Last-ManagementDas Netz in Balance halten
Die zunehmende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen freut die Politik, lässt aber zugleich die Sorge wachsen, dass es zu einem Strom-Blackout kommt. Denn auf die zusätzlichen Leistungen und Gleichzeitigkeiten von Ladevorgängen sind die Niederspannungsnetze – besonders in den Randzonen der Städte – nicht ausgelegt. Mit der richtigen Technik ist die Sorge aber unbegründet.
Das zeigt ein Simulationsprojekt des Unternehmens BTC Business Technology Consulting. Es müssen also weder die Bagger anrücken, um das Netz und die Leitungen sofort zu ertüchtigen, noch haben sich die Interessenten von Elektrofahrzeugen in Geduld zu üben. Der E-Mobility-Netzregler von BTC ermöglicht die Versorgung der Elektrofahrzeuge durch ein intelligentes Last-Management – sei es in Wohnquartieren, städtischen Parkhäusern oder in Fuhrparks von Unternehmen.
Überlastung verhindern
Der BTC | GRID Agent für E-Mobility, der im Feld- oder im Netzleitsystem verbaut wird, balanciert die Stromlasten so aus, dass es zu keiner Überlastung im Stromnetz kommt. Ein Simulationsprojekt von BTC untersuchte in einem gut ausgebauten Netzgebiet von EWE NETZ, ob der Netzregler hält, was er verspricht. Dafür baute Lutz Lehmann, Junior Consultant bei BTC, auf Basis realer Verbrauchsdaten sowie den Infrastrukturinformationen aus einem Wohnquartier mit 25 Haushalten ein Simulationsszenario auf. Innerhalb dieses Szenarios konnte das BTC-Team testen, wie viele Elektrofahrzeuge das Netz problemlos verkraftet und wie der E-Mobility-Regler hilft, Überlastungssituationen zu entschärfen.
Das Ergebnis: Wenn knapp die Hälfte der 25 Haushalte eines Netzgebiets ein E-Auto fährt und dieses in den Abendstunden in der Privatgarage auflädt, sind die Fahrzeuge nach drei Stunden vollständig aufgeladen. Erst ab dem elften E-Auto mit einer Leistungsaufnahme von 22 Kilowatt (kW) kommt es zu einem kleinen Leistungsabfall, sodass es etwas länger dauert, bis alle Autos aufgeladen sind.
Leistungsaufnahme ausbalancieren
Prinzip des BTC | Grid Agent ist es, die Leistungsaufnahme an einem Ladepunkt sowie die vorhandene Netzkapazität auszubalancieren. Das heißt: Wollen alle 25 Haushalte ihre Elektrofahrzeuge gleichzeitig aufladen, drosselt der Regler die Leistungsaufnahme so, dass zwar alle angeschlossenen Autos Strom bekommen, es aber länger dauert, bis die Akkus vollständig geladen sind. „Eine solche marginale Herabregelung des Stroms ist verkraftbar, vor allem wenn man bedenkt, dass es nicht so schnell dazu kommen wird, dass jeder Haushalt ein Elektroauto fährt“, erläutert Bernd Hillers, Business Developer bei BTC, und betont: „Die Maßnahme, die Ladeleistung herunterzuregeln, hilft einem Netzbetreiber, die Herausforderung der E-Mobility zu meistern.“
„Damit verringert sich die Sorge, dass zu viele E-Autos die Netzstabilität durch Überlastung gefährden könnten“, sagt BTC-Junior-Consultant Lutz Lehmann und ergänzt: „Es entfällt auch das Muss, das Leitungsnetz schnell auszubauen. Das heißt, der Netzregler hebt vorhandene Effizienzen im Stromnetz, sodass der klassische Netzausbau nicht sofort angepackt werden muss.“
Simulationsprojekt im Detail
In dem betrachteten Niederspannungsnetz ist eine Ortsnetzstation von 250 Kilovoltampere (kVA) verbaut, die für die Versorgung von 25 Haushalten zuständig ist. Im Netzgebiet existiert bis dato keine Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge. Für die Simulation wurde angenommen, dass sämtliche 25 Haushalte einen 22-kW-Ladepunkt besitzen. Diese Ladegeschwindigkeit versteht sich als Schwellenwert, der maximal in einem Niederspannungsnetz bedient werden kann. Eine solche Ladeleistung wird von einigen am Markt erhältlichen Fahrzeugmodellen beim Laden mit Wechselstrom (AC-Laden) erreicht; die meisten Modelle bewegen sich im einstelligen Kilowattbereich. Des Weiteren wurde eine Akkukapazität von 40 Kilowattstunden (kWh) bei den Elektrofahrzeugen angenommen. Im Benchmark mit den aktuellen Elektrofahrzeugen ist dies ein Wert im oberen Mittelfeld, der eine Reichweite von circa 400 Kilometern gemäß NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) erlaubt. #bild2
Im Rahmen der Simulation wurden von BTC verschiedene Szenarien untersucht. Im so genannten Worst-Case-Szenario wurde angenommen, dass jeder Haushalt im Netzgebiet über ein Elektrofahrzeug verfügt. Die Ladevorgänge beginnen um 17 Uhr mit einem Akkufüllstand von Prozent. Der Netzregler beginnt aufgrund spannungsbedingter Engpässe im betrachteten Netzgebiet ab fünf Fahrzeugen in den Ladevorgang einzugreifen. Ein Regeleingriff beziehungsweise eine Reduktion der Ladeleistung wirkt sich verzögernd auf den Akkufüllstand aus, da erst ab dem elften Fahrzeug der Akku nicht vollständig geladen wird.
Siebeneinhalb Stunden Ladezeit im Worst-Case-Szenario
Nach einer Ladedauer von vier Stunden erreichen 25 Fahrzeuge 50 Prozent der Nenn-Akkukapazität, mit der eine Wegstrecke von rund 150 Kilometern zurückgelegt werden kann. Werden 15 Elektrofahrzeuge gleichzeitig geladen, wird nach vier Stunden ein Akkustand von 84 Prozent erreicht.
Bereits nach fünf Stunden Ladedauer ist der Akku im Worst Case wieder voll, wenn 15 Haushalte im Wohngebiet ein Elektrofahrzeug besitzen und gleichzeitig laden. Besitzt tatsächlich jeder Haushalt ein E-Auto und diese hängen alle gleichzeitig am Netz, dauert es sechs Stunden bis jedes Fahrzeug zu 76 Prozent geladen ist. Um alle Autos im Worst-Case-Szenario zu 100 Prozent aufzuladen, sind siebeneinhalb Stunden notwendig.
Herstellerunabhängig einsetzbar
Der IT-basierte BTC | GRID Agent Netzregler für E-Mobility kann herstellerunabhängig eingesetzt werden und erkennt kritische Situationen in der Ladesäulen-Infrastruktur. Wenn es zu Lastspitzen kommt, greift er steuernd ein. Auch Regelungsaufgaben, wie etwa Spannungsbandregelungen oder das Blindleistungsmanagement, kann der Regler übernehmen, da er optional über ein integriertes Netzmodell sowie über Netzberechnungsfähigkeiten verfügt.
Dieser Beitrag ist in der Juli/August-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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