ThüringenBioenergie sichert Arbeitsplätze
Im Interview: Jürgen Reinholz
Jürgen Reinholz, Jahrgang 1954, ist seit 2009 Thüringer Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz. Von 2003 bis 2009 war er Wirtschaftsminister des Freistaats. Vor seinen politischen Ämtern war Jürgen Reinholz Geschäftsführer der Landes
(Bildquelle: Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz)
Herr Minister, 2011 war ein Boomjahr für Biogas in Thüringen, war kürzlich zu lesen. Liegt das an einer konsequenten Förderpolitik Ihres Ministeriums?
Tatsächlich hat sich in den vergangenen drei Jahren der Bestand an Biogasanlagen in Thüringen etwa verdoppelt. Waren es Anfang 2009 noch 118 Anlagen mit installierten 55 Megawatt elektrischer Leistung, hatten wir Ende des vergangenen Jahres schon 220 Anlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von etwa 100 Megawatt. Mehr als 90 Prozent der Thüringer Biogasanlagen wurden in landwirtschaftlichen Betrieben errichtet. Diese Entwicklung ist einerseits ein Ergebnis der garantierten Einspeisevergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, insbesondere des EEG 2009. Aber auch die Möglichkeiten innerhalb des Thüringer Agrarinvestitionsförderungsprogramms haben vielen landwirschaftlichen Betrieben die Investitionsentscheidung erleichtert. Nicht zuletzt ist der Zuwachs an Anlagen ein Verdienst des Thüringer Bioenergieprogramms der Landesregierung von 2006.
Was leistet das Programm?
Das Programm regte die Einrichtung einer unabhängigen Bioenergieberatung an, die 2008 als BIOBETH gegründet wurde. BIOBETH berät vor allem Kommunen und begleitet Bioenergieprojekte mit Machbarkeitsstudien und Öffentlichkeitsarbeit. Häufig ist sehr viel Aufklärungsarbeit notwendig, um Bioenergieprojekte in Kommunen durchzusetzen oder Bioenergiedörfer zu initiieren.
Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht Biomasse bei der Energiewende?
Im Jahr 2010 wurden bereits rund 40 Prozent der Gesamtstromerzeugung in Thüringen, das sind etwa 2.900 Gigawatt-Stunden, aus erneuerbaren Energien gewonnen. Damit könnten alle Thüringer Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden. Der Anteil der Biomasse daran lag bei rund 46 Prozent. Die erneuerbaren Energien stellten 2009 über 24 Prozent des gesamten Nettostromverbrauchs in Thüringen, Biomasse war daran zu mehr als der Hälfte beteiligt. Thüringen importiert derzeit aber noch etwa die Hälfte seines Strombedarfs. Der Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch für Wärme betrug fast 22 Prozent und wird fast ausschließlich durch Biomasse geliefert. Die Energiewende muss einerseits vom konsequenten Ausbau aller erneuerbaren Energien, aber auch von der Steigerung der Energieeffizienz getragen werden. Biomasse wird zum Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin einen entscheidenden Beitrag leisten. Mittelfristig rechne ich damit, dass sich der derzeitige Anteil der Biomasse an den Erneuerbaren von mehr als 80 Prozent auf etwa 70 Prozent verringert, wenn Wind- und Solaranlagen ausgebaut werden.
Wo liegen die besonderen Vorteile von Bioenergie?
Die Vorteile der Nutzung von Biomasse zur Energieerzeugung liegen auf der Hand: Damit werden knapper werdende fossile Energieträger geschont. Es wird nicht mehr Kohlendioxid freigesetzt, als zuvor von den Pflanzen aufgenommen wurde – Biomasse trägt damit zum Klimaschutz bei. Biomasse kann als fester, flüssiger oder gasförmiger Energieträger zur Verfügung gestellt werden. Damit kann sie sowohl zur Erzeugung von Wärme und Strom eingesetzt werden als auch Kraftstoffe ersetzen. Im Gegensatz zur Wind- und Sonnenenergie kann sie kontinuierlich erzeugt und gespeichert werden. Kurzum: Sie ist die vielseitigste der erneuerbaren Energien. Aus meiner Sicht gibt es aber noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Bioenergie, für deren Erzeugung die Land- und Forstwirtschaft prädestiniert sind, bringt Wertschöpfung und sichert Arbeitsplätze im ländlichen Raum.
