InfrastrukturDie Netze in Toleranz üben

Wasserstoff kann zur Dekarbonisierung des Wärmesektors beitragen.
(Bildquelle: Shutterstock)
Das 1,5-Grad-Ziel der UN-Klimakonferenz vom Dezember 2015 in Paris ist allgegenwärtig. Die an der Konferenz teilnehmenden Staaten haben sich damals das gemeinsame Ziel gesetzt, den anthropogenen Treibhauseffekt einzudämmen und die globale Erwärmung auf das vorindustrielle Niveau zu begrenzen. Bis zum Jahr 2100 soll deshalb eine Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius nicht überschritten werden. Eine Projektion des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 2023 zeigt allerdings, dass wir mit den derzeit implementierten Maßnahmen auf eine Erderwärmung zwischen 2,2 und 3,5 Grad Celsius zusteuern. Um das Ziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius einzuhalten, müssten die Treibhausgasemissionen bis etwa 2030 halbiert und bis etwa 2050 Treibhausgasneutralität – also ein Gleichgewicht zwischen Emissionen und Abbau – erreicht werden.
Dekarbonisierung als wesentlicher Ansatzpunkt
Ein wesentlicher Ansatzpunkt wird in der Dekarbonisierung gesehen, also der Reduzierung des Ausstoßes des Haupttreibhausgases Kohlenstoffdioxid. Als einer der größten Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung gilt Wasserstoff. Werden fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl oder Erdgas – allesamt Kohlenstoffverbindungen – verbrannt, entsteht unter anderem das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid, eine Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff. Wasserstoff hingegen ist ein chemisches Element und verbrennt in Verbindung mit Sauerstoff zu gewöhnlichem Wasser.
Eine Perspektive ist daher die sukzessive Substitution fossiler Energieträger durch Wasserstoff. Vielfältige Einsatzmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Sektoren sind denkbar. Die Wasserstoff-Brennstoffzelle beispielsweise ist ein Konzept, das auch in den Medien seit Jahrzehnten immer wieder auftaucht. Darüber hinaus sind vor allem solche Anwendungen für den Wasserstoffeinsatz prädestiniert, die ohnehin mit gasförmigen Energieträgern betrieben werden. Dazu gehört Erdgas im Wärmesektor. Hier liegt der Gedanke nahe, Wasserstoff beizumischen oder im Extremfall Erdgas vollständig durch Wasserstoff zu ersetzen.
Hoffnungsträger mit Risiken
Reiner Wasserstoff hat jedoch einige buchstäblich brandgefährliche Eigenschaften. So ist ein Luft-Wasserstoff-Gemisch bereits ab einer Wasserstoffkonzentration von vier Prozent explosionsfähig. In Verbindung mit dem negativen Joule-Thomson-Koeffizienten, den Wasserstoff mitbringt, führt die Ausdehnung von Wasserstoff im Gegensatz zu vielen anderen Gasen zu einer Erwärmung. Dadurch ist eine Selbstentzündung möglich.
Hinzu kommt, dass Wasserstoff als Element mit der kleinsten Ordnungszahl im Periodensystem auch das kleinste Molekül und damit flüchtiger als Gase mit deutlich größeren Molekülen ist. In der Praxis bedeutet dies, dass Wasserstoff nicht nur Dichtungen leichter passieren kann. Er kann auch in andere Materialien hineindiffundieren und diese verspröden.
Diese Überlegungen und Probleme sind nicht neu. Es gibt bereits eine Vielzahl von Studien, die sich mit der Wasserstofftoleranz von Erdgasnetzen beschäftigen. Unter anderem hat der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) im Jahr 2013 in einem Projekt die Wasserstofftauglichkeit der Erdgasinfrastruktur für verschiedene Stoffmengenanteile untersucht. Laut Abschlussbericht bestand damals zwar Anpassungs- und weiterer Untersuchungsbedarf für sehr hohe Wasserstoffanteile. Das Transport- und Verteilnetz würde jedoch bis zu 30 Prozent Beimischung weitgehend ohne Anpassungen verkraften. Anpassungsbedarf sah der DVGW im Bereich der Messtechnik, die bisher auf Wasserstoffanteile von maximal zehn Prozent ausgelegt war.
Welche Auswirkungen die Umstellung auf wasserstoffhaltiges Erdgas auf die nachgelagerten Prozesse hat, zeigen die Bemühungen des DVGW in der jüngeren Vergangenheit. Unter anderem ist der Verband damit beschäftigt, das Regelwerk für Messtechnik und Gasabrechnung kontinuierlich an die aktuellen und zukünftig geplanten Bedingungen anzupassen. Ein prominentes Beispiel ist die Aufnahme eines speziell an den Wasserstoffgehalt angepassten Berechnungsverfahrens in die Standard Gas Equation of the Research Group 1988 (SGERG-88). Die Zustandsgleichung SGERG aus dem Jahr 1988 ermöglicht es, die Kompressibilitätszahl (K-Zahl) eines Gases aus leicht verfügbaren Gasbeschaffenheitsdaten zu bestimmen. Sie wurde stetig weiterentwickelt und im Jahr 1997 in die ISO-Norm 12213-3 aufgenommen. Allerdings wurde die Anwendung der Gleichung auf zehn Molprozent Wasserstoff begrenzt. Die gleichen Randbedingungen galten auch im DVGW-Regelwerk.
Erste Weichen sind gestellt
Erst mit der 2021 veröffentlichten und 2022 modifizierten SGERG-mod-H2 wurden auch Berechnungen mit höheren Stoffmengenanteilen an Wasserstoff möglich, wobei der DVGW eine Begrenzung auf 30 Molprozent Wasserstoff empfiehlt. Für höhere Stoffmengenanteile steht alternativ das genauere Berechnungsverfahren AGA8-DC92 zur Verfügung. Es benötigt jedoch deutlich mehr Gasbeschaffenheitsdaten als Eingangsparameter als die einfacheren Verfahren nach SGERG-88 oder SGERG-mod-H2.
Damit sind die Grundlagen für den Betrieb mit wasserstoffreichem Erdgas für die Messtechnik und die Abrechnung geschaffen. Was aber passiert, wenn die installierte Messtechnik die aktuellen Anforderungen nicht umsetzen kann? Zählerfernauslesesysteme sind eng mit der Messtechnik verbunden und der Schlüssel für eine erfolgreiche und unabhängige Umsetzung der aktuellen DVGW-Vorgaben. Das Unternehmen Vivavis beispielsweise hält in seinem Zählerfernauslesesystem IDSpecto die Berechnungsverfahren immer auf dem aktuellen Stand der Technik. So ist eine Berechnung der K-Zahl nach SGERG-mod-H2 oder AGA9-DC92 unabhängig von den vor Ort verbauten Messeinrichtungen jederzeit möglich.
Der Weg, die Klimaziele durch sukzessive Anpassungen unserer Prozesse zu erreichen, ist noch weit. Ein Blick ins Detail zeigt jedoch, dass an manchen Stellen bereits die Voraussetzungen geschaffen wurden, die tief in die alltäglichen Abläufe hineinreichen. Sogar die Systemhersteller sind vorbereitet. Es liegt aber auch an den Betreibern, anzupacken und die notwendigen Veränderungen anzugehen.
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