InterviewDigitale Transformation
Herr Becker, die Digitalisierung ist ein Schlüssel für die Energiewende. Stimmen Sie dieser Aussage zu?
Voll und ganz. Ich würde die Digitalisierung sogar als den wesentlichen Erfolgstreiber der Transformation, wie wir bisher Energie denken, bezeichnen. Die Digitalisierung wird unsere Branche verändern und ganz neue Geschäftsmodelle und Marktrollen entwickeln, die wir teilweise heute noch gar nicht absehen können. Die Veränderungen finden dabei auf allen Wertschöpfungsstufen der Energiewirtschaft statt.
Was heißt das konkret?
Durch die Erneuerbaren entwickeln wir uns schon heute von einem zentralen zu einem dezentralen System. Um dieses kleinteiligere System in Zukunft managen zu können, kommen wir ohne Digitalisierung und eine Vernetzung der Anlagen nicht aus. Die Digitalisierung bringt uns darüber hinaus auch in eine ganz neue Position gegenüber den Endkunden. Wenn durch Smart Metering das Verbrauchsverhalten transparenter wird, können Stadtwerke ganz anders auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und sich über das Last-Management im eigenen Verteilnetz gleichzeitig selbst optimieren.
Welche neuen Geschäftsmodelle sind für Stadtwerke besonders erfolgversprechend?
Stadtwerke haben bereits ein gutes und solides Geschäftsmodell. Dieses gilt es, an die Anforderungen von heute anzupassen. Aus meiner Sicht wird es für Stadtwerke nicht nur ein Geschäftsmodell geben, sondern viele. Nur Geschäftsmodelle, die die Bedürfnisse der Kunden antizipieren und umsetzen, werden erfolgreich sein. Allerdings wird das Geschäft schwieriger und kleinteiliger. Denn Stadtwerke werden immer mehr Produkte und Leistungen anbieten, die nicht jeder Kunde so selbstverständlich braucht wie Strom und Wärme.
Der Bund plant ein Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende. Wie bewerten Sie den vorliegenden Gesetzentwurf?
Wir begrüßen, dass der Gesetzgeber sich entschieden hat, statt eines Verordnungspakets ein Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende zu formen. Der Ansatz zeigt, dass die Bundesregierung die Schlüsselfunktion der Digitalisierung und vor allem von Smart Metering für das Gelingen der Energiewende erkannt hat und aktiv vorantreibt. Allerdings beobachten wir mit Sorge die derzeitige Diskussion über die Datenhoheit. Die bestehende Praxis beim Daten-Management sollte aus unserer Sicht beibehalten werden. Zunehmend dezentrale Strukturen erfordern eine dezentrale Steuerung der Prozesse und der Datenerhebung. Darum ist es folgerichtig, wenn die Verteilnetzbetreiber auch künftig das Mandat haben, die anfallenden Daten für die Energiebelieferung zu aggregieren. Die aktuelle Aufgabenteilung läuft effizient und schafft einen hohen Grad an Systemsicherheit. Von der Verabschiedung des Gesetzes in diesem Jahr erwarten wir, dass die Rahmenbedingungen geklärt sein werden und der Smart Metering Roll-out beginnen kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine große Dynamik sehen werden, wenn die Rahmenbedingungen feststehen.
„Smart Metering ist ein klassisches Kooperationsthema.“
Trianel hat bereits im Jahr 2012 ein Netzwerk Smart Metering ins Leben gerufen. Wie lautet die erste Bilanz des Netzwerks?
Wir sind mit dem Netzwerk Smart Metering früh gestartet und haben bis heute wertvolle Erfahrungen gesammelt. Die Trianel-Smart-Metering-Plattform wird bereits von 25 Stadtwerken genutzt. Dabei werden in unterschiedlichen Projekten mit den Stadtwerken auch unterschiedliche Anwendungen von Smart Metering getestet. Insgesamt haben wir schon über 3.000 Messsysteme auf der Smart-Metering-Plattform. Der Trianel-Metering-Service zeichnet sich durch die Verwendung moderner und schlank gehaltener Prozessabläufe aus und ist mit den verwendeten Schnittstellentechnologien für weitere Anwendungen offen gestaltet worden. Dies sind für die Gateway-Administration wesentliche Voraussetzungen und ermöglicht es Stadtwerken, ihre bestehenden Zählwesen langfristig zu integrieren.
