GenossenschaftenDie Energie im Dorf lassen
So sieht die kommunale Energieversorgung der Zukunft aus: Die Energie des Dorfes dem Dorfe. Zumindest in der unterfränkischen Gemeinde Großbardorf funktioniert dieses Prinzip, das Leitmotiv der Genossenschaft Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen Energie, bereits seit mehreren Jahren erfolgreich. Zahlreiche, überwiegend von den Bürgern finanzierte Biogas- und Photovoltaikanlagen sind dort entstanden. Außerdem wurde das Nahwärmenetz mit einem Budget von drei Millionen Euro ausgebaut. Der Lohn: In diesem Jahr hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Gemeinde als eines der drei Bioenergiedörfer 2012 in Deutschland ausgezeichnet.
Genossenschaft als Modell
Deutschlandweit sind immerhin 80.000 Bürger in Energiegenossenschaften aktiv. Der Vorteil für Kommunen: „Anders als zum Beispiel Fonds fördern Genossenschaften die regionale Wertschöpfung, indem etwa ortsansässige Handwerksbetriebe oder Banken eingebunden werden“, erläutert Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV). Er sieht das Genossenschaftsmodell als die insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland an. Die reine Energiegenossenschaft mit dem Ziel, Strom, Wärme oder beides zu produzieren, stellt dabei meist einen überschaubaren Zusammenschluss von Bürgern, Stadtwerken, Kommunen und privaten Unternehmen dar. Was die Finanzierungsseite angeht, so gibt es unterschiedliche Modelle wie Schuldverschreibungen, Genussrechte, partiarisches Darlehen oder die stille Beteiligung. „Energiegenossenschaften sind einfach zu gründen und ermöglichen eine gleichberechtigte Bürgerbeteiligung“, so Ott weiter.
Mehr Zusammenarbeit durch überregionale Kooperationsmodelle steht andernorts auf der Agenda. Als wegweisendes Beispiel kann das Vorhaben „19 Kommunen – ein Ziel!“ dienen. In einer ansonsten relativ strukturschwachen bayerischen Region in der Oberpfalz arbeiten in der Genossenschaft Neue Energie West immerhin 17 Kommunen und zwei Stadtwerke Hand in Hand. Bislang sind via Bürgerbeteiligung seit 2009 über 45 Millionen Euro in die lokale Energiewende geflossen. „Die interkommunale Energiegenossenschaft ermöglicht dabei ein sach- und zielorientiertes Arbeiten“, bekräftigt Helmut Amschler, Vorstand der Stadtwerke Grafenwöhr. Die Finanzierung einzelner Bürgervorhaben im Bereich der regenerativen Energien erfolge außerhalb der regulären kommunalen Haushalte, um so mehr Spielraum zu gewinnen.
Der Anteil der erneuerbaren Energien habe, so führt der Experte der Stadtwerke Grafenwöhr weiter aus, bereits die 50-Prozent-Marke erreicht, wobei die Photovoltaik in der Region am stärksten wachse. Mehr noch: Die Verantwortlichen des interkommunalen Gestaltungsansatzes loten nicht nur den gemeinsamen Strombezug zwischen den Stadtwerken, der Kommune und den Energiegenossenschaften aus. Darüber hinaus beabsichtige man auch die Rückübertragung der örtlichen Stromverteilnetze.
Dezentraler Ansatz
Dass in dem Beziehungsgeflecht Bürger, Stadtwerke und Kommunen auch gänzlich neue Betreibermodelle entstehen können, dokumentiert Hans-Detlef Feddersen. Er ist Geschäftsführer beim Bürgerwindpark Lübke-Koog. Die ostfriesische Region gilt als Paradebeispiel für die Energiewende von unten. Schließlich befinden sich rund 90 Prozent der Windanlagen in Bürgerhand. Geplant sei nun für das kommende Jahr die Gründung einer Bürgernetzgesellschaft. „Die Bürgerbeteiligung beim Netzausbau stellt ein erfolgversprechendes Zukunftsmodell dar“, argumentiert Feddersen. Vorgesehen in der „Arge Netz“ ist ein Investitionsvolumen von rund 200 Millionen Euro. Der Eigenkapitalanteil liege bei 40 Prozent. Im nächsten Schritt stehen die Modalitäten zur Finanzierung an. Dabei sei auch Netzbetreiber Tennet mit an Bord.
Letztlich liegt die Aufgabe der kommunalen Akteure auch darin, gerade bei komplexen Projekten für einen sinnvollen Interessenausgleich unter den Beteiligten zu sorgen. Getreu dem Leitmotiv „Voneinander lernen, voneinander profitieren“. In einen zukunftsweisenden Gestaltungsprozess sollten deshalb möglichst viele Bürger von Anfang an eingebunden sein. Denn die jeweilige Lösung im lokalen Energiemix liege zwar vor Ort bereit: „Aber in den Kommunen fehlt häufig der zuständige Organisator für die Energiewende“, gibt Werner Neumann von der kommunalen Energieagentur der Stadt Frankfurt am Main zu bedenken. Der Experte favorisiert einen eigens bestellten Energiewendeorganisator, der den regionalen Strommarkt aktiv gestalte, und zwar im steten Dialog mit den übrigen Energie-Managern aus der Kommune, den örtlichen Betrieben und den Energieverbrauchern.
Prinzip der aktiven Bürgerbeteiligung
Die Praxis scheint mancherorts schon weiter fortgeschritten. In der Energielandschaft Morbach etwa setzt man bereits seit geraumer Zeit auf das Prinzip der aktiven Bürgerbeteiligung. „Wenn sich die Menschen als Kommanditisten an Bürgerwind- oder Solarprojekten beteiligen, dann bleibt der erwirtschaftete Mehrwert in der Region“, bilanziert Gregor Eibes, Landrat beim zuständigen Landkreis Bernkastel-Wittlich (Rheinland-Pfalz). Der Kommunalpolitiker hebt die Vorteile der kommunalen Energiegesellschaft gegenüber einer reinen Pachtlösung hervor. Durch die gemeinsame Entwicklung und den Betrieb, etwa der besten Windstandorte, ließe sich nicht nur in der gesamten Region das Projektrisiko verringern. Auch attraktive Renditen in der Betreibergesellschaft seien möglich, was aufgrund der niedrigen Kostenstruktur der Betreibergesellschaft auch attraktive Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger eröffne.
Zweifellos werde die Bedeutung der Kommunen bei der Energiewende in Zukunft noch erheblich wachsen, bestätigt auch Hannah Büttner vom Beratungsunternehmen IFOK. Für die Energieexpertin nimmt das Gewicht der lokalen Akteure auch deshalb zu, weil am Prinzip der Dezentralität kein Weg vorbei führe, um den globalen Klimawandel gemeinsam zu bewältigen. Das Besondere an der kommunal organisierten Energiewende formuliert Büttner so: „Im Kleinen wird hier erprobt, was in Deutschland, Europa oder der ganzen Welt gelingen soll.“
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