OrtsnetztrafoDigitalisierung schafft Mehrwert
Die Netze müssen smarter werden. Nicht zuletzt die Energiewende mit der Förderung dezentraler Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen macht dies erforderlich. Noch gilt das allerdings in erster Linie für Hoch- und Mittelspannungsnetze, die schon seit Längerem mit Überwachungssystemen ausgestattet und mit Datenebenen vernetzt werden. Die Trafostationen regionaler Verteilnetze sind bislang hingegen kaum mit solch einer Technik ausgerüstet. Oft fehlt hier der Anschluss an moderne Datennetze. In Zeiten des Internet of Things (IoT) lässt sich das per Long-Range-Funktechnologie leicht ändern.
So geschehen bei den Stadtwerken München (SWM). „Wir wollten unsere Zehn-Kilovolt-Netztrafostationen nicht länger im Blindflug betreiben“, berichtet Andreas Mattivi, Leiter Netzinfrastruktur bei SWM Services. „Stattdessen wollten wir die Betriebsdaten erfassen, um mit den so gewonnenen Informationen Netzbetrieb und Kundenservice zu verbessern.“ Erreicht haben die SWM dieses Ziel im Verbund mit Partnerunternehmen. Acal BFi oblagen dabei die Kundenbetreuung und das Projekt-Management. EPS Energy lieferte die Messtechnik, insbesondere Rogowskispulen zur Messung der Belastungsströme. Krumedia kümmerte sich um die Kommunikationssoftware: Das Unternehmen entwickelte und nahm die Schnittstellen-Software in Betrieb. Auswertelektronik sowie Funktechnik wiederum produzierte die Firma Comtac. Gemeinsam erarbeiteten die Unternehmen eine End-to-End-Lösung, um Ortsnetztrafostationen zu digitalisieren und kabellos in die übergeordneten Überwachungssysteme einzubinden.
Kabellos und kostengünstig
Zur Digitalisierung des Ortsnetzes werden die relevanten Netzzustandsdaten in jeder Trafostation vom so genannten Trafo-Stationsmonitor (TSM) über standardisierte Schnittstellen erfasst und mittels der Long-Range-Funktechnologie LoRaWAN übertragen. Letztere ersetzt kabelgebundene oder auf Mobilfunktechnologien beruhende Datenübertragungstechniken. LoRaWAN gehört zur Low-Power-Netzwerk-Familie, die im unlizenzierten Spektrum im Sub-Gigahertz-Frequenzbereich arbeitet, weite Distanzen abdeckt und selbst zu Geräten in Kellern verlässliche Funkverbindungen ermöglicht. Und das bei sehr geringem Energieverbrauch und niedrigen Kosten für Netzaufbau- und -betrieb. Erkauft werden diese Vorteile durch eine begrenzte Bandbreite, die jedoch bei IoT-Anwendungen wie dem Energie-Management keine Rolle spielt.
Um die Vorteile des LoRaWAN nutzen zu können, versenden die TSM die gesammelten Daten über ihr integriertes LoRa-Funkmodul. Dank ihrer eingebauten Back-up-Batterie erfüllen die Nodes ihre Aufgabe sogar dann, wenn ihre Stromversorgung durch größere Defekte in den überwachten Netzstationen der Mittelspannungsringe unterbrochen wurde – ein wichtiges Element, um im Störungsfall reagieren zu können.
Umfassende Analyse
Aggregiert und analysiert werden die von den TSM in den Trafostationen gefunkten Daten im Energie-Management-System Smart City Control. Außerdem wurden Schnittstellen für die Netz-Server-Software anderer LoRa-Plattformanbieter programmiert. Die TSM besitzen diverse digitale und analoge Eingänge sowie Sensoren und bieten eine Vielzahl von Funktionen zur Messung von Spannungen, Stromstärken und Temperaturen. Mit den auf diese Weise gesammelten Daten können sie den Zustand einer Trafostation umfassend analysieren und einfache Aktionen automatisch auslösen. So können sie beispielsweise Kurzschlussabschaltungen selbsttätig zurücksetzen. In einem weiteren Schritt soll bei den Stadtwerken München die Einbindung der TSM-Daten über eine vorhandene Schnittstelle ins Prozessleitsystem der Netzführung realisiert werden.
Langzeittests mit rund 50 der insgesamt mehr als 5.000 Trafostationen der Stadtwerke München haben gezeigt, dass diese Netzebene per LoRa-Technik sicher und günstig vernetzt und digitalisiert werden kann. Auch verfügen die SWM nun über völlig neue Möglichkeiten, um den Netzzustand zu beurteilen, Fehlerzustände früh zu erkennen und Ausfallursachen zu analysieren. Änderungen beim Verbrauch lassen sich ebenso zeitnah erkennen wie Schwankungen bei der Einspeisung durch dezentrale Erzeuger. Die Ausfallzeiten der überwachten Mittelspannungsringe im Störungsfall verringerte sich, die Anzahl der Serviceeinsätze vor Ort ging zurück. Das wiederum kann Netzausfallkosten senken.
„Wo die TSM im Einsatz sind, registrieren wir eine wesentliche Verbesserung der Informationslage. Für uns ist dies Grund genug, in den kommenden Monaten große Teile unserer Netztrafostationen zu digitalisieren und neben den Verbrauchern auch die Erzeuger einzubinden – der Nutzen überwiegt bei Weitem die Kosten“, beschreibt Andreas Mattivi die Erfahrungen mit der Lösung. Anhand der gesammelten Daten lässt sich zudem genau erkennen, an welchen Stellen zusätzliche Verbraucher wie Ladesäulen oder Wärmepumpen aber auch Baustrom möglich sind. Ebenso wird ersichtlich, an welchen Stationen Investitionsbedarf besteht. Darüber hinaus lässt sich mit den Daten bei entsprechenden Verträgen mit großen Verbrauchern die Netzstabilität sichern, insbesondere hinsichtlich des §14a im EEG.
https://www.acalbfi.com/de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai/Juni 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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