Stadtwerke HaßfurtCO2-freie Speicherkette für Ökostrom
Die Energiewende fängt im Kleinen an – mit diesem Satz bringt Geschäftsführer Norbert Zösch die Philosophie des Stadtwerks Haßfurt auf den Punkt, Versorger der rund 14.000-Einwohner-Gemeinde im bayerischen Unterfranken.
Dabei ist der Anteil regenerativer Erzeugung in den Jahren 2010 bis 2017 rasant gestiegen: Von 29 auf 100 Prozent im Jahr 2015 und mit rund 85.000 Megawattstunden (MWh) auf 208 Prozent im Jahr 2017 – mit Blick auf die Netzstabilität eine echte Herausforderung für das Stadtwerk.
Ohne fossile Brennstoffe
Bereits im Oktober 2016 nahm die Windgas Haßfurt GmbH & Co. KG – ein Gemeinschaftsunternehmen des Stadtwerks Haßfurt und der Hamburger Ökoenergiegenossenschaft Greenpeace Energy – eine Power-to-Gas-Anlage (PtG) in Betrieb. Herzstück der Anlage ist ein containergroßer PEM-Elektrolyseur (Polymer Electrolyte Membrane) des Typs Silyzer 200 von Siemens mit 1,25 Megawatt (MW) Spitzenleistung. Die hochmoderne Anlage am Mainhafen wandelt überschüssigen Strom aus dem nahen Bürgerwindpark Sailershäuser Wald sowie aus weiteren Windenergie- und Solaranlagen in erneuerbaren Wasserstoff um, auch Windgas genannt. Pro Jahr erzeugt der Elektrolyseur eine Million Kilowattstunden des Ökogases, das für die knapp 20.000 proWindgas-Kunden von Greenpeace Energy in das Gasnetz eingespeist wird.
Die PEM-Anlagen sind äußerst reaktionsschnell, denn der Elektrolyseur verändert binnen Millisekunden automatisch seine Leistung, um die Frequenz im Netz zu stabilisieren. Als Partner von Next Kraftwerke ist die rund zwei Millionen Euro teure Anlage, für die es keine Förderung gab, Teil eines virtuellen Kraftwerks. „Das Geschäftsmodell von Windgas Haßfurt beruht darauf, dass die Investitionskosten innerhalb von zehn Jahren erwirtschaftet werden“, erläutert Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Zösch die wirtschaftliche Grundlage für die Investition.
15 Stunden Dauerbetrieb
Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme eines hochinnovativen Wasserstoff-Blockheizkraftwerks (H2-BHKW) zur Rückverstromung von regenerativ gewonnenem Wasserstoff im Juni 2019 haben die Städtischen Betriebe Haßfurt die bestehende Power-to-Gas-Anlage erweitert. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) fördert das Vorhaben. Beim installierten BHKW handelt es sich um ein agenitor 406 SG von 2G Energy mit einer elektrischen Leistung von 140 Kilowatt (kW) beim Betrieb mit Wasserstoff. Es ermöglicht einen Betrieb mit reinem Wasserstoff ohne fossile Brennstoffanteile. Damit wurde erstmals in der kommunalen Praxis eine wasserstoffbasierte und CO2-freie Speicherkette für regenerativen Strom umgesetzt. Die Speicherkette führt von der Stromerzeugung aus Windenergie über die Umwandlung in Wasserstoff mittels Elektrolyse sowie die Speicherung in Drucktanks bis hin zur Rückverstromung über Kraft-Wärme-Kopplung. Der Wasserstoffspeicher erlaubt einen Dauerbetrieb des BHKW für etwa 15 Stunden.
„Da sowohl die PtG-Anlage als auch das H2-BHKW eine hohe Dynamik aufweisen, können mit dem Gesamtsystem Elektrolyseur – Speicher – H2-BHKW Stromüberschüsse und Unterdeckungen aus der erneuerbaren Stromerzeugung im lokalen Bilanzkreis oder übergeordnet mit Regelenergie im Verteilnetz ausgeglichen werden“, sagt Norbert Zösch.
Technologie mit Potenzial
Das BHKW agenitor 406 SG hat 2G Energy als anschlussfertige Containerlösung geliefert. Frank Grewe, Entwicklungsleiter von 2G Energy, erwartet einen zunehmenden Bedarf an H2-BHKW: „Nach der ersten Installation eines H2-BHKW bereits im Jahr 2012 am Flughafen BER in Berlin machen wir in Haßfurt den nächsten Schritt mit einem Standard-BHKW der agenitor-Baureihe, das für die wahlweise Nutzung von reinem Wasserstoff, einem Wasserstoff-Erdgas-Gemisch oder Erdgas kostengünstig angepasst wurde. Der sichere und flexible Betrieb im Rahmen einer zukünftigen breiten Nutzung von PtG-Konzepten mit BHKW ist ein wichtiger Eckpunkt für die Entwicklungsarbeit bei 2G.“
Das H2-BHKW in Haßfurt verfügt über einen zweiten Gasanschluss für einen Wechsel in den Erdgasbetrieb, wobei die elektrische Nennleistung dann 200 kW beträgt. Grewe: „Eine signifikante Erhöhung der Nennleistung im Wasserstoffbetrieb auf das Niveau der mit Erdgas betriebenen Maschinen ist ein kurzfristiges Entwicklungsziel. Neben der sicheren Anlagenverfügbarkeit steht also die weitere Senkung der spezifischen Produktions- und Betriebskosten von H2-BHKW im Fokus.“
Das Haßfurter Projekt wird wissenschaftlich-technisch vom Institut für Energietechnik begleitet.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September/Oktober 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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