Breitband-AusbauDie Zeichen stehen auf grün
2021 stand nicht nur im Zeichen der Bundestagswahl und des Endes der Ära Merkel. Es wurden auch wegweisende Entscheidungen für den Glasfaserausbau in Deutschland getroffen. So tritt zum 1. Dezember dieses Jahres das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG) in Kraft, welches den regulatorischen Rahmen für die entscheidende Etappe des Glasfaserausbaus in Deutschland setzen wird. Zudem wurde im April das Breitband-Förderprogramm des Bundes erweitert. Mit dem so genannten „Graue-Flecken-Förderprogramm“ werden auch solche Gebiete förderfähig, die bereits über eine Versorgung von bis zu 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) verfügen. Bislang lag diese Aufgreifschwelle bei 30 Mbit/s. TKMoG und Graue-Flecken-Förderung werden erheblichen Einfluss auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur der nächsten Jahre haben. Doch wo steht Deutschland derzeit im Glasfaserausbau und wie wird sich der Markt insgesamt entwickeln?
Aufschluss darüber gibt die BREKO Marktanalyse 2021, die der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) zusammen mit dem Telekommunikationsexperten und Wirtschaftswissenschaftler Professor Jens Böcker im Juli vorgestellt hat. Böcker, wissenschaftlicher Leiter und Autor der Studie, sieht eine positive Entwicklung des Glasfaserausbaus, die sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird: „Die BREKO Marktanalyse zeigt, dass die wichtigsten Kennzahlen des Glasfaserausbaus auf grün stehen: Die Nachfrage nach Internet-Anschlüssen mit hohen Bandbreiten ist signifikant gestiegen, die Geschäftsmodelle der Unternehmen funktionieren und Unternehmen und Investoren versorgen den Markt mit sehr viel Kapital. Vor fünf Jahren wurde darüber diskutiert, wie der Glasfaserausbau finanziert werden kann und welche Unternehmen ihn stemmen sollen. Groß angelegte staatliche Förderprogramme waren die Antwort. Die Notwendigkeit dieser Förderung hat sich durch die neue Situation relativiert. Das ist eine gute Basis, auf der das Glasfasernetz in Deutschland – mit fairen Bedingungen für alle Marktpartner – nun immer schneller ausgebaut werden kann.“
Anforderungen an digitale Infrastruktur steigen
Dass die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur wachsen, zeigt der deutlich gestiegene Datenverbrauch. Um mehr als 40 Prozent erhöhte sich das durchschnittlich pro Anschluss und Monat übertragene Festnetz-Datenvolumen im vergangenen Jahr. Verbrauchte ein Haushalt im Jahr 2019 noch durchschnittlich 142 Gigabyte, waren es ein Jahr später bereits 200 Gigabyte. Für 2025 wird mit einem Anstieg auf 876 Gigabyte pro Anschluss gerechnet. Des Weiteren kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass mobiles Internet trotz der Verbreitung von 5G kein Ersatz für einen Festnetz-Internet-Anschluss sein wird: Auch 2020 wurden knapp 99 Prozent aller Daten pro Anschluss über das Festnetz übertragen. Diese Entwicklung wird sich aller Voraussicht nach fortsetzen. Die BREKO Marktanalyse prognostiziert für die nächsten fünf Jahre eine Steigerung der Bandbreitennachfrage um das Fünf- bis Sechsfache.
Insgesamt ist der Anteil der Glasfaseranschlüsse bis in die Gebäude und Wohnungen im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Haushalte und Unternehmen, die Glasfaserquote, bis Ende 2020 auf 17,7 Prozent gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von 1,9 Millionen auf insgesamt 8,3 Millionen Glasfaseranschlüsse deutschlandweit. Damit hat sich die Dynamik im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Den größten Teil dieser Anschlüsse, nämlich 6,2 Millionen, realisieren wie auch bereits im Jahr zuvor die alternativen Netzbetreiber, also die Wettbewerber der Deutschen Telekom.
Positive Ausbauprognose
Diese Ausbaudynamik wird sich weiter verstärken: Für das kommende Jahr prognostiziert die aktuelle BREKO Marktanalyse einen Anstieg auf knapp 11,5 Millionen Glasfaseranschlüsse – 7,9 Millionen davon werden durch alternative Netzbetreiber realisiert. Bis zum Jahr 2024 wird mit einem Anstieg auf 26 Millionen Anschlüsse gerechnet, davon werden 16 Millionen Anschlüsse durch die Wettbewerber realisiert und zehn Millionen Anschlüsse durch die Deutsche Telekom.
