FlexibilitätsmanagementDie Zukunft vorhersagen

Nach dem Roll-out von Smart Metern können Energieverbrauch und -erzeugung besser ausbalanciert werden.
(Bildquelle: Leo Wolfert/123rf.com)
Die flächendeckende Einführung von Smart Metering bei den Endverbrauchern eröffnet neue Möglichkeiten. Dabei steht vielerorts zunächst die Erhebung und Nutzung von Verbrauchsdaten für den Vertrieb im Fokus. Die weitere Digitalisierung des Energiesystems bietet aber zusätzlich die Chance, Verbrauch und Erzeugung besser auszubalancieren, ohne Erneuerbare-Energie-Erzeuger abregeln zu müssen. Die Einbindung von Millionen von Haushalten und Unternehmen ins digitalisierte Energiesystem und das intelligente Management ihrer Flexibilitäten – also zeitlich verschiebbare Lasten, Einspeiser sowie Speicher – erlauben ein sinnvolles und effizientes Ausbalancieren von Erzeugung und Verbrauch.
Steuerbare Systemkomponenten
Die Dimension der anstehenden Herausforderungen erschließt sich bereits bei der Betrachtung der Anzahl der steuerbaren Systemkomponenten. Perspektivisch werden in der Europäischen Union mindestens 80 Prozent der etwa 220 Millionen Haushalte sowie 20 Millionen Unternehmen mit intelligenten Messsystemen ausgestattet. Praktisch überall können Flexibilitäten erschlossen und zweckdienlich bewirtschaftet werden.
Tragfähige technische Lösungen zum netz-, markt- und systemdienlichen Flexibilitätsmanagement gibt es bereits. Sie können mit den immensen Datenmengen umgehen, die bestmögliche Lösung zum Einsatz der Komponenten eines Energiesystems finden und die Flexibilitäten entsprechend steuern. Die Technik ist aber nur die eine Seite der Medaille; die Kehrseite sind die Kosten für die erforderliche Hardware zur möglichst detaillierten Messung und Steuerung der Verbraucher. Es gilt zu vermeiden, dass zu der ohnehin aufzubauenden Smart-Meter-Infrastruktur und der Ausstattung jedes Haushalts mit einem intelligenten Messsystem weitere Kosten hinzukommen, also konkret: Es ist schlichtweg zu teuer, jedes einzelne Verbrauchsgerät intelligent zu machen.
Flexibilitäten identifizieren
Wie also kann man trotzdem an die detaillierten Daten gelangen, die für ein effektives Flexibilitätsmanagement notwendig sind? Der Lösungsansatz lautet, aus einer einzigen Smart-Meter-Messung eines Haushalts so viele Informationen wie möglich zu extrahieren, also aus dieser einen Messung Rückschlüsse auf den Verbrauch und die mögliche Einspeisung der beteiligten einzelnen Geräte zu ziehen und diese dann in die Zukunft vorherzusagen, um mögliche Flexibilitäten zu identifizieren und die Geräte zu steuern. Auf diese Weise lässt sich die Smart-Meter-Infrastruktur bestmöglich nutzen, und es fallen für dieses Demand Side Management keine weiteren Hardware-Kosten an.
Die Aufgabenstellung, eine integrale Smart-Meter-Messung so zu zerlegen, dass die Lastprofile der dahinter angebundenen, nur zum Teil flexiblen Verbraucher sichtbar werden, lässt sich mathematisch lösen (load disaggregation und non intrusive load monitoring). Entsprechende Algorithmen wurden in der Schweiz erprobt, wo der Smart-Meter-Roll-out bereits viel weiter fortgeschritten ist als hierzulande.
Projekt Optiflex
Im Innovationsprojekt Optiflex, das von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse unterstützt wurde, und an dem Hochschulen, das Schweizer Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz sowie der Marktführer im Smart Metering beteiligt waren, wurde ein neuartiges Flexibilitätsmanagement (FlexManager) entwickelt, das Flexibilitäten basierend auf Smart-Metering- und SCADA-Messdaten intelligent steuert. Das Besondere ist, dass der neue FlexManager nicht nur die großen Flexibilitäten wie industrielle Verbraucher oder Pumpspeicherkraftwerke einbezieht, sondern insbesondere auch dezentrale Einspeiser und Kleinverbraucher (Wärmepumpen, Elektroboiler), die heute nicht oder nur über Rundsteuersysteme angesprochen werden. Fortgeschrittene Datenanalyse-Methoden evaluieren automatisiert auf Basis der Messdaten aus der Netz- und Smart-Metering-Infrastruktur die relevanten Informationen zur Netztopologie, bestimmen die verfügbare Flexibilität und optimieren deren Einsatz. Entsprechende Schaltbefehle zur Anlagensteuerung werden über die existierende Smart-Meter-Infrastruktur an die verteilten Flexibilitäten weitergegeben. Mit diesem System wurden auch fortschrittliche Use Cases des Flexibilitätsmanagements, also Peak Shaving am Netzübergabepunkt zum vorgelagerten Netzbetreiber, den Eigenverbrauchsoptimierung von Eigenverbrauchsgemeinschaften und die Spannungshaltung im Niederspannungsnetz – erprobt und erfolgreich demonstriert.