„Insgesamt könnten etwa 20 Prozent des Energieverbrauchs in Thüringen durch Biomasse abgedeckt werden.“
Welches Potenzial hat Biomasse im Energiemix im Freistaat?
Das Potenzial an nutzbarer Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft ergibt sich zum einen aus den anfallenden Neben- und Restprodukten wie Waldrestholz, Wirtschaftsdünger aus der Tierproduktion oder Stroh aus dem Getreideanbau. Zum anderen können Potenziale aus dem Anbau von Bioenergiepflanzen erschlossen werden. Allerdings hat für die Landwirtschaft die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln Vorrang und somit kann die Biomasseproduktion für die energetische Verwertung nicht unbegrenzt ausgeweitet werden. Die Biomassepotenzialstudie der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass 20 bis 25 Prozent der Ackerfläche und 10 Prozent des Grünlandes für energetische Zwecke genutzt werden könnten, ohne die Versorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln zu gefährden. Insgesamt wäre es möglich, etwa 20 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Thüringen durch Biomasse abzudecken.
Welche Formen von Biomasse sind besonders vielversprechend für die Energieerzeugung?
Erfolgreich genutzt werden bereits Holz, landwirtschaftliche Nebenprodukte oder Energiepflanzen vom Acker- und Grünland. Hier besteht die Herausforderung darin, deren Primärenergiepotenzial so effizient wie möglich zu nutzen, indem wir ökologisch und ökonomisch tragfähige Technologien entwickeln oder etablieren. Zum Beispiel sind größere Strohheizungen und Strohheizkraftwerke zur Grundlastversorgung und Versorgung von Nahwärmenetzen denkbar. Die Kraft-Wärme-Technologie muss konsequenter genutzt werden. Wir könnten uns zusätzliche Holzpotenziale erschließen durch Nutzung von Energieholz aus Kurzumtrieb oder Agroforstsystemen. Schließlich lassen sich auch in Biogasanlagen Wirtschaftsdünger und silierfähige Energiepflanzen noch effizienter nutzen.
Mehr als 90 Prozent aller Thüringer Biogasanlagen stehen in bäuerlichen Betrieben. Welche Chancen und Risiken sehen Sie für die Landwirtschaft?
Ich sehe sehr gute Chancen für die landwirtschaftlichen Biogasanlagen, auch nach dem novellierten EEG. Die Anlagenbetreiber erhalten weiterhin die garantierte Einspeisevergütung für 20 Jahre. Mit dem Betriebszweig Energieproduktion haben sich die Unternehmen eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen und ihre Wertschöpfung erhöht. Die Anlagen werden im Schnitt mit einem Anteil von 70 Prozent mit Wirtschaftsdünger betrieben. Das heißt, durch die Vergärung der Gülle zu Biogas leisten die Biogasanlagen einen hervorragenden Beitrag zum Umweltschutz, werden dadurch doch erhebliche Treibhausgasemissionen vermieden und umweltfreundlich Strom und Wärme erzeugt. Außerdem hat sich die Effizienz der Biogasanlagen durch eine zunehmende Nutzung der Abwärme deutlich erhöht. Diese wird in Thüringen derzeit auf 30 bis 40 Prozent der nutzbaren Wärme geschätzt und ist nicht zuletzt auf die Fördermaßnahmen des Freistaats zu Nahwärme- und Biogasleitungen zurückzuführen. Durch diese Förderung konnten von 2008 bis 2011 insgesamt 20 Projekte bereits realisiert oder in Angriff genommen werden.
Wie wird der Freistaat den weiteren Ausbau der Bioenergie-Erzeugung unterstützen?
Damit sich Biomasse im Freistaat weiter durchsetzen und ihren Beitrag zur Energiewende leisten kann, müssen wir weiter zur Rohstoffbereitstellung und -verwertung forschen, Pilot- und Demonstrationsvorhaben initiieren sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse an die Bioenergie-Erzeuger weitergeben. Gerade habe ich mit meiner hessischen Ressortkollegin Puttrich und einem Fraunhofer-Institut eine Vereinbarung für ein gemeinsames Forschungsprojekt unterzeichnet. Darin wird erprobt, wie sich überschüssiger Strom aus Windkraft- und Solaranlagen mithilfe von Kohlendioxid aus Biogas in speicherbares Methan umwandeln lässt. Ich werde mich jedenfalls weiter für eine angemessene Unterstützung der Bioenergie einsetzen, soweit es unsere Haushaltssituation zulässt.
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