Montag, 23. Dezember 2024

Ahrtal-WerkeDie Stärken junger Stadtwerke

[18.05.2012] Bei der Rekommunalisierung müssen einige Hürden überwunden werden, der Erfolg ist keineswegs selbstverständlich. Was junge Stadtwerke von Wettbewerbern abhebt und wie eine professionelle Leistungserbringung von Anfang an gewährleistet werden kann, zeigen die Erfahrungen der Ahrtal-Werke.

Junge Stadtwerke sind intensiv mit dem Aufbau und dem Markteintritt des Unternehmens beschäftigt. Auch wenn mit der Energiewende ein neues Kapitel der Energiepolitik, voller Chancen für Newcomer wie auch Bestandsunternehmen, eingeleitet wurde, so beherrschen noch immer überkommene Strukturen die Märkte. Aufgrund ihrer noch schlanken Strukturen haben neu gegründete Stadtwerke kurze Entscheidungswege und sind somit sehr flexibel. Das ist in Umbruchzeiten äußerst wertvoll und hilft den Neuen, kurzfristig entstehende Marktchancen und -nischen zu erkennen und zu nutzen. Sie können darüber hinaus in dieser Phase auf die Erfahrungen anderer Stadtwerke zurückgreifen. Was ihnen dabei allerdings fehlt, ist die Kapazität zur schnellen Realisierung.

Partnerschaftliches Verständnis

Ein möglicher Weg, wie ihn die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler im nördlichen Rheinland-Pfalz im Sommer 2010 beschritten hat, ist die Kooperation mit einem „gestandenen“ Stadtwerk. Bei der so entstandenen Ahrtal-Werke GmbH resultieren die Beteiligungsverhältnisse von 51 Prozent für die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler und 49 Prozent für die Stadtwerke Schwäbisch Hall, selbst ein zu 100 Prozent kommunales Unternehmen, aus dem partnerschaftlichen Verständnis. So kann die Standortgemeinde als Mehrheitsgesellschafterin lokale und kommunale Akzente setzen und sich dabei auf einen starken Partner verlassen, der das Ergebnis mitverantwortet. Der Partner, der Chancen und Risiken nahezu hälftig mitträgt, bringt sein Know-how in die Gesellschaft ein. Bei den Ahrtal-Werken werden die Kernfunktionen (Finanzen, Vertrieb, Technik und Energiewirtschaft), die zur Steuerung des Entwicklungs- und Umsetzungskonzepts erforderlich sind, von der Geschäftsführung, in der beide Gesellschafter vertreten sind, und einem kleinen Personalstamm am Standort des Unternehmens gewährleistet. Personalintensive Leistungen, wie die Abrechnung, bietet der Partner maßgeschneidert an. Um ein funktionales und autarkes Unternehmen zu schaffen, sollen sukzessive lohnenswerte Teilaufgaben am Standort mit eigenen Kräften erbracht werden. Dieser Ansatz ermöglicht eine professionelle Leistungserbringung von Anfang an und einen Know-how-Gewinn.

Rechtlich unabgestimmter Kurs

Auslaufende Stromkonzessionsverträge waren bei den Ahrtal-Werken Anlass für deren Gründung. Es wurde erkannt, dass die Netze als natürliches Monopol die Integration dezentraler Energieerzeugung gewährleisten und daher die Basis sind, um vor Ort eine Wertschöpfungskette unter kommunaler Regie zu schaffen.
Allerdings ist die Netzübernahme durch ein kommunales Stadtwerk ein sehr zeitaufwändiges Verfahren, weil zahlreiche Einzelfragen rechtlich ungeklärt sind. Klare Vorgaben für die juristische, wirtschaftliche und technische Abwicklung existieren nicht. Auch die Bundesregierung hat im Nachgang zur eingeläuteten Energiewende keine klare Position zur Frage der Dezentralisierung und damit der Rekommunalisierung der Energieversorgung bezogen. Die Gerichte sind daher mit einer Vielzahl von Einzelfallfragen befasst, was die Formulierung allgemein verbindlicher Regeln nicht ersetzt. Die ausführenden Bundesbehörden erstellen Leitfäden für kommunale Konzessionsvergaben, die eher weniger zu einer Förderung der kommunalen Strategien zur Bewältigung der Energiewende passen. Auch hier: Stückwerk, ohne den Gesamtkontext zu formulieren. Zwar werden in den Bundesländern erste Schritte zur Klärung der mit kommunalen Netzübernahmen einhergehenden rechtlichen Grundlagen eingeleitet, etwa per Anpassung der Gemeindeordnungen. Insgesamt ergibt sich aber das Bild eines unabgestimmten Kurses, was Unsicherheit schafft, wo Klarheit und ganzheitliches Handeln geboten wären, nämlich bei der Festlegung von geeigneten gesetzlichen Rahmenbedingungen zur schnellen und sinnvollen Umsetzung der Energiewende dort, wo sie stattfindet: auf der kommunalen Ebene.