Insofern ist der FlexManager das entscheidende Bindeglied zwischen klassischer Energiewelt und den CLS (Controllable Local Systems), die über die Smart-Meter-Infrastruktur erschlossen werden. Die Lösung setzt auf praxiserprobter, horizontal skalierbarer Big-Data-Technologie (KiBiD von Kisters) auf und integriert Künstliche-Intelligenz-Algorithmen, um die großen Datenmengen zu handhaben und schnell zu sinnvollen und präzisen Lösungen zu kommen. Der FlexManager ist bereits im Realbetrieb im Einsatz, auch auf breiter Feldebene beim Letztverbraucher.
Zukünftiger Strombedarf
Der Algorithmus „non-intrusive load monitoring for demand side management“ zerlegt die Smart-Meter-Lastgänge und identifiziert die Verbrauchsprofile der steuerbaren sowie der unkontrollierbaren Lasten. Aus den Leistungsmesswerten der intelligenten Zähler erkennt er die Aktivierung der Hauptlasten (vor allem Wärmepumpen und Brauchwassererwärmer) und prognostiziert über maschinelles Lernen den zukünftigen Strombedarf der beteiligten Verbraucher. Darauf basierend disponiert ein Optimierungsverfahren die steuerbaren Lasten und erzeugt entsprechende Kontrollaktionen, um beispielsweise die Spitzenlast oder den Eigenverbrauch zu optimieren.
Diese Aktionen werden über die Smart-Metering-Infrastruktur an die Endgeräte zurückgesendet und überwacht. Die Wirksamkeit des Algorithmus wurde in einem Roll-out-Gebiet, in dem zusätzlich sowohl erneuerbare Quellen als auch Energiespeichersysteme stehen, getestet und verifiziert. Dieser Ansatz stützt sich sowohl für die Messung als auch für die Steuerung auf die bestehende kommerzielle Messinfrastruktur und erfordert keine zusätzlichen Überwachungs- oder Steuergeräte.
Maximale Nutzung der Smart-Meter-Infrastruktur
In einem geförderten Folgeprojekt zur Industrialisierung werden diese Algorithmen nun in den FlexManager integriert und zur Marktreife gebracht. Die neue praxistaugliche Software-Lösung für Energieversorger kann die Basis sein für beispielsweise Demand Response und Demand Side Management zur Eigenverbrauchsoptimierung, Netzentgeltreduktion, Energiebezugskostenoptimierung und Vermeidung/Verschiebung von Lastspitzen. Ziel ist die maximale Nutzung der Smart-Meter-Infrastruktur. Natürlich müssen zur Nutzung von Flexibilitäten der Endverbraucher die jeweiligen länderspezifischen gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben hinsichtlich des Datenschutzes eingehalten und die nötigen Zustimmungen vereinbart werden.
Ein sinnvolles und intelligentes Management von Flexibilität ist eine der ausschlaggebenden Herausforderungen zur erfolgreichen Fortsetzung der Energiewende. Dabei eröffnet in erster Linie die sektorübergreifende Betriebsführung der Verbraucherseite die dringend benötigten Handlungsspielräume. Über die Smart-Meter-Infrastruktur lassen sich die Flexibilitäten der Endverbraucher erschließen und nutzen, ohne in weitere neue Metering-Hardware oder Fernwirktechnik investieren zu müssen.
Software hat sich bereits bewährt
In diesem Umfeld verbindet der FlexManager von Kisters die etablierten Systeme zum Management der konventionellen und regenerativen Erzeuger mit den über die Smart Meter neu hinzukommenden dezentralen Flexibilitäten. Die Software hat sich bereits zur Ermittlung und Steuerung von Flexibilitäten im Einsatz bewährt. Die nächste Ausbaustufe wird zusätzlich die Möglichkeiten zur Nutzung der Smart-Meter-Daten und -Infrastruktur enthalten und es den Energieversorgungsunternehmen somit ermöglichen, ihre Infrastrukturen voll auszuschöpfen. Damit ist der Weg frei für Anwendungen wie zum Beispiel die zentrale Regelung der Eigenverbrauchsoptimierung eines ganzen Quartiers, die Vermarktung von Flexibilität am Intraday-Markt oder die automatisierte Integration von CLS in virtuelle Kraftwerke der nächsten Generation.
Dieser Beitrag ist in der Augabe September/Oktober 2020 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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