Gas-InfrastrukturDer Weg zum grünen Gasnetz
Um Gas zu transportieren, ist in den Leitungen ein gewisser Druck vonnöten. Dieser Druck wird in den Verdichterstationen erzeugt, von denen es in Deutschland 53 Stück mit 1.900 Megawatt installierter Leistung gibt. Sechs davon werden elektrisch betrieben, 47 allerdings mit Erdgas. Für eben diesen Betrieb werden neun Terawattstunden Erdgas verbrannt. Zum Vergleich: In ganz Deutschland werden aktuell pro Jahr insgesamt zehn Terawattstunden Biomethan verbraucht.
Würde man den Betrieb des Gasnetzes und der Verdichterstationen auf Biomethan umstellen, könnten 1,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Dies scheint im Vergleich zu anderen Emittenten ein Tropfen auf den heißen Stein. Und doch könnten Gasnetzbetreiber mit dem Wechsel zu grünen Gasen zur Energiewende und in der Folge nachhaltig zum Klimaschutz beitragen. Sämtliches durch die klimafreundliche Gestaltung des Gastransports in Deutschland verbrauchtes Erdgas würde klimaschonend und CO2-arm transportiert, ohne Gaslieferanten oder Letztverbraucher zum tatsächlichen Wechsel auf grüne Gase anreizen oder verpflichten zu müssen.
Mehrkosten nicht anerkannt
Warum aber geschieht das nicht? Es liegt nicht am Prozess, denn aufgrund derselben Brennwerteigenschaften kann aufbereitetes Biomethan ebenso eingespeist werden wie Erdgas und könnte somit von heute auf morgen auch bei den Verdichterstationen zum Einsatz kommen – ob als Beimischung oder zu 100 Prozent. Vielmehr liegt es an den Ausgaben. Da Biomethan noch teurer ist als Erdgas, entstehen bei der Umstellung der Verdichterstationen Mehrkosten von circa 35.000 Euro. Diese werden von der Bundesnetzagentur (BNetzA) Stand heute nicht als Kosten für die Wälzung über die Netznutzungsentgelte anerkannt. Das wiederum hat zur Folge, dass die Netzbetreiber sich nicht bewegen, denn sie möchten nicht auf den höheren Kosten sitzenbleiben.
Soll sich an diesen Rahmenbedingungen etwas ändern, müsste der offizielle Weg über Anträge und Formulare gegangen werden. Man weiß oder ahnt doch zumindest, dass die Mühlen der Bundesbehörde oftmals langsamer laufen und sich das Projekt „grünes Netz“ in die Länge ziehen würde. Ein anderer Weg ist, ein Risiko einzugehen und einen Präzedenzfall zu schaffen. Würden ein oder mehrere Verdichterstationen auf grün gestellt und die Netzbetreiber dann die Mehrkosten bei der BNetzA einfordern, wäre es für Letztere zumindest politisch riskant, den Antrag abzulehnen. In Zeiten, in denen ein ganzes Land nach Klimaschutzmaßnahmen verlangt, ist davon auszugehen, dass der Image-Schaden bei Antragsablehnung größer wäre als der Preis, der für die Umstellung letztlich von allen Netznutzern über marginal höhere Netznutzungsentgelte zu zahlen wäre.
Grundhaltung überdenken
Um hier einen Wandel herbeizuführen, müsste also die Grundhaltung überdacht und neu und mutig gehandelt werden. Denn wer die Energiewende wirklich möchte, hätte an dieser Stelle einen sehr wirksamen Hebel. Eine weitere Stellschraube, die aktuell eher als Hindernis für das grüne Netz betrachtet werden kann, ist die Erlösobergrenze. Sie definiert Jahr für Jahr neu, welche Erlöse der Netzbetreiber im Folgejahr erzielen darf, um seine Aufgaben zu erfüllen. Was ursprünglich als Anreiz gedacht war, um Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern, verhindert heute Investments in eine klimafreundliche Zukunft.
Verschärfend kommt hinzu, dass die ersten Förderungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von mit Biomethan betriebenen Anlagen wie Blockheizkraftwerken auslaufen und der Zubaudeckel der im Gesetz inbegriffenen Flexibilitätsprämie ebenfalls ausgeschöpft ist. Es braucht also neue, sinnvolle Verwendungszwecke für das grüne Gas – der Betrieb des Gasnetzes könnte einer davon sein. Dies hätte zudem eine starke Signalwirkung für die Empfänger des transportierten Erdgases, würde es doch zeigen, dass ökologisch verantwortliches Handeln mithilfe grüner Gase unabhängig vom Anwendungsgebiet einfach und schnell umsetzbar ist. Es gibt weder Risiken bei der Umstellung noch Risiken für den Biomethan-Markt, es könnten im Gegenteil sogar Überbedarfe gedeckt werden.
Forderungen werden lauter
Inzwischen werden die Rufe auch aus dem direkten Umfeld des Gasnetzes lauter: Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) hat die grünen Gase wie SNG und Wasserstoff sowie die stärkere Berücksichtigung der Sektorkopplung im Rahmen des Netzentwicklungsplans 2020-2030 klar als wichtige Faktoren für die Dekarbonisierung und die Erreichung der Klimaziele benannt. Deswegen wurde auch der Wunsch erneuert, sie in die Gas-Infrastruktur zu integrieren. Zudem fordert sie ab 2021 eine Quote für grüne Gase, die sich bis 2030 auf zehn Prozent steigert. So sollen fossile Energieträger zunächst vornehmlich von Biomethan und dann auch von grünem sowie blauem Wasserstoff verdrängt werden, um die Klimaziele zu erreichen.
Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz
Sogar über eine Kombination mit einer CO2-Bepreisung sowie einem Marktanreizprogramm für Power-to-Gas-Technologien wird laut nachgedacht. Sicher auch aus diesem Grund wurden die Netzbetreiber aufgefordert, möglichst viele Projekte mit grünen Gasen zu melden. FNB Gas führt als Vorteile unter anderem die Versorgungssicherheit, aber auch die Kosteneffizienz bei Transport und Speicherung, den Beitrag zur CO2-Reduktion sowie das Potenzial für die Sektorenkopplung an. Die Stellungnahmen der verschiedenen Fernleitungsnetzbetreiber zu diesem Vorstoß sprechen eine klare Sprache: Alle sind sich einig, dass grüne Gase künftig wesentlich sein werden, sie divergieren jedoch in ihrer Einschätzung zu den Möglichkeiten. Interessant wäre an dieser Stelle auch die Meinung der Verteilnetzbetreiber (VNB) gewesen, die das Gasnetz zur Verteilung an die Endverbraucher betreiben. Sie wurden jedoch nicht befragt. Ebenfalls interessant ist, dass diejenigen, die hier fordern, schon längst selbst ihren Beitrag leisten könnten – nämlich indem sie ihr Netz umstellen oder den Druck in diese Richtung erhöhen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November/Dezember 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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