Aufbau des Energievertriebs

Aus dieser Unklarheit leiten sich wirtschaftliche Nachteile für die kommunalen Initiativen ab. Deshalb müssen sich junge Stadtwerke Alternativstrategien überlegen, um nicht zermürbt zu werden. Damit die mit der Gründung gewonnene Aufmerksamkeit der interessierten Öffentlichkeit in der Wartestellung um die Netzübernahme nicht verpufft, kann der frühe Einstieg in ein anderes Geschäftsfeld dienlich sein. Mit dem Aufbau des Energievertriebs kann das Unternehmen durch unternehmerische und öffentlichkeitsrelevante Tätigkeit mit Leben gefüllt werden und seine Bekanntheit steigern.
Der Vertrieb von Energie gehört zum Portfolio fast jedes Stadtwerks. Doch ein attraktives Produkt ist der Haushaltsstrom auf den ersten Blick nicht. Der Markt ist schon verteilt, Wettbewerb um das Produkt gibt es nur bei einem kleinen, zum Wechsel bereiten Kundenkreis. Erfolg versprechen in dieser Situation nur nachvollziehbare Argumente. Die lokale Verankerung eines Stadtwerkes ist ein solches Argument. Die Verbraucher wünschen sich persönliche Betreuung und möglichst wenig Verwaltungsaufwand für selbstverständliche Produkte. Sie honorieren dabei auch die Tatsache, dass die Erlöse aus dem Geschäft über den kommunalen Gesellschafter der Entwicklung an ihrem Wohnort zugutekommen. Werden dann noch – seit der Energiewende eigentlich selbstverständlich – nachhaltige Produkte angeboten, kann das Interesse der Kunden auch an einem eigentlich so langweiligen Produkt wie Strom durchaus geweckt werden.
Die Ahrtal-Werke haben darüber hinaus bereits im Jahr nach ihrer Gründung ein erstes Fernwärmeprojekt auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Gesamtpotenzial von rund 37.000 Megawattstunden (MWh) Wärmeabsatz angestoßen. So erweitern die Eigenstromerzeugung und das Produkt Wärme die Wertschöpfungskette im Unternehmen auf einen Schlag. Nischen und neue Chancen ergänzen dabei das klassische Geschäft, etwa durch die auf einen Großabnehmer an der Fernwärmetrasse zugeschnittene Lösung, bestehend aus einer Kombination aus Fernwärmelieferung und Contracting.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass junge Stadtwerke auf die Stärken setzen sollten, die sie von anderen Wettbewerbern abheben. Es sind die kommunale Identität und die lokale Verwurzelung, die bei der Entwicklung neuer Geschäftsideen eine gute Basis bilden. Flexible Strukturen und die Unterstützung eines Kooperationspartners mit energiewirtschaftlicher Erfahrung sind von großer Bedeutung, um am Markt bestehen zu können. Chancen liegen in der Entwicklung neuer Dienstleistungen, die kundenorientiert gestaltet werden. Dabei zeigt das Beispiel Fernwärme, dass auch die Kombination hergebrachter Geschäftsmodelle mit neuen Dienstleistungen zu interessanten Projekten führt, die den energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen optimal angepasst werden können.

Ahrtal-Werke GmbH
Am 28. Juni 2010 beschloss der Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler die Gründung eines eigenen Energieversorgungsunternehmens. Den Zuschlag erhielten die Stadtwerke Schwäbisch Hall mit dem Angebot einer weitergehenden Partnerschaft zur gemeinsamen Gründung eines modernen Querverbundunternehmens, der Ahrtal-Werke GmbH. Mehrheitsgesellschafterin mit 51 Prozent ist die Stadt, 49 Prozent der Anteile liegen bei den Stadtwerken Schwäbisch Hall. Im Rahmen des Verfahrens zur Stromkonzessionsvergabe erhielt die Ahrtal-Werke GmbH den Zuschlag für die nächsten 20 Jahre. Im Aufsichtsrat der neuen Stadtwerke sind Kommunalpolitiker beider Städte vertreten. Den Vorsitz des Gremiums hat der Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen (CDU), stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist Hermann-Josef Pelgrim (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Hall.

Susanne Strauch ist Mitglied der Geschäftsführung er Ahrtal-Werke GmbH.




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