InterviewDigitaler Einkauf nimmt Fahrt auf
Herr Schweppe, viele Stadtwerke haben sich schwergetan, während der Corona-Krise auf Homeoffice umzustellen. Wie war das bei Uniper?
Aus meiner Sicht hat es sich in dieser außergewöhnlichen Situation ausgezahlt, dass Uniper die Digitalisierung von Standardprozessen intern und extern schon frühzeitig vorangetrieben hat. So konnten wir sehr schnell und relativ reibungslos umstellen und dabei die volle Handlungsfähigkeit beibehalten. Dabei hat uns auch das große Engagement und Know-how unserer Mitarbeiter geholfen.
Erwarten Sie, dass diese Erfahrung der Digitalisierung noch mehr Schwung verleiht?
Die vergangenen Wochen und Monate haben klar gezeigt, welche Vorteile die Digitalisierung bietet. Sie ermöglicht ein schnelles Reagieren auf ein sich rasant änderndes Umfeld, da sie insbesondere bei den Standardprozessen die Unternehmen entlastet. Daher bin ich davon überzeugt, dass die digitale Transformation nun mit noch mehr Nachdruck und Geschwindigkeit in allen Unternehmen – auch in der Energiebranche – verfolgt wird und werden muss. In der Energiebranche insbesondere deshalb, weil wir davon ausgehen müssen, dass der Markt in den kommenden Monaten volatiler bleibt, als wir es vor der Corona-Krise gewohnt waren.
Wie bekommen Sie und auch die Stadtwerke die weiterhin zu erwartende Volatilität des Strommarktes langfristig in den Griff?
Bei volatilen Märkten helfen digitalisierte Prozesse ungemein, diesen Veränderungen gerecht zu werden und schnell zu reagieren. Ich erwarte auch in den kommenden Monaten schwer zu prognostizierende Verschiebungen, die insbesondere die Stadtwerke immer wieder vor neue Herausforderungen stellen werden. Daher glaube ich, dass der Trend zur Digitalisierung beim Energie-Einkauf der Stadtwerke noch stärker Fahrt aufnehmen wird. Jedoch wird es dort große Unterschiede je nach Produkt geben. Werden eher einfache Produkte beschafft, stehen schnelle und zuverlässige Prozesse im Vordergrund. Hier dominieren klar digitale Plattformen. Gleichzeitig wird die persönliche Beratung wichtiger denn je. Denn je komplexer ein Produkt ist, das eingekauft wird, desto entscheidender ist der enge Draht zu dem zuständigen Key Account Manager.
Immer wieder wird über die bürokratischen Hemmnisse bei der Digitalisierung geklagt. Was ist Unipers Antwort darauf?
Als Teil der Energiebranche ist Uniper von den Hemmnissen natürlich ebenfalls betroffen. Gerade, weil viel Zeit benötigt wird, haben wir bereits früh mit der Digitalisierung begonnen: intern mit der Standardisierung von Prozessen, aber insbesondere auch im Kundenaustausch. So haben wir schon mit Uniper Digital ein Portal für unsere Großkunden aufgebaut, bei dem es möglich ist, online Tranchen zu fixieren. Mit Energiepreis Online haben wir aber auch für die Stadtwerke einen extrem effizienten Online-Vertrieb für deren Kunden mit registrierender Leistungsmessung geschaffen.
„Die Digitalisierung entlastet insbesondere bei den Standardprozessen.”
Wie unterstützen Sie die Stadtwerke beim Digitalisierungsprozess?
Wir sehen uns in der Rolle des Unterstützers und Wegbereiters, im engen Gespräch und Austausch mit den Stadtwerken. Unser Ansatz ist es, Prozesse bei den Stadtwerken, etwa im klassischen Vertrieb, zu vereinfachen und sie somit in die Lage zu versetzen, schnell und gezielt am Markt zu handeln. Zudem wollen wir den IT-Aufwand bei den Stadtwerken gering halten.
Die Bedürfnisse der Stadtwerke sind angesichts der heterogenen Landschaft bei den kommunalen Versorgern in Deutschland doch sicher sehr unterschiedlich.
Die einzelnen Stadtwerke haben tatsächlich sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Was aber alle gleichermaßen erleben, sind die Herausforderungen bei der Preiskalkulation und dem daraus resultierenden Ressourcenaufwand. Das ist ein wesentlicher Punkt, bei dem man durch Digitalisierung Aufwand und wertvolle Ressourcen sparen kann. Unsere Plattform automatisiert für die Stadtwerke genau diese Prozesse und senkt dadurch das Fehlerrisiko und den Zeitaufwand im Vergleich zu manuellen Prozessen deutlich.
Was heißt das konkret?
Stadtwerken bieten wir mit Energiepreis Online einen eigenen Online-Vertrieb für RLM-Kunden. Wir haben es als so genannte White-Label-Lösung konzipiert. Das heißt, Stadtwerke können Energiepreis Online unkompliziert an das eigene Look-and-feel anpassen. Der integrierte Angebotsrechner erstellt für RLM-Kunden automatisch eine Lastprognose samt Preisindikation unter Berücksichtigung der individuell festlegbaren Risikoaufschläge. Diesen Rechner binden Stadtwerke auf ihrer Website ein, sodass auch neue Gewerbekunden über das bisherige Vertriebsgebiet hinaus gewonnen werden können, die diese Verträge direkt online abschließen.
Mit welchen weiteren digitalen Angeboten unterstützt Uniper den Vertrieb der Kunden?
Mit unserer Online-Plattform Uniper Digital können Energieversorgungsunternehmen und Industriekunden zum einen ihren Energiebezug verwalten und zum anderen den Energiekauf und -handel koordinieren. Mit Uniper Direkt haben wir einen der ersten Energie-Online-Shops für Industrie und Mittelstand entwickelt, mit dessen Hilfe auch RLM-Kunden ihre Energie online beschaffen können.
Wie weit sind die Stadtwerke bei der Digitalisierung des Energie-Einkaufs?
Wir arbeiten Seite an Seite mit unseren Kunden und sehen aber auch, wie heterogen die Stadtwerke-Landschaft hier ist. Das Feld fächert sich weit auf zwischen digitalen Vorreitern und Nachzüglern. Für alle gilt jedoch, dass sich IT- und Energiesektor für ein optimal vernetztes Energie-Management weiter annähern müssen. Online-Plattformen sind in der Lage, den Kundenwunsch nach schnellen, flexiblen Lösungen zu bedienen.
Dieser Beitrag ist im Juni Sonderheft 2020 von stadt+werk zur Digitalisierung der Energiewirtschaft erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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