BREKO-Präsident Norbert Westfal freut sich über die Entwicklung des Marktes, sieht die Unternehmen aber auch in der Verantwortung, die Geschwindigkeit weiter zu erhöhen: „Im vergangenen Jahr habe ich gesagt, dass der Glasfaserausbau Fahrt aufgenommen hat. Heute kann ich sagen: Wir haben den Ausbau nochmals deutlich beschleunigt und werden den Fuß auf dem Gaspedal behalten.“ Deutschlands Wachstumsrate bei Glasfaser sei im europäischen Vergleich weit überdurchschnittlich, die Bundesrepublik liege hier mittlerweile auf Platz drei. „Auch wenn die Glasfaserquote doppelt so stark gestiegen ist wie im Vorjahr, werden wir uns darauf nicht ausruhen“, betont Westfal. „Wir wollen und werden das Tempo weiter erhöhen. Das können wir aber nicht allein: Schleppende Genehmigungsverfahren sind ein Nadelöhr für den Glasfaserausbau, ihre Beschleunigung und Digitalisierung muss vor Ort konsequent umgesetzt werden. In der nächsten Legislaturperiode müssen die Themen mit übergeordneter Bedeutung für die Digitalisierung, zu denen auch die digitale Infrastruktur gehört, in einem Digitalministerium gebündelt werden.“
Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist hoch, ebenso die Marktdynamik – eine Reihe neuer Unternehmen und Investoren beteiligt sich am Glasfaserausbau. Die Investitionen in die digitale Infrastruktur sind im Jahr 2020 auf insgesamt 10,5 Milliarden Euro und damit auf Rekordniveau gestiegen. Hier dominieren ebenfalls die alternativen Netzbetreiber. Ihre Investitionen in Höhe von 5,9 Milliarden Euro entsprechen 56 Prozent des gesamten Investitionsvolumens. Die Finanzierung des Glasfaserausbaus ist auch in den kommenden Jahren gesichert. Allein für die nächsten fünf Jahre stehen nach einer Prognose der BREKO Marktanalyse mindestens 43 Milliarden Euro für den eigenwirtschaftlichen Ausbau der Glasfasernetze in Deutschland zur Verfügung.
TKMoG nutzt noch nicht alle Möglichkeiten
Einfache und digitale Genehmigungsverfahren ermöglichen den Unternehmen dabei bessere Ausbauplanungen und eine sinnvolle Verteilung der bestehenden Ressourcen. Für die Genehmigungen beim Glasfaserausbau sind maßgeblich die Kommunen zuständig. Hier kommt es aufgrund fehlender personeller und technischer Ressourcen sowie kleinerer oder auch größerer Hürden bei der Auslegung der Regelungen des Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes und anderer Normen nicht selten zu langwierigen Genehmigungsverfahren und unterschiedlich zu erfüllenden Nebenbestimmungen. Wichtig für den weiteren Ausbaufortschritt ist es deshalb, die Weichen, die durch das TKMoG gestellt werden, zu nutzen.
Das neue Gesetz enthält zwar einige Ansätze für einen schnelleren Ausbau, nutzt aber noch nicht alle Möglichkeiten. So ist etwa die Einrichtung einer koordinierenden Stelle zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die sinnvollerweise auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte angesiedelt werden sollte, im Gesetz nicht als zwingende Vorgabe an die Bundesländer ausgestaltet. Die offene Formulierung birgt die Gefahr, dass diese hilfreiche Maßnahme nicht umgesetzt wird. Für die ausbauenden Unternehmen wäre ein solches One-Stop-Shop-Prinzip jedoch in vielerlei Hinsicht hilfreich. Die koordinierende Stelle kann als „Anwalt für den Glasfaserausbau“ zwischen den in den Genehmigungsverfahren zu beteiligenden Behörden und den Unternehmen dazu beitragen, Hindernisse möglichst schnell aus dem Weg zu räumen. Würden die One-Stop-Shops in den Behörden vor Ort konsequent eingerichtet, hätte das erhebliche, positive Effekte auf den Glasfaserausbau.
Lieber wohldosiert fördern
Auch in der Förderpolitik kommt es jetzt auf die richtige Ausgestaltung an. Mit der im April 2021 gestarteten Graue-Flecken-Förderung wurden noch mehr Gebiete potenziell förderfähig. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die Umsetzung geförderter Ausbauprojekte trotz einiger Vereinfachungen in der Abwicklung sehr viel länger dauert als der Ausbau ohne den Einsatz von Steuergeldern. Eine am 11. Oktober 2021 veröffentlichte Antwort der Bundesregierung (19/32558) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion gibt Auskunft über den Stand des Breitband-Förderprogramms. Demnach hat der Bund seit Ende 2015 insgesamt zwölf Milliarden Euro für den geförderten Breitband-Ausbau zur Verfügung gestellt. Bis Ende September dieses Jahres wurden hiervon 1,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Nach Auskunft der Bundesregierung sind rund 714.000 geförderte Anschlüsse realisiert, also etwa 25 Prozent der insgesamt geplanten 2,7 Millionen Anschlüsse. Die Zahlen belegen, dass die scheidende Bundesregierung Fördermittel nach dem Prinzip „Viel hilft viel“ bereitstellt. Das führt in der praktischen Umsetzung allerdings nicht zu einer Beschleunigung des Ausbautempos. Vielmehr konkurrieren eigenwirtschaftlich geplante Ausbauvorhaben und Förderprojekte um die im Markt knappen Tiefbau- und Planungskapazitäten.
Anstatt auf eine möglichst umfangreiche finanzielle Ausstattung zu setzen, muss die staatliche Förderung zielgenauer als bislang dort eingesetzt werden, wo es kein eigenwirtschaftliches Potenzial gibt, um Bürger und Unternehmen ans Glasfasernetz anzuschließen. Bei der Frage, wie viele Fördermittel pro Jahr ergänzend zum eigenwirtschaftlichen Ausbau zur Verfügung gestellt werden sollten, ist der Ausbaufortschritt bei den sich in der Umsetzung befindlichen Förderprojekten als wichtiges Kriterium einzubeziehen. Nur mit einer klugen Ausbaustrategie, die dem deutlich schnelleren eigenfinanzierten Ausbau klaren Vorrang einräumt und flankiert wird von einer passgenauen und ergänzenden Förderung, werden wir es schaffen, das Tempo beim Glasfaserausbau weiter zu erhöhen.
Dieser Beitrag ist im Titel der Ausgabe November/Dezember 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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