausführung realisiert werden.
Effiziente Wärmerückgewinnung
Idealerweise wird das DHKW zur Abdeckung der Grundlast eingesetzt. Dabei kann die Druckluft- und Wärmeerzeugung über die Drehzahl stufenlos bis zur Hälfte der Liefermenge angepasst werden. Zur Abdeckung von Spitzenlasten bieten sich konventionelle Kompressoren und Wärmeerzeuger an. Der Kompressor ermöglicht eine besonders effiziente Wärmerückgewinnung durch eine speziell entwickelte Verdichterstufe mit einem vollständig gekapselten, nahezu wartungsfreien Getriebe, das in den Ölkreislauf des Kompressors integriert ist. Zusammen mit der Wärme aus dem Motorkühlwasser und dem Abgas wird so der hohe Wirkungsgrad des Gesamtsystems erreicht.
Für die Steuerung, Regelung und Fernüberwachung der Anlage wurden die Steuerungskomponenten so kombiniert, dass der Anwender mit einer Steuerung auf alle Komponenten zugreifen kann. „Bei der Entwicklung der Pilotanlage haben beide Unternehmen perfekt zusammengearbeitet“, betont Joachim Voigt. „Jeder hat sein Know-how eingebracht und sich auf seinen technischen Part konzentriert. Nur so konnten wir das Projekt in nur fünf Monaten zur Marktreife bringen.“ Die Neukonstruktion basiert auf Standardkomponenten und bewährter Technik, was einen zuverlässigen Betrieb garantiert.
Im Idealfall benötigt der Industriebetrieb kontinuierlich Druckluft und kann auch die Wärme dauerhaft nutzen. „Das neue Aggregat liefert einen thermischen Wirkungsgrad von fast 90 Prozent“, sagt Joachim Voigt. „Damit ist die Anlage bereits auf der Wärmeseite so effizient wie ein moderner Heizkessel. Hinzu kommt die Druckluft, die man theoretisch als Nebenprodukt der Wärmeerzeugung betrachten könnte. In der Praxis ist sie natürlich sehr wertvoll, weil sie sonst aufwendig mit Strom erzeugt werden müsste.“ Durch die kombinierte Druckluft- und Wärmeerzeugung nutzt das Modul fast die gesamte im Brennstoff gespeicherte Energie. Denn nicht nur die Wärme des Verdichteröls wird genutzt, sondern auch die des Abgases und des Motorkühlwassers. Wird das DHKW im Dauerbetrieb zur Abdeckung der Grundlast eingesetzt, amortisiert es sich innerhalb weniger Jahre.
Drei Energieformen
Bei geringerem Wärmebedarf im Sommer kann die überschüssige Wärme zusätzlich mit einer Absorptionskältemaschine in Kälte umgewandelt werden. In diesem Fall liefert die Anlage sogar drei Energieformen: Druckluft und Wärme ganzjährig sowie Kälte in den Sommermonaten, beispielsweise als Prozesskälte zur Maschinenkühlung. Dadurch kann der Nutzungsgrad des Druckluft-Heizkraftwerks nochmals gesteigert werden. Das erste DHKW der neuen Baureihe ging im Dezember 2022 bei einem metallverarbeitenden Industriebetrieb in Oberndorf in Betrieb. Dort erzeugt ein Gasmotor-Kompressormodul vom Typ GK 140 aus 355 kW Gas bis zu 23,3 Kubikmeter Druckluft pro Minute bei einem Druck von acht bar und 309 kW Wärme. Für Steuerung und Nebenaggregate werden lediglich fünf kW Strom benötigt. Im Herbst 2023 hat es bereits über 5.000 Betriebsstunden Druckluft und Wärme hocheffizient erzeugt.
Die GK-Module sind nicht nur sehr effizient, sondern können auch mit regenerativen Brennstoffen wie Biomethan oder grünem Wasserstoff betrieben werden. Bereits heute sind bis zu 20 Prozent Wasserstoff im Brennstoff möglich, in Zukunft mit entsprechender Nachrüstung auch ein reiner H2-Betrieb. Kommunale Energieversorger können mit dieser Technologie ihren Industriekunden zu mehr Effizienz und niedrigeren Energiekosten verhelfen. Als Gaslieferant und Betreiber des DHKW können sie ihre Kundenbeziehung zum Industrieunternehmen stärken und ihm gleichzeitig einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November/Dezember 2023 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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