Sie haben eine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen rku.it im Bereich Smart Metering beschlossen. Was ist das Ziel der Kooperation?
In der Zusammenarbeit mit rku.it werden wir komplementäres Know-how verschmelzen können. Uns verbinden nicht nur unsere kommunalen Wurzeln, sondern auch die Überzeugung, dass Smart Metering ein wesentliches Element des zukünftigen Energiesystems sein wird. Unsere Zusammenarbeit bildet die Basis, Versorgern ein einheitliches und damit kompatibles Smart-Metering-System anzubieten und weiter zu entwickeln. rku.it bringt viel IT-Expertise und Abrechnungs-Know-how mit. Trianel hat die energiewirtschaftliche Expertise für die Datenauswertung und vor allem viel Prozess-Know-how. Durch unseren ganzheitlichen Ansatz sind wir schon heute in der Lage, den ganzen Smart-Metering-Prozess von der Beschaffung der Zähler, über die Installation und den Betrieb der Messsysteme bis hin zur energiewirtschaftlichen Datenauswertung anzubieten.
Können die Kosten für den Einbau und Betrieb der Smart Meter von den Stadtwerken überhaupt erwirtschaftet werden?
Die Kostenfrage ist noch nicht gelöst. Darum ist für mich Smart Metering auch ein klassisches Kooperationsthema. Wenn Stadtwerke zusammenarbeiten, lassen sich deutliche Synergien von der Beschaffung der Geräte über die Integration in die Gateway-Administration bis hin zum Workflow-Management schaffen. Darüber hinaus können Stadtwerke auch die Datenanalyse und Datenverwaltung gemeinsam besser managen.
Trianel hat mittlerweile drei digitale Plattformen für Stadtwerke entwickelt. Wie profitieren Stadtwerke davon?
Alle digitalen Lösungen haben einen unterschiedlichen Ansatz und verfolgen doch dasselbe Ziel: Prozesseffizienz, Automatisierung und Komfort für die Anwender. Alle unsere Plattformen sind technologie- und schnittstellenoffen. Dadurch können Stadtwerke ihre bestehenden Prozesslandschaften leicht integrieren und optimieren. Mit der Trianel-Smart-Metering-Plattform haben Stadtwerke die Möglichkeit, technisch wie energiewirtschaftlich den anstehenden Smart Metering Roll-out zu meistern. Mit der Trianel-Applikation T-DESK haben wir einen Weg gefunden, die komplexen Prozesse rund um die Beschaffung in die digitale Welt zu führen. Die Vorteile der Trianel-Plattform für Energiedienstleistungen, T-PED, liegen in der digitalen Steuerung von Vertriebsprozessen für das neue Geschäftsfeld der Energiedienstleistungen. T-PED wird bereits von über 50 Stadtwerken eingesetzt und leistet einen wesentlichen Beitrag, damit Stadtwerke Energiedienstleistungen wie PV-Contracting oder ähnliches erfolgreich in ihre Vertriebsprozesse integrieren können.
Die Digitalisierung wird also auch die Energiewirtschaft voll erfassen?
Die Digitalisierung wird die Prozesse von der Erzeugung über die Beschaffung und den Handel bis hin zum Endkundengeschäft deutlich verändern. Dabei ist die Digitalisierung kein Einzelphänomen, sondern sie wird der Schlüssel sein, um die Anforderungen eines liberalisierten und damit wettbewerbsintensiven Marktes zu meistern, neuen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden und gleichzeitig die technischen Veränderungen in der Energiewirtschaft zu managen. Wichtig erscheint mir, dass die Digitalisierung kein Hype bleibt. Digitalisierung ist auch kein Ziel in sich, sondern lediglich Mittel zum Zweck.
Dieser Beitrag ist im Titel der Mai/Juni-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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