InterviewDie Kosten im Blick behalten
Herr Dr. Alsheimer, die Bundesregierung will die Energiewende zum Erfolg führen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat kürzlich seine Vorstellungen dazu vorgelegt. Wie beurteilen Sie die Pläne?
Ich muss sagen, dass ich inzwischen skeptisch gestimmt bin, ob das ausgegebene Ziel der EEG-Reform, nämlich die Kostendynamik der Energiewende in den Griff zu bekommen, auf diese Weise erreicht werden kann. Das Eckpunktepapier von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ging grundsätzlich in die richtige Richtung. Dort wurde stärker als bisher auf die volkswirtschaftliche Ratio der EEG-Fördermaßnahmen abgestellt. Das fand ich begrüßenswert, denn ich vertrete schon lange die Ansicht, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn sie von den Bürgern weiterhin akzeptiert wird. Und das wird sie nur, wenn sie bezahlbar bleibt. Mit der Aufweichung der EEG-Reform auf dem Bund-Länder-Energiegipfel am 1. April dürfte die Kostendynamik jedoch kaum gebrochen werden. Abzuwarten bleibt, wie der Kostenanstieg ausfällt. Immerhin beinhaltet die EEG-Reform aber auch einige begrüßenswerte Elemente. Gut gefällt mir beispielsweise, dass die Eigenproduktion von Strom nicht mehr per se privilegiert sein soll. Gut gefällt mir auch die geplante Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung. Allerdings plant die Bundesregierung hier Ausnahmen für EE-Kleinanlagen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Stabilität des Energieversorgungssystems wäre es besser, wenn die Direktvermarktung auch für diese Anlagen verpflichtend würde.
Wie wirkt sich die Energiewende – heute und künftig – auf die kommunalen Energieversorger aus?
Für die kommunalen Versorger ist die Energiewende schon allein deshalb eine Herausforderung, weil es um hohe Investitionen geht und neues Know-how aufgebaut werden muss – beispielsweise beim Thema Direktvermarktung. Auch die Errichtung von Windanlagen ist kein Geschäft, das man nebenbei erledigen kann, obwohl das Marktrisiko durch die feste Einspeisevergütung relativ moderat ist. Für die kommunalen Versorger ist es aber überwiegend eine große Chance, dass die Erzeugungsstruktur zukünftig dezentraler sein wird. Allerdings wird man sich auch die Frage stellen müssen, ob die Betriebsgröße eines jeden Stadtwerks ausreicht. Der Trend zu immer kleineren Stadtwerken – quasi eines für jedes Gemarkungsgebiet einer Gemeinde – ist meiner Meinung nach betriebswirtschaftlich nicht optimal. Hier wird es vermutlich Kooperationen und Zusammenschlüsse geben müssen.
Es ist also nicht immer der richtige Weg, die Versorgungsnetze wieder in kommunale Hände zu nehmen?
Wie gesagt, ich bin skeptisch. Einerseits ist es ordnungspolitisch sachgerecht, wenn sich die öffentliche Hand an der Infrastruktur beteiligt, um nicht in völlige Abhängigkeit zu geraten, sondern Einfluss auf Investitionen in die örtliche Infrastruktur nehmen zu können. Andererseits kann die Bundesnetzagentur ihre Regulierungsaufgaben bei vielen hundert Netzbetreibern in Deutschland nicht mehr sachgerecht wahrnehmen. Gerade im Hinblick auf die Qualitätsregulierung glaube ich, dass wir zu betriebswirtschaftlich sinnvollen Netzgrößen kommen müssen. Der gegenwärtige Trend ist gegenläufig und birgt die Gefahr einer Zersplitterung der Netze.
Mit welcher Strategie reagiert Mainova auf den Umbau des Energiesystems?
Mainova unterstützt die Energiewende und die Klimaziele der Stadt Frankfurt am Main sowie des Landes Hessen. Daher haben wir uns vorgenommen, unsere Kohlendioxidemissionen substanziell zu reduzieren. Konkret heißt das: 600.000 Tonnen weniger CO2 ab dem Jahr 2020. Dieses Ziel wollen wir über die Modernisierung unserer Erzeugung erreichen. Wir investieren deshalb beispielsweise in hocheffiziente Gaskraftwerke, etwa in Irsching und in Bremen. Leider sind deren Jahreslaufzeiten momentan eher limitiert. Darüber hinaus investieren wir in erneuerbare Energien, etwa in Freiflächenanlagen für Photovoltaik und vor allem in Windenergie an Land. So haben wir in Frankfurt und Umgebung Windenergieanlagen in einer Größenordnung von mehr als 100 Megawatt errichtet. Bei der Modernisierung unseres Erzeugungsparks setzen wir also auf die kostengünstigsten Elemente der erneuerbaren Energien. Wir glauben, dass sich diese auch nachhaltig durchsetzen und am ehesten am Markt behaupten werden. Beim Thema Netze versuchen wir ebenfalls, die anstehenden Herausforderungen möglichst kostengünstig zu bewerkstelligen. Gemeinsam mit der Bergischen Universität Wuppertal, der SAG und dem Unternehmen Bilfinger Mauel haben wir etwa das Smart-Grid-Projekt iNES gestartet. Dabei etablieren wir mit relativ wenigen, aber an neuralgischen Punkten angeordneten Mess- und Regelelementen eine kluge Netzsteuerung.
