Donnerstag, 26. Dezember 2024

InterviewDie effizientesten Kraftwerke

[21.04.2022] Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) kann als Rückgrat dazu beitragen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sagt Christian Grotholt. Im stadt+werk-Interview spricht der Chef von 2G Energy darüber, welche Rolle die KWK im künftigen Energiesystem spielt.
Viele KWK-Anlagen können dezentral aufgebaut werden.

Viele KWK-Anlagen können dezentral aufgebaut werden.

(Bildquelle: 2G Energy AG)

Herr Grotholt, wie verändert der Atom- und Kohleausstieg das Energiesystem aus Sicht eines Herstellers von Blockheizkraftwerken (BHKW)?

Neben dem Ausbau von Windkraft und Photovoltaik benötigen wir regelbare Kraftwerksleistungen, die möglichst auch klimaneutral zu betreiben sind. Von diesen regelbaren Kraftwerken werden hochdynamische Betriebsweisen abgefordert, die immer dann Residuallast abdecken, wenn der Wind nicht ausreichend weht oder die Sonne nicht scheint. Eine von der Denkfabrik Agora Energiewende in Auftrag gegebene Studie sieht vor, dass die Kohlemeiler und Atomkraftwerke zunächst durch Gaskraftwerke ersetzt werden. Man spricht auch vom so genannten Fuel Switch, weg von Öl und Kohle hin zu gasförmigen Energieträgern, die weniger Treibhausgase emittieren. Danach sollen die Moleküle fossiler Herkunft substituiert werden durch grünen Wasserstoff und Biogase aus regenerativer Gewinnung. Unsere Blockheizkraftwerke können mit diversen gasförmigen Kraftstoffen betrieben werden. Deshalb können wir die geschilderten Anforderungen sicher erfüllen. Wir erwarten durch die Abschaltung von Atomkraftwerken und Kohlemeilern einen weiter steigenden Absatz von 2G-Kraftwerken.

Wie bewerten Sie die Pläne, Gaskraftwerke für die Versorgungssicherheit zu bauen?

Der Bau von großen Kraftwerken ist oftmals mit kostspieligen und langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren verbunden. Aufgrund der fehlenden Investitionssicherheit im Zuge der Energiewende tun sich überdies viele Energieversorger derzeit schwer, die entsprechend großen Investitionen für den Bau neuer Großkraftwerke vorzunehmen. Kleine Kraftwerke, die schnell und einfach in vorhandene Infrastruktur eingebunden werden können, sind in größerer Anzahl in der Lage, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und sie sind zusätzlich dynamischer und flexibler zu betreiben als Großkraftwerke, was insbesondere im Zusammenspiel mit Wind- und Sonnenkraftwerken wichtig ist.

Welchen Beitrag kann die Kraft-Wärme-Kopplung insgesamt leisten?

Zunächst möchte ich darauf verweisen, dass KWK-Anlagen, gemessen am Ausnutzungsgrad des eingesetzten Primärenergieträgers, die effizientesten Kraftwerke sind. Viele KWK-Anlagen kleiner und mittlerer Leistung können dezentral aufgebaut und einfach implementiert werden. Die Genehmigungs- und Planungsverfahren sind sehr kurz, sodass in der notwendigen Geschwindigkeit eine nennenswerte Residuallastkapazität aufgebaut werden kann. Alleine wir als 2G könnten jährlich bis zu 1,5 Gigawatt hochflexibler Kapazität ans Netz bringen. Wir sehen die KWK als natürlichen Partner der erneuerbaren Energien, insbesondere der Photovoltaik. Denn wenn die Sonne hoch am Himmel steht, gibt es oftmals eher geringe Wärmebedarfe und umgekehrt. Im Zusammenwirken von PV, KWK und Windkraftanlagen können hocheffiziente und klimaneutrale Energieversorgungskonzepte dezentral geschaffen werden, wenn die KWK-Anlagen Biogase oder grünen Wasserstoff als Treibstoff nutzen.

KWK gilt manchen als fossile Technologie. Warum ist das aus Ihrer Sicht falsch?

