Dienstag, 5. November 2024

Geodaten-ManagementDie Bedeutung des Raumes

[02.10.2013] Viele Vorhaben zur Umsetzung der Energiewende benötigen als Grundlage eine digitale Geodaten-Infrastruktur. Geo-Informationen helfen zudem, Maßnahmen transparenter für den Bürger zu gestalten.
Gerd Buziek: „Geo-Informationen helfen dabei

Gerd Buziek: „Geo-Informationen helfen dabei, die gegenwärtige Situation transparent zu gestalten und Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zu analysieren.“

(Bildquelle: Esri Deutschland)

Die Hightech-Strategie der Bundesregierung weist zehn Zukunftsprojekte auf, die zeigen, auf welch vielseitige Art und Weise die Energiewende möglich wird. Im Rahmen des Projekts „Intelligenter Umbau der Energieversorgung“ soll beispielsweise gezeigt werden, wie Wohnen, Verkehr und Wirtschaften mit weniger Energie gelingen, wie Energie gespeichert und wie sie über intelligente Netze verteilt wird. Basierend auf der Prognose, dass künftig zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben werden, ist die -Emissions-Stadt das zu erreichende Ziel. Effiziente Energienutzung, Gebäudedämmung, umweltfreundliche Beheizung, dezentrale Energieerzeugung und intelligente Energieverteilstrukturen leisten dazu Beiträge. Zudem ist eine nachhaltige Mobilität gefordert, die mit der verstärkten Nutzung von Elektroautos, alternativen Antriebskonzepten und ökologischen Kraftstoffen realisiert werden soll. Auch eine an den Klimawandel angepasste Verkehrsinfrastruktur ist zwingend notwendig und selbstverständlich müssen nachwachsende Rohstoffe berücksichtigt werden.
Für Vorhaben wie diese spielt der Raumbezug eine wichtige Rolle. Geo-Informationen helfen dabei, die gegenwärtige Situation transparent zu gestalten und Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zu modellieren und zu analysieren. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der Potenzialatlas Erneuerbare Energien des Landes Baden-Württemberg. Die Web-Anwendung zeigt Potenziale für die Energiegewinnung durch Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft auf. Planungsprozesse werden dadurch ebenso unterstützt wie der Informationsbedarf der Bevölkerung. Sie soll die durch die Energiewende induzierten Veränderungen nachvollziehen können.
Solche Anwendungen werfen die Frage nach der Verfügbarkeit digitaler Geodaten auf. Zwar wurde mit Umsetzung der europäischen Richtlinie INSPIRE damit begonnen, die bereits existierenden digitalen Datenbestände mit Raumbezug – wie etwa Umweltdaten – verfügbar zu machen. Ein konkreter Nutzwert für die Energiewende ergibt sich aber erst dann, wenn die Geodaten zu Anwendungen wie dem Potenzialatlas zusammengeschaltet werden. In beiderlei Hinsicht besteht akuter Handlungsbedarf. Einerseits müssen zwingend diejenigen Geo-Informationen erhoben und bereitgestellt werden, für die es keine Verpflichtung nach INSPIRE gibt, die aber für Zwecke der Energiewende benötigt werden. Andererseits sind noch nicht alle Voraussetzungen geschaffen worden, um die oftmals in öffentlicher Hand befindlichen Daten digital und internetgerecht verfügbar zu machen.

Kommunaler Flickenteppich

Insbesondere letzterer Punkt wird durch eine aktuelle Studie des Kommunalen Koordinierungsgremiums der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände (KoKo GDI-DE) in Kooperation mit dem Runder Tisch GIS zum „Einsatz von Geo-Informationen in den Kommunen“ bestätigt. Die Studie zeigt auf, dass gegenwärtig erst 30 Prozent der Kommunen in Deutschland Geoportale betreiben, um Bürger lokal über raumbezogene Zusammenhänge zu informieren. Selbst wenn der vom Deutschen Dachverband für #bild2 Geoinformation (DDGI) angeregte Geodienst „Energiesysteme Deutschland“ existieren würde, könnte er über die Einbindung in die kommunalen Geoportale derzeit nur ein Drittel der Bevölkerung erreichen. Für einen Transitionsprozess, der jeden Bürger betrifft, ist dies entschieden zu wenig. Auch im Umkehrschluss, der Zulieferung kommunaler Energiedaten in ein deutschlandweites Portal, ergäbe sich ein entsprechender Flickenteppich, in welchem 70 Prozent der Kommunen ausgespart wären.
Ein näherer Blick auf die in den Kommunen anfallenden Energiedaten, etwa zu Solarpotenzialflächen, Windenergie- und Biomassepotenzialen, beheizten Flächen oder Gebäudetypen, stimmt ebenfalls nachdenklich. Der Studie zufolge haben von insgesamt 1.018 Rückmeldungen lediglich 242 Kommunen, also knapp 24 Prozent, angegeben, Energiedaten für die interne Nutzung zur Verfügung zu stellen; nur etwa acht Prozent nehmen eine öffentliche Datenbereitstellung vor.
Gerade von der häufig fehlenden organisationsweiten internen Nutzung von Geo-Informationen würden Institutionen, kommunale Einrichtungen und die Bevölkerung erheblich profitieren. Ein unternehmensweites geografisches Informationssystem, kurz Enterprise GIS bedürfte einer intensiveren Beachtung als bislang. Die Konzepte dazu sind erarbeitet, die nötigen GIS-Technologien existieren. Eine durchgängige Verknüpfung der Datenbanken professioneller Anwender mit Desktop-Arbeitsplätzen und webbasierten Auskunftsportalen für interne Anwender oder die Öffentlichkeit kann heute schon realisiert werden.
Doch warum werden hier nur zaghafte Fortschritte erzielt? Liegt es an der Unwissenheit von Entscheidern bezüglich des Nutzens moderner Geo-Informationstechnologien für die Energiewende? An dem Unvermögen, das eigene Silodenken zu überwinden und multidisziplinäre und ressortüberschreitende Geo-Informationslösungen zu bauen? Oder wird die Bedeutung von raumbezogenen Informationen einfach nicht richtig eingeschätzt?

Geodienst für Energiesysteme

Die Antworten hierauf sind vielfältig und nicht einfach, es lohnt sich aber, sich näher mit diesen Fragen zu befassen, zumal auch der Erste Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom Dezember 2012 nur wenige Projekte mit Raumbezug dokumentiert. So befassen sich von den aufgeführten 166 energiepolitischen Maßnahmen lediglich drei primär mit Geo-Informationen: Die Maßnahme 13, „Ausweisung neuer Flächen Onshore-Wind in Raumordnungsplänen“, die Maßnahme 18, „Windpotenzialstudie Bund und Länder“ sowie Maßnahme 59, „Geothermie-Atlas“. Die Quote derjenigen Vorhaben, die als Grundlage eine permanent verfügbare digitale Geodaten-Infrastruktur benötigen, ist allerdings ungleich höher. Warum also nicht eine Maßnahme beschließen, mit der eine universell nutzbare Geo-Informationsinfrastruktur geschaffen und dauerhaft betrieben wird?
Der DDGI hatte in seinem 2012 veröffentlichten Positionspapier „Energiewende und Geoinformationen“ angeregt, mittels Geodaten mehr Transparenz für den Bürger herzustellen, Datenzugang und Datennutzung zu optimieren, die Informationslage durch Monitoring zu dynamisieren und die öffentliche Kommunikation durch die Verbindung von Geo-Informationen mit sozialen Netzwerken zu forcieren. Als Grundlage für die Realisierung dieser Punkte soll ein Geodienst „Energiesysteme Deutschland“ geschaffen werden. Aus Sicht des DDGI müssen diese Empfehlungen weiter aufrecht erhalten werden. Ihre Berücksichtigung würde unter anderem zu einer verbesserten Einbindung der betroffenen Bürger in die Umsetzung der Energiewende führen, die beispielsweise über den zentralen Geodienst aktiv informiert werden könnten.
Beispielhaften Charakter hat diesbezüglich das Projekt „Eye-on-Earth“ der europäischen Umweltagentur. Einzigartig ist die Kommunikation mit den Betroffenen: Hier werden durch die konsequente Verknüpfung eines Geoportals mit modernen Kommunikationskanälen wie Blogs, Facebook, Twitter oder YouTube neue Wege beschritten.
Es ist zu erwarten, dass sich mit einem derart gestalteten Informationsportal in kurzer Zeit und zudem dauerhaft eine große Zahl von Nutzern gewinnen lässt. Damit ließe sich eine energiewendeaffine Community aufbauen, gegen welche die über Bürgerkonferenzen und Bürgerwerkstätten erreichten 1.500 Teilnehmer innerhalb eines Jahres als sehr gering erscheinen würden.

Gerd Buziek, Jahrgang 1959, ist Unternehmenssprecher der Esri Deutschland Unternehmensgruppe und seit November 2000 Vizepräsident des Deutschen Dachverbands für Geoinformation e. V. (DDGI). Bis 2000 war der Diplom-Geodät wissenschaftlich an der Leibniz Universität in Hannover tätig, die ihn 2009 zum Honorarprofessor bestellte.


Stichwörter: Informationstechnik, DDGI, Esri


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