„Der Trend zu immer kleineren Stadtwerken ist nicht zielführend.“
Ein ehrgeiziges Ziel hat der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main ausgegeben: Die Bankenmetropole soll Solarhauptstadt werden. Halten Sie das für realistisch?
Es ist immer die Frage, mit welcher Perspektive ein solches Ziel formuliert wird. Derzeit sieht es danach aus, dass die Photovoltaik nicht ohne eine relativ teure Begleitmusik etabliert werden kann. Unterstellen wir einmal, dass in Frankfurt jedes hierfür geeignete Haus eine Einkleidung mit Photovoltaikzellen erhält – das wäre im Hochsommer eine tolle und möglicherweise auch kostengünstige Energiequelle, wenn sich aber Wolken vor die Sonne über Frankfurt schieben, ist der Strom innerhalb von einer Minute weg. Die Plötzlichkeit, mit der das Netz darauf reagieren muss, ist bei einer massenhaften Installation von Photovoltaik nicht mehr beherrschbar. Um das Netz zu entlasten, müsste man also eine Speichereinheit vor oder hinter jede Photovoltaikzelle stecken – das ist die erwähnte Begleitmusik. Von daher: Natürlich birgt die Photovoltaik Chancen und bietet Frankfurt hervorragende Bedingungen für deren Implementierung. Unter Kostengesichtspunkten ist es – zumindest aktuell – aber nicht die günstigste zur Verfügung stehende erneuerbare Energie. Also bleibt es vor allem eine Frage des Realisierungszeitpunkts.
In Frankfurt läuft ein Power-to-Gas-Pilotprojekt. Kann diese Technologie die Speicherprobleme bei Erneuerbaren lösen?
Ich persönlich kenne derzeit keine Speichertechnologie, die sich perspektivisch für die Massenspeicherung anbietet und günstiger ist als Power to Gas. Natürlich ist die Technologie noch nicht marktreif. Wir sind noch ein ganzes Stück von der Wirtschaftlichkeitsgrenze entfernt. Da wir die Speichertechnologie jedoch brauchen und auch an den Fortschritt glauben, setzt Mainova schon jetzt perspektivisch auf dieses Medium.
Manche Fachleute warnen schon vor Blackouts, wenn immer mehr Kraftwerke vom Netz gehen. Wie sorgt Mainova für Versorgungssicherheit in der Wirtschaftsregion Rhein-Main?
Mit Blick auf die hochsensible IT, die das Rückgrat des Finanz- und Dienstleistungssektors in Frankfurt bildet, obliegt uns hier eine besondere Verantwortung. Insofern haben wir ein hohes Maß an Ausfallsicherheit im Netz. Für Netzstabilität sorgen etwa Erzeugungsanlagen dezentraler Art, insbesondere, wenn sie in den Verteilnetzen implementiert sind. In Frankfurt haben wir mit rund 45 Prozent oder 460 Megawatt des durchschnittlichen Stromverbrauchs eine relativ hohe Eigenerzeugung. Auch unser virtuelles Kraftwerk, ein Zusammenschluss vieler Blockheizkraftwerke, sorgt für Stabilität und gewährleistet die Versorgungssicherheit. Auch hier befinden wir uns im Bundesvergleich in einer recht guten Position.
Welche neuen Geschäftsfelder müssen sich Stadtwerke suchen, um sinkende Margen im Kerngeschäft auszugleichen?
In Frage kommt alles, was Berührungspunkte mit dem Bereich Energie hat und aus dem sich ein Geschäft entwickeln lässt. Allerdings erfordert die Entwicklung neuer Produkte zunächst hohe Investitionen. Es ist also immer die Frage, inwiefern die Kraft der Stadtwerke ausreicht, um diese stemmen zu können, inwieweit die Stadtwerke mit Ausschüttungswünschen von Kämmerern konfrontiert werden und in welchem Umfang sie Gewinne im Unternehmen belassen können. Mainova beispielsweise investiert in das Geschäftsfeld Elektromobilität, etwa durch die Beteiligung an einem Carsharing-Unternehmen. Zudem haben wir das Unternehmen Hotmobil erworben, das bundesweit mobile Wärmeanlagen aufstellt. Darüber hinaus setzen wir auf Produkte rund um Blockheizkraftwerke. Wir investieren also in technische Gerätschaften, die als Energiedienstleistungen im weiteren Sinne verstanden werden können. Eine Geschäftschance für die Stadtwerke sehe ich auch, wenn es politisch gelingt, die Marktkräfte im Erzeugungsbereich zur Geltung kommen zu lassen – Stichwort Direktvermarktung. Ich glaube, die Stadtwerke werden zukünftig die Sparkassen der Energiewirtschaft sein. Sie werden Girokonten für die einzelnen Stromproduzenten führen, die etwa ihre Photovoltaikanlage vermarkten müssen. Über das Konto können sie dann im Falle der Produktion Strom einzahlen und diesen wieder entnehmen, wenn sie ihn selbst benötigen. Das geht aber nur, wenn die politischen Rahmenbedingungen in Richtung Direktvermarktung verändert werden und der Markt nicht qua Regulierung und Einspeisevergütung gestaltet wird.
Dieses Interview ist in der Ausgabe Mai/Juni von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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