Sie sprechen da einen sehr ärgerlichen Punkt an. Überholtes Denken bei Politikern und Entscheidungsträgern aus Gesellschaft und Wirtschaft trägt dazu bei, dass die Kraft-Wärme-Kopplung oftmals noch als ein mit Steinkohle betriebenes Heizkraftwerk angesehen wird. KWK heute versteht sich als divers einzusetzende, hocheffiziente und dynamisch arbeitende Kraftwerksart, die klimaneutral zu betreiben ist und somit als Rückgrat dazu beitragen kann, dass die Gesellschaft und die Wirtschaft sicher, umweltfreundlich und günstig mit Energie versorgt wird. Die größte Herausforderung besteht weiterhin darin, die regenerative Energieproduktion und deren Nutzung in Einklang zu bringen. Wir benötigen saisonal einzusetzende Großspeicherkapazitäten, die nicht mit Batterien aufzubauen sind. Wasserstoff kann das Arbeitsmedium sein, das regenerative Energie unter Verwendung des bestehenden Gasnetzes speichert. Lassen Sie mich auf einen Punkt im Koalitionspapier der Regierungsparteien verweisen. Demnach soll der Wärmebedarf in Deutschland zu 50 Prozent regenerativ abgedeckt werden. Hier können wir helfen, wie die Bezeichnung unserer Kraftwerke schon verrät: Kraft-WÄRME-Kopplung.

„Stadtwerke haben ein großes Potenzial zur Dekar­bonisierung via KWK.“
Gerade viele Stadtwerke setzen bei der Wärmeerzeugung auf KWK. Welche Rolle spielen sie im neuen Energiesystem?

Allein durch die notwendige Versorgung des Gebäudebestands und existierende Wärmenetze verfügen Stadtwerke über ein großes Potenzial zur Dekarbonisierung via Kraft-Wärme-Kopplung. Für uns sind diese systemrelevanten Marktteilnehmer sehr wichtig. Wir möchten zukünftig noch stärker gemeinsame Geschäftsmodelle entwickeln, um den notwendigen Zubau von KWK-Anlagen möglichst unkompliziert umzusetzen. Da haben wir schon einige strategische Ansätze mit lokalen Versorgern diskutiert und befinden uns auf einem guten Weg, standardisierte Lösungen immer wieder nutzen zu können.

KWK-Anlagen haben meist vergleichsweise kleine Leistungen. Warum sehen Sie dennoch Vorteile bei der Dezentralität?

Energiewende findet dort statt, wo Menschen leben und arbeiten, ist also vor allem in Städten und Ballungsgebieten durchzuführen. Hier helfen dezentrale Anlagen kleinerer Leistung, die im Konzert – also kommunizierend – arbeiten. Zunächst gilt es, konsequent die Photovoltaik-Kapazität auszubauen und gleichzeitig die effiziente Energienutzung abzusichern. Schlussendlich müssen dann im nahegelegenen Umfeld der Ballungsgebiete zusätzliche Windkraftanlagen gebaut werden. Die auszubauende KWK kann bei einer solchen Systematik das Rückgrat darstellen, welches die volatile und dargebotsabhängige Stromproduktion durch Wind und Sonne stabilisiert. Und dann gibt es noch die rotierenden Massen, über welche KWK-Anlagen verfügen, die in großer Anzahl in gleicher Weise systemstabilisierend wirken. Ein zusätzlicher, systemdienlicher Vorteil im Vergleich zu anderen regenerativen Kraftwerksarten.

Ihr Unternehmen wirbt damit, dass die Anlagen H2-ready sind. Wie unterscheiden sich die Anlagen im Vergleich zum Betrieb mit Erdgas?

Da gibt es sowohl innermotorische Unterschiede als auch zusätzliche periphere Anbauten. Der Entwicklungsaufwand ist den physikalischen Eigenschaften von Wasserstoff geschuldet. Wir haben bereits im Jahr 2008 damit angefangen, wassertoffhaltiges Pyrolysegas energetisch zu verwerten. Somit blicken wir auf eine mehr als zehnjährige Erfahrung im Umgang mit Wasserstoff als Treibstoff. Das hilft uns, Wasserstoffkraftwerke anbieten zu können und den Kundennutzen abzusichern.

Interview: Alexander Schaeff

Im Interview, Christian GrotholtChristian Grotholt gründete 1995 zusammen mit Ludger Gausling die 2G Energietechnik GmbH mit Sitz in Heek im Münsterland. Seit dem Börsengang im Juli 2007 ist er Vorstandsvorsitzender und verantwortet die Ressorts Strategie und Vertrieb. Der Diplom-Ingenieur hat das Unternehmen vom Montagebetrieb zum international agierenden Entwickler und Produzenten von KWK-Anlagen geführt.



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