Bad HersfeldDer Schlüssel liegt in den Daten
Für Thomas Fehling (parteilos), Bürgermeister der nordhessischen Stadt Bad Hersfeld und von Haus aus Informatiker, ist Smart City kein Exklusivthema für große Städte. Digitalisierte Prozesse sind aber nur dann sinnvoll, wenn sie tatsächlich einfacher, schneller oder kostengünstiger sind als das traditionelle Vorgehen. Das Leitmotiv von digitalen Projekten in Bad Hersfeld lautet daher: Bürgernutzen und Nachhaltigkeit. Verfolgt werden kleine, konkrete Vorhaben, die eingebunden sind in eine flexible digitale Datenplattform, welche die Nachhaltigkeit aller Projekte sichert.
In den Kommunen sind heute bereits eine Vielzahl von Daten vorhanden, die anonymisiert zu neuen digitalen Diensten genutzt werden können. So können zum Beispiel Daten aus einem Verkehrsleitsystem zu nützlichen Informationen für die Verkehrsverflüssigung werden. Daten werden somit künftig zu einem Teil der städtischen Infrastruktur und des kommunalen Vermögens. Aus den auf ihnen basierenden Smart-City-Lösungen kann die Kommune neue Einnahmen erzielen; für Unternehmen können sie Grundlage für innovative Geschäftsmodelle sein. Offene urbane Datenplattformen werden also die Basis der Digitalen Stadt bilden.
Nachdem eine Testphase positiv ausgefallen war, unterschrieb die Stadt Bad Hersfeld den Vertrag zur Beschaffung der Sensordatenplattform [ui!] UrbanPulse mit dem zugehörigen [ui!] Cockpit des Unternehmens Urban Software Institute. Bei dem Cockpit handelt es sich um ein übersichtliches Management-System, mit dem sich Smart-City-Indikatoren steuern lassen. Zu den von der Stadt ausgewählten Indikatoren zählen zum Beispiel Staumeldungen durch spontane Baustellen, erhöhter Wasserverbrauch durch undichte Leitungen, Energie-Monitoring im 15-Minuten-Intervall oder Überschreiten der Grenzwerte bei Umweltbelastungen. Mit den Echtzeitdaten kann die Verwaltung unmittelbar reagieren.
Konkrete Projekte
Einige konkrete Digitalisierungsprojekte hat Bad Hersfeld bereits in Angriff genommen. Dazu gehört etwa, dass mithilfe neuartiger Parkplatz-Sensoren an Straßenlaternen die Anzahl der tatsächlich freien Parkplätze auf dem Marktplatz angezeigt wird. Anders als bei Zählschranken wird dabei die Größe der Fahrzeuge und die Parkweise berücksichtigt. Das reduziert die Verärgerung von Bürgern, wenn die Anzeigen nicht korrekt sind. Am Eingang zum Parkplatz wird nun genau angezeigt, wo ein freier Platz zu finden ist. Gleichzeitig werden die Daten an die Cloud übermittelt, sodass sie ausgewertet und den Bürgern beispielsweise im Browser zur Verfügung gestellt werden können.
Ein weiteres Projekt für die Plattform [ui!] UrbanPulse ist die gezielte Lärmreduktion. In den meisten Städten liegen Informationen über Lärmwerte vor, eine Lärmkartierung ist Pflicht. Oft handelt es sich aber um theoretische Durchschnittsdaten, basierend auf Annahmen, wie viel Lärm eine Straße einer bestimmten Straßenart erzeugt. Das Urban Software Institute nutzt dagegen eine von der Firma WaveScape Technologies entwickelte App, die mit Geokoordinaten versehene Lärmmessungen der Umgebung erfasst. Verwendet wird hierzu das Mikrofon des Handys. Bürger können die Lärmdaten selbst mit dem Mobiltelefon aufnehmen und an die Datenplattform von Bad Hersfeld senden. So verfügt die Stadt über eine tatsächliche und höchst detaillierte Lärmkartografierung. Die Stadtverwaltung kann somit ihre Maßnahmen zur Lärmreduzierung gezielter einsetzen. Weitere Projekte sind in Bad Hersfeld bereits in Planung, so etwa der smarte Mülleimer. Moderne Sensorik erfasst dabei den Füllstand der öffentlichen Abfallkörbe und wertet diese über die Cloud-Plattform aus. So kann die Route der städtischen Müllabfuhr optimiert werden – kaum gefüllte Behälter werden einmalig nicht geleert und demnach nicht angefahren. Die mögliche Kostenersparnis ist beträchtlich. Die Umwelt profitiert durch CO2-Einsparungen ebenfalls.
Konnektor übersetzt
Um die Daten aus all diesen Projekten den Bürgern und der Stadtverwaltung zur Verfügung zu stellen, werden sie in die Cloud gesendet – an die Sensordatenplattform [ui!] UrbanPulse, welche die Verarbeitung und Aggregation der Informationen ermöglicht. Da es sich hierbei um reine Messdaten handelt, ist der Datenschutz der Bürger jederzeit gewahrt. Die Plattform ermöglicht dann nicht nur, die Daten für eine grafische Darstellung aufzubereiten, sondern auch, verschiedene Messwerte zu kombinieren. Zudem erfolgt eine analytische Auswertung der Daten – so ist beispielsweise der Verlauf der Lautstärkemessungen in einem Diagramm dargestellt.
Eine Herausforderung stellen insbesondere die unterschiedlichen Datenquellen dar: Mal stammen die Daten von einem Partner und werden über eine Anwendungsprogrammierschnittstelle (API) zur Verfügung gestellt, mal stammen sie direkt von einem physischen Sensor. Um die unterschiedlichen Protokolle und Datentypen gemeinsam abbilden zu können, hat das Urban Software Institute das so genannte Connector Framework entwickelt. Die Konnektoren verbinden die Datenquellen mit der Datenplattform [ui!] UrbanPulse, und übersetzen sie in das benötigte Format.
Ein besonderes Augenmerk bei der Entwicklung der Plattform lag darin, die Integration der Daten möglichst offen zu gestalten. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass jeder von den Daten profitieren kann und diese über offene APIs zugänglich sind.
Bad Hersfeld will zum Entwicklungs- und Produktionsstandort für Smart-City-Lösungen werden und schafft entsprechende Anreize zur Ansiedlung von Firmen. Smarte Lösungen sollen in der Stadt mit den vorhandenen Daten und auf Basis der Urban Sensordatenplattform getestet werden können. Das „Smart City Living Lab Bad Hersfeld“ soll somit konkret Wertschöpfung in die Stadt holen.
Dieser Beitrag ist in der September-/Oktober Ausgabe 